13:45 BAUPRAXIS

Präzisionsarbeit in der Lammschlucht: Sprengung der alten Chlusbodenbrücke

Geschrieben von: Pascale Boschung (pb)
Teaserbild-Quelle: Gasser Felstechnik AG

Mitte Februar wurde in der Lammschlucht bei Schüpfheim LU die alte Chlusbodenbrücke gesprengt. Dabei war Präzisionsarbeit gefragt, da direkt daneben bereits die neue Brücke lag. Gasser Felstechnik griff bei der Sprengplanung auf einen Baubericht von 1920 zurück.

Die Sprengung der alten Chlusbodenbrücke im Video. (Quelle: Kanton Luzern / Gasser Felstechnik AG)

Der Kanton Luzern baut derzeit im Bereich der Lammschlucht zwischen Schüpfheim und Flüeli die Kantonsstrasse K36 aus. Die durch topografisch und geologisch schwieriges Gelände führende Strasse wird erneuert und besser vor Stein- und Blockschlägen sowie Sturmschäden geschützt. Ebenfalls Teil des Projekts ist der Ersatz mehrerer Kunstbauten, da diese sanierungsbedürftig sind und heutigen Sicherheits- und Verkehrsanforderungen teilweise nicht mehr genügen.

Zu diesen zählte auch die 1915 erstellte Chlusbodenbrücke über der Waldemme. Die einbogige Betonkonstruktion mit Sandsteinmauerwerk entstand im Zuge des Baus der neuen Kantonsstrasse ins Mariental, die damals den schmalen Fahrweg über den Klusstalden ablöste. «Die Bausubstanz der Brücke war in einem schlechten Zustand», erklärt Marco Rohrer, Leiter Sprengbetriebe bei der Gasser Felstechnik AG, auf Anfrage. Ein Erhalt der historischen Steinbogenbrücke hätte hohe Unterhaltskosten mit sich gebracht. Deshalb entschied sich der Kanton Luzern für den Rückbau der Querung.

Rückbau mit Sprengtechnik

Mit den Arbeiten im Abschnitt 1 der Kantonsstrasse von Chlusbode bis Under Lammberg beauftragt wurde die Arbeitsgemeinschaft Chluse, bestehend aus der PK Bau AG, Gebr. Brun AG, Hans Renggli Bau AG, Sustra Tiefbau + Strassen AG und der Gasser Felstechnik AG. Vor dem eigentlichen Rückbau der alten Steinbogenbrücke wurde in unmittelbarer Nähe eine neue Brücke gebaut, die die alte Verbindung und den ebenfalls in schlechtem Zustand befindlichen Chlusstaldentunnel ablöste. Der Neubau wurde im Dezember 2024 eröffnet. Anschliessend wurde der Rückbau der über 110-jährigen Querung vorbereitet.

Dass erst der Neubau erstellt und danach der Rückbau angegangen wurde, hat einen einfachen Grund: Die Kantonsstrasse erschliesst die Gemeinde Flühli und das Skigebiet Sörenberg. «Vollsperrungen mussten deshalb so kurz wie möglich gehalten werden», führt Rohrer aus. Daneben wurde das Bauwerk auch für die Baustellenversorgung in der Lammschlucht genutzt. «Der Rückbauzeitpunkt nach Eröffnung der neuen Brücke machte deshalb Sinn.» Als effiziente und sichere Rückbaumethode der exponiert gelegenen Brücke hat sich laut Rohrer dann Sprengtechnik angeboten: «Dadurch musste die neue Strassenverbindung lediglich für die Sprengung kurzzeitig gesperrt werden.»

Längsschnitte alte Chlusbodenbrücke

Quelle: A.-G. Buss Cie_Schweizerische Bauzeitung_1920

Als Hauptgrundlage für die Sprengplanung diente ein historischer Baubericht der Schweizerischen Bauzeitung aus dem Jahr 1920. Dieser enthielt den Längsschnitt und die Kubaturen der Brücke.

Alter Baubericht als Grundlage

Zwar stellte eine Sprengung die beste Lösung dar, brachte aber durch die Nähe zur neuen Brücke auch Herausforderungen mit sich. Das Manöver musste umfassend vorbereitet und geplant werden. Die Basis für die Sprengplanung lieferte hauptsächlich ein historischer Baubericht der Schweizerischen Bauzeitung aus dem Jahr 1920. «Darin waren die originalen Baupläne der Brücke zu finden, damals entworfen von der A.-G. Buss & Cie.», erzählt Rohrer. Der Bericht enthielt so etwa den Längsschnitt und die Kubaturen der Steinbogenbrücke. «Dieser archivierte Plan war unsere wichtigste Planungsgrundlage.»

Dass historische Bauberichte für eine Sprengplanung genutzt werden, kann gemäss Rohrer durchaus vorkommen: «Bei sehr alten Bauwerken sind Plangrundlagen öfters verschollen oder unvollständig.» Bei der alten Chlusbodenbrücke war dies der Fall. Die Mehrheit der Sprengprojekte der unter anderem auf Sprengungen spezialisierten Gasser Felstechnik AG beträfen jedoch den Abbau von Felsen. «Da gilt es immer, über präzise Drohnenvermessungen des Geländes selbst Planungsgrundlagen zu schaffen.»

Neben den Plänen aus der Bauzeitung wurden für die Sprengung auch Sondierbohrungen vorgenommen, um die Beschaffenheit der Steinbogenbrücke zu analysieren. Weiter konnte das Team auf Erfahrungen aus der letzten Bausaison rund um die alte Brücke zurückgreifen. Die Erkenntnisse bestimmten das Bohrschema und die Ladeberechnung, die in einem Sprengkonzept eingereicht wurden. «Die grosse Herausforderung in der Lammschlucht war die unmittelbare Nähe zur neuen Brücke», erklärt Rohrer.

