14:46 BAUPRAXIS

Projekt «Westfeld» in Basel: Im Westen viel Neues

Geschrieben von: Ben Kron (bk)
Teaserbild-Quelle: Ben Kron

Wo früher Nebengebäude des Felix-Platter-Spitals standen, wuchs in den letzten Jahren ein neues Quartier im Westen Basels: 400 Wohnungen werden im Rahmen des Projekts «Westfeld» errichtet. Auch der frühere Spitalbau wurde in ein Wohngebäude umfunktioniert.

Westfeld Basel, Neubau, Genossenschaft wohnen&mehr, Blockrandbebauung

Quelle: Ben Kron

Neubau auf dem Areal des Felix-Platter-Spitals: Total entstehen 320 Genossenschaftswohnungen, in einer späteren Bauetappe folgen noch einmal 80.

Packende TV-Serien mit findigen Tatort­ermittlern sind beim Publikum beliebt. Doch weiss letzteres in der Regel kaum, dass es ein Basler Arzt des 16. Jahrhunderts war, der als Begründer der Gerichtsmedizin gilt und damit den Grundstein für jeden CSI-Plot legte: Felix Platter.

In seiner Heimatstadt immerhin ist Felix Platter ein Begriff: Nach ihm wurde das um 1890 gegründete zweite Spital der Stadt benannt (nach dem Universitätsspital), das seit Anbeginn auf einem Grundstück nahe der französischen Grenze bei St. Louis untergebracht ist. Und jeder Einheimische kennt das markante Spital­gebäude von 1967, einen 105 Meter langen, 35 Meter breiten und zehn Stockwerke hohen, beeindruckenden Riegel, der heute denkmalgeschützt ist. Es gehört «aufgrund seiner gestalterischen, typologischen und städtebaulichen Qualitäten zu den hervorragenden Bauten der Nachkriegsmoderne», weiss ein Architekturführer.

Gebäude aus Inventar entlassen

Doch das Gebäude entsprach nicht mehr den Anforderungen an ein modernes Spital, sowohl baulich, als auch beim Betrieb und der Infrastruktur. Und die Kosten für eine Erneuerung drohten astronomisch hoch zu werden. Da auf dem Areal Freiraum vorhanden war, entschied man sich 2012 für einen Neubau nördlich des bestehenden Spitals. Und die Regierung entliess das Gebäude aus dem Schutzinventar, um es rückzubauen.

Dagegen erhob sich aber Widerstand: Die Mehrheit der Bevölkerung wünschte laut einer Umfrage den Erhalt des prägnanten Gebäudes, oft schlicht als das «Schiff» bezeichnet. Gegen den Abriss des Spitals wehrten sich auch der Heimatschutz, die freiwillige Denkmalpflege und eine Reihe von Architekten, sowie die Initianten der 2015 gegründeten Baugenossenschaft «wohnen&mehr». Verschiedene Studien hatten nachgewiesen, dass eine Umnutzung machbar war, samt der Verbesserung der Energieeffizienz und der nötigen Erdbebenertüchtigung. 

Westfeld Basel, Felic-Platter-Spital und Pavillons, Nordfassade

Quelle: Ben Kron

Die Nordseite des fertig sanierten Felix-Platter-Spitals, im Vordergrund einer der drei neuen Pavillons, rechts eine Ecke des Spitalneubaus.

Kompromiss mit Denkmalschutz

Schliesslich fand sich ein Kompromiss: Unter Denkmalschutz gestellt wurden die Fassade und gewisse Elemente des Spitals, so dass der Weg frei wurde, um das Ganze in ein Wohn- und Quartierhaus umzubauen. Die Baugenossenschaft erhielt das Gebäude und Grundstück im Baurechtsvertrag überschrieben und entwickelte das Projekt «Westfeld» zur Umnutzung und Neugestaltung.

«Der Kanton hat noch vorhandene Pavillons und ein Personalhaus rückgebaut. 2020 konnten wir dann mit dem Umbau und dem Neubauprojekt beginnen», erzählt Claudia Bauersachs, die Co-Geschäftsleiterin und Gesamtprojektleiterin der Genossenschaft. Kern des Projekts ist die Umnutzung des Spitalbaus zu einem Wohnhaus, das ein «Miteinanderhaus»-Konzept mit verschiedenen Wohnformen vorsieht, nicht unähnlich der Kalkbreite-Genossenschaft in Zürich – ebenfalls von Müller Sigrist ersonnen. Das Schiff enthält nach der ­abgeschlossenen Umnutzung 135 Wohneinheiten unterschiedlichster Grössen.

