Recycling-Pflastersteinefür ein historisches Wegstück
Ob Wilhelm Tell vielleicht durch diese Gasse geschritten ist? Nun, wer weiss! Sicher aber taten es während Jahrhunderten Abertausende alter Eidgenossen auf ihrem Weg von Brunnen über Schwyz nach Einsiedeln. Jetzt ist ein Teilstück dieser historischen Verbindung denkmalpflegerisch saniert worden.
Vier freie Reichsstrassen führten einst durch Schwyz. Die St. Karligasse ist Bestandteil einer solchen. Künstlich ins Gelände abgesenkt und von hohen seitlichen Natursteinmauern begrenzt, gilt sie als typisches Beispiel für die ehemalige Verkehrswegestruktur rund um Schwyz. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte sind viele dieser historischen Wege verschwunden, sei es durch Strassenverbreiterungen, sei es durch Wegverlegungen. Das längste noch erhaltene zusammenhängende Gassenstück ist die Schwyzer Reichsgasse, aus der die Sedlergasse und im Anschluss daran die rund 220 Meter lange St. Karligasse abzweigen.
Einstiger Zustand wiederhergestellt
Die St. Karligasse dient heute als Fusswegverbindung vom Schwyzer Dorfzentrum ins Oberfeld und zur Erschliessung mehrerer sogenannter Herrenhäuser, die leicht zurückversetzt an diesem Weg liegen. Von den heutigen Eigentümern dieser herrschaftlichen historischen Gebäude stammt denn auch die Initiative zur jetzt abgeschlossenen Sanierung. Federführend dabei war Josef Märchi, der als Mitglied des Schwyzer Kantonsrats über die nötigen Beziehungen zu Politik und Behörden, insbesondere zur Denkmalpflege, verfügte. «Die St. Karligasse war Ende der 1960er-Jahre im Nachgang zur Verlegung einer Kanalisationsleitung mit einem Asphaltbelag versehen worden», erklärte Märchi dem «baublatt» auf einem Baustellenrundgang. «Ursprünglich war die Gasse jedoch mit einem Kopfsteinpflaster belegt, und in diesen historischen Zustand wollten wir sie auch wieder zurückversetzen. Erst mussten wir aber genügend Geld für die Mehrkosten zusammentragen. Nebst sämtlichen neun Anstössern beteiligten sich an den Kosten die Gemeinde und der Kanton Schwyz sowie mehrere Stiftungen, die in ihren Statuten den Erhalt alter Verkehrswege festgeschrieben haben.»
Steine aus der ganzen Schweiz
[[Infobox]]Märchi sammelte aber nicht nur Geld, sondern auch Steine. Der neue Gassenbelag besteht nämlich aus Pflastermaterial, das bereits einmal anderswo irgendwo in der Schweiz auf Strassen und Plätzen lag. Hauptsächlich via Internet gelangte Märchi an Altstoffhändler, Gemeinden und andere Lieferanten. «Aus denkmalpflegerischen Gründen sind gebrauchte Pflastersteine für die Sanierung historischer Wege und Plätze erwünscht», sagt Bauführer André Brugger vom ausführenden Schwyzer Strassenbauunternehmen Aufdermaur Söhne AG. «Solche Steine sind nicht so regelmässig geformt wie neue, und ihre Oberfläche weist eine willkommene Alterspatina auf.» Bei den Pflastersteinen handelt es sich grösstenteils um Guber-Quarzsand- und Granitpflastersteine. Brugger: «Beide Materialien sind in der Zentralschweiz weit verbreitet. Die Guber-Steine werden in einem Steinbruch oberhalb von Alpnach im Kanton Obwalden gewonnen, und Granitpflastersteine wurden hier früher oft aus Findlingen hergestellt.»
Erfahrener Pflästerer
Das fachgerechte Verlegen unterschiedlich grosser und unregelmässig geformter Pflastersteine ist nicht ganz einfach. Paolo Varallo, der für die Firma Aufdermaur Söhne AG seit 1972 schon Hunderte von Plätzen und Wegen gepflästert hat, verfügt über die notwendige Erfahrung, um auch mit solchen gut zurechtzukommen. Bei einer Tagesleistung von durchschnittlich 25 Quadratmetern verlegte er auf der St. Karligasse zusammen mit einem Lehrling eine Gesamtfläche von rund 850 Quadratmetern innerhalb von knapp acht Arbeitswochen. Nebst der 1,7 bis 3,5 Meter breiten und 220 Meter langen Gasse wurden auch der Eingangsbereich und der Vorplatz einer Anstösserliegenschaft neu gepflästert.
Als Pflasterunterbau dienen teilweise die original historische Kopfsteinpflästerung und eine darüber liegende rund zehn Zentimeter dicke Kies- und Sandschicht. Die Fugen wurden mit Sand verfüllt und anschliessend mit einem Plattenvibrator maschinell verdichtet. Eine Besonderheit sind die ebenfalls mit Pflastersteinen verfüllten rechteckigen Kontrollschachtdeckel. «Obwohl die darunter liegenden Schächte rund sind, hat die Gemeinde Schwyz die rechteckige Form gewählt, weil diese besser zum Charakter einer historischen Pflästerung passt», erklärt Brugger. Der Querschnitt der Gasse ist leicht muldenförmig, sodass das Regenwasser in der Mitte ablaufen kann und damit optimal in die Schächte geleitet wird.
Am 14. August wird die neue Pflästerung mit einem kleinen Fest offiziell der Bevölkerung übergeben. Noch nicht saniert sind die seitlichen Gassenmauern, doch sollen auch diese baldmöglichst denkmalpflegerisch instand gesetzt werden.
BETEILIGTE
Bauherrschaft
Neun private Anstösser mit Unterstützung der Gemeinde und des Kantons Schwyz sowie verschiedener Stiftungen
Bauunternehmer
Aufdermaur Söhne AG, Schwyz
Kosten
Rund 190 000 Franken