Dabei galt es, die Sprengladung so zu bemessen, dass das alte Bauwerk komplett einstürzt, dabei aber kein Material auf die neue Brücke geschleudert wird. «Entscheidend für eine präzise Brückensprengung ist ein detaillierter Sprengplanungsprozess mit einer exakten Ladeberechnung, sodass nicht zu viel aber auch nicht zu wenig Energie freigesetzt wird», erklärt der Sprengexperte. Auch die genaue Ausführung der Bohrlöcher sei ein wichtiger Faktor. 

Bohrarbeiten Sprenglöcher alte Chlusbodenbrücke

Quelle: Gasser Felstechnik AG

Die neue Chlusbodenbrücke wurde unmittelbar neben der alten erstellt und im vergangenen Dezember eröffnet.

Abdeckung mit Sprengmatten

Für die Chlusbodenbrücke wurden insgesamt 81 Bohrlöcher angelegt. Die entsprechenden Arbeiten waren logistisch anspruchsvoll und mussten teilweise 28 Meter über dem Wasserspiegel der Waldemme bei den Widerlagern unten an der Brücke erstellt werden. «Hierfür haben wir unseren Bohr-LKW mit Personenkorb eingesetzt». Die Sprenglöcher wurden dabei von Hand mit einer Säulenbohrmaschine ausgeführt. Diejenigen in der Brückenmitte erstellte man konventionell von oben mit einer Handbohrmaschine.

Neben den Bohrlöchern wurden auch die Fahrbahnplatten mechanisch abgebrochen. Dabei kam ein bislang noch unbekannter, längs gerichteter, armierter Betonriegel im Brückenkörper zum Vorschein, der bei der Sprengung ebenfalls durchtrennt werden musste. Die Rückbauarbeiten wurden mittels geodätischer Vermessung permanent überwacht, um Bewegungen der Brücke erkennen zu können. Weiter sind zwei Erschütterungsmessgeräte an den Widerlagern der neuen Brücke montiert worden.

Als zusätzliche Massnahme gegen Schleuderwurf setzte das Team schwere Sprengmatten ein. Diese legte man über die Detonationsstellen, um während der Sprengung zu verhindern, das Material gegen die neue Brücke daneben prallt. Wegen des Gewichts und der Lage der Sprengmatten konnten allerdings nicht alle mit dem Kran des LKWs montiert werden – einige wurden per Helikopter auf die Brücke eingeflogen. 

24 Kilogramm Sprengstoff

Als Sprengtermin hatte man den 18. Februar 2025 bestimmt. Zufällig gewählt war das Datum nicht: In dieser Jahreszeit wird mit weniger Niederschlag und kaum Schmelzwasser gerechnet. Im Falle der alten Chlusbodenbrücke war das wichtig, da direkt unter ihr die Waldemme verläuft. «Unter der Brücke wurde vorgängig ein Auffangraum errichtet, der den Flussraum vom Sprenggut trennt», erklärt Rohrer. Bei stärkerem Niederschlag hätte dieser Auffangraum geflutet und das Material vom Wasser weggetragen werden können. Deshalb wurde eine stabile Wetterlage von mindestens fünf Tagen vorausgesetzt.

Nach rund einwöchigen Vorbereitungsarbeiten war es schliesslich so weit: der Sprengtermin stand an. Zunächst wurden vom Personenkorb des LKWs aus die Sprengladungen in den beiden Widerlagern angebracht. Ein grosses Augenmerk lag auf der Verdämmung der steigenden Bohrlöcher, damit die Sprengladungen nicht verrutschten. Oben auf der Brücke konnten die Sprenglöcher konventionell geladen werden. Insgesamt setzten die Sprengtechniker 24 Kilogramm Sprengstoff in die gebohrten Löcher ein. Für maximale Zuverlässigkeit wurde die Sprenganlage zusätzlich mit elektronischen Zündern versehen.

Drei Hornsignale markierten dann am 18. Februar um 15.45 Uhr die Zündung. Zuerst liessen die Sprengtechniker die Brückenmitte detonieren, dann leicht zeitversetzt, die beiden Seiten mit den Brückenwiderlagern. Schlussendlich gelang die Brückensprengung ideal. «Die Brücke wurde wie geplant gesprengt. Wir haben keinerlei Schäden an den umliegenden Infrastrukturen», freut sich Rohrer. «Für solch ein Resultat braucht es neben einer akribischen Sprengvorbereitung vor allem ein eingespieltes und topmotiviertes Team, in welchem alle zum Erfolg beitragen.» 

Projektbeteiligte

  • Bauherrschaft: Kanton Luzern, Verkehr und Infrastruktur (vif)
  • Ingenieure: WSP Suisse AG, Bänziger Partner AG
  • Geologen: Keller+Lorenz AG
  • Bauunternehmen: ARGE Chluse (PK Bau AG, Gebr. Brun AG, Hans Renggli Bau AG, Sustra Tiefbau + Strassen AG, Gasser Felstechnik AG)
  • Sprengausführung: Gasser Felstechnik AG

Geschrieben von

Redaktorin Baublatt

Zeichnet, schreibt und kreiert gerne. Themenbereiche: Bauprojekte sowohl international als auch regional, News aus Wissenschaft, Forschung, Technik, Architektur und Design.

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