Vom Studio und Gästezimmer über übliche 1- bis 6-Zimmer-Wohnungen bis hin zu ­einer 12-Zimmer-Cluster-Wohnungen findet sich alles, wobei die Wohnungen in den oberen Geschossen mit der fantastischen Aussicht dazu beitragen, die Wohnungen in den unteren Geschossen auch für ­finanzschwächere Genossenschafter finanzierbar zu machen. Zusätzlich gibt es einige für die Öffentlichkeit zugängliche oder halböffentliche Bereiche, Gemeinschaftsräume mit Teeküchen und ähnliches.

Westfeld Basel, Felix-Platter-Spital, Fassade Südseite

Quelle: Kathrin Schulthess

Die Südfassade des 1967 erstellen Felix-Platter-Spitals: Das markante Gebäude gehört zu den Wahrzeichen des Quartiers.

Vertikale Stahlbetonplatte

«Eine der Hauptmassnahmen war die ­Erdbebenertüchtigung. Hierfür erhielt das Gebäude eine vertikale Stahlbetonplatte über die ganze Höhe und bestehende ­Bewegungsfugen wurden kraftschlüssig verbunden.» Die drei Erschliessungskerne sorgen für die horizontale Aussteifung. Zwei dieser Treppenhäuser wurden zudem etwas geschoben, um bessere Wohnungsgrundrisse zu ermöglichen. «Dazu gibt es eine Kaskadentreppe, die quer durch das ganze Haus führt und eine zusätzliche, optionale Erschliessung für das Miteinanderhaus darstellt.»

Die denkmalgeschützte Fassade blieb mehrheitlich unverändert, wobei man die Fenster der feinen Rasterstruktur innen neu aufgesetzt hat. Auf der Sonnenseite wurde eine zusätzliche, innere Fassade erstellt, die den bauphysikalischen Anforderungen entspricht. «So erhalten die Wohnungen zwischen der alten und der neuen Fassade je ein Vier-Jahreszeiten-Zimmer.»

Westfeld Basel, Sanierung Felix-Platter-Spital, Innenansicht, Betontragstruktur

Quelle: Kathrin Schulthess

Die Innenwände des Spitalsbaus wurden weitgehend erhalten - aber alles andere hat man gründlichstens entfernt.

Struktur weitgehend erhalten

Im Inneren wurde möglichst viel der Struktur erhalten, auch die Wände der Spitalzimmer blieben mehrheitlich stehen. «Statisch war das Gebäude von Anfang an knapp ausgelegt», erklärt Bauersachs. «So mussten Unterzüge teilweise mit Lamellen verstärkt werden und möglichst wenig ­zusätzliches Gewicht in die Geschosse eingebracht werden.» 

Das Projekt «Westfeld» geht aber weit über die Umnutzung des Spitalriegels hinaus: Die Genossenschaft formt auf dem ehemaligen Spitalgelände fast schon ein ganzes Quartier: «Wir erstellen in dieser ersten Bau-Phase einen sieben Geschosse hohen Neubau als Blockrand plus drei Pavillons für gewerbliche und soziale Nutzungen.» Dazu kommt eine Einstellhalle, die auch an den Bestandsbau andockt. In einer zweiten Etappe wird ab 2024 ein weiteres ­Gebäude mit 70 Wohnungen erstellt. «Hier sind wir im Moment am Ausarbeiten des Projekts.» 

Die Gestaltung des Areals und der Gebäude, die von mehreren Architekturteams stammen, sorgen dabei für eine Vielfalt an unterschiedlichen Wohnungen und Typologien, «Durch die Blockrandbebauung, die ja für Basel typisch ist, erhalten wir einen grossen Wohnhof, der von aussen zugänglich ist, aber trotzdem eine gewisse Privatsphäre bieten wird.» Der Wohnhof wird entsprechend begrünt werden. Zudem wird das Areal autofrei, bis auf die notwendigen Anlieferungen. Der Veloverkehr kann das «Westfeld» passieren.

Westfeld Basel, Felix-Platter-Spital, Innenansicht, Sanierung, Beton

Quelle: Ben Kron

Das Spitalinnere nach der Sanierung: Deutlich zu sehen ist die neu eingefügte, vertikale Stahlbetonscheibe, die das Gebäude erdbebensicher macht.

Projektende 2026

Gegenwärtig ist ein erster Teil des Wohnblocks fertig und bereits von den Mietern bezogen, während in den anderen noch der Innenausbau fertiggestellt wird. «Aktuell geht gerade ein zweiter Gebäudeteil in ­Betrieb, der von einer Genossenschaft als Generalmieterin übernommen wurde. Danach folgen noch Treppenhaus für Treppenhaus die weiteren Gebäudeteile. Bis Mitte September ist der Innenausbau abgeschlossen.» Total werden in dieser ersten Etappe 320 neue Wohnungen erstellt. In ­einer zweiten Etappe baut man bis 2026 noch einmal 80 Wohnungen.

Die Corona-Pandemie hat das Bauvorhaben anfangs kaum tangiert. «Da hatten wir noch eine gute Vergabe unserer Aufträge. Danach bekamen wir dieselben Schwierigkeiten wie andere Projekte, für gewisse Gewerke Unternehmer zu finden.» Trotzdem konnte der Zeitplan eingehalten werden, und auch die Kosten hat man trotz der Preiserhöhungen bei den Materialien in Griff. «Wir haben genug Reserven eingeplant, so dass wir die ursprünglich kalkulierten Mieten am Ende nicht mehr erhöhen mussten.»

Westfeld Basel, Felix-Platter-Spital, Sanierung, Liftschacht

Quelle: Kathrin Schulthess

Blick in den Liftschacht: Auch dieser Teil wurde zur Erdbebenertüchtigung des Gebäudes verstärkt.

Nachhaltig und altersgerecht

Für die Überbauung «Westfeld» strebt die Bauherrin keine Zertifizierung an, da eine solche mit Kosten und Aufwand verbunden ist, für die Vermarktung der Genossenschaftswohnungen aber nicht zwingend notwendig. «Trotzdem wird der Energie­effizienzpfad SIA 2040 eingehalten und das Thema Nachhaltigkeit ist für uns sehr wichtig», so Claudia Bauersachs. Hierfür sei schon der Erhalt des Spitalbaus eine zentrale Massnahme gewesen. Dazu sind alle Neubauten behindertengerecht nach der SIA-Norm 500 «Hindernisfreie Bauten», und man legte bei einigen Wohnungen ein besonderes Augenmerk auf eine zusätzlich altersgerechte Ausführung.

Für die Energieversorgung wurde ein Vertrag mit den Industriellen Werken Basel als Contractor unterzeichnet. Die IWB versorgt das Areal einerseits mit Fernwärme, die ­ergänzt werden von einer Wärmepumpen­anlage, die sich aus zwei Grundwasserbrunnen speist. Hierfür konnte ein bestehender Brunnen verwendet werden, der lediglich etwas versandet war.

Westfeld Basel, Neubau, Genossenschaft wohnen&mehr, Blockrandbebauung, Tramhaltestelle

Quelle: Ben Kron

Der Gebäudeteil zur Burgfelderstrasse und Tramlinie hin wurde als erster fertiggestellt .

Spitalsanierung abgeschlossen

Als erstes Teilprojekt wurde die Sanierung des Spitalgebäudes abgeschlossen. Die neu geschaffenen Wohnungen sind inzwischen weitgehend vermietet. «Im Schiff sind im Moment noch zehn Wohnungen zu haben, und hier vor allem die etwas teureren ­Wohnungen in den obersten Geschossen.» Doch angesichts des rundum spektakulären Ausblicks, den das Gebäude bietet, werden auch diese Objekte noch ihre ­Mieter finden.

Im Schiff sind die Gewerbeflächen komplett ausgemietet, bei den Neubauten sind noch einzelne Gewerbeflächen zu haben. Claudia Bauersachs freut sich über den breiten Mix der Angebote: «Wir haben die Gastroangebote BioBistro, Umami und Cantilena, ein Fitnesscenter, Coiffeur, Blumenladen, Lebensmittelgeschäfte, Apotheke, eine Kita und einen Doppelkindergarten und viele weitere Angebote. Auch der Quartierverein hat sich eingemietet.» Einen der drei Pavillons hat die Pro Senectute übernommen, die hier nebst Kurs­räumen neu ihre Geschäftsstelle hat.

Verkehrsgünstige Lage

Die Vermietung der Genossenschaftswohnungen ist im vollen Gang und dürfte angesichts der auch in Basel zunehmend angespannten Wohnungslage kein Problem darstellen. Zumal das «Westfeld» verkehrstechnisch gut gelegen ist: Es ist mit einer Bus- und einer Tramlinie erreichbar. Und mit dem ÖV wie dem Auto ist man ebenso rasch am Bahnhof wie am Flughafen Basel-­Mulhouse.

Westfeld Basel, Neubau, Genossenschaft wohnen&mehr, Blockrandbebauung, Baustelle

Quelle: Ben Kron

Innenausbau: Die fünf Gebäudeteile werden gestaffelt fertiggestellt, danach folgt noch bis 2026 eine weitere Bauetappe.

Geschrieben von

Freier Mitarbeiter für das Baublatt.


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