16:06 BAUPRAXIS

Opernhaus in Sydney: Neue Erkenntnisse zum Dachbau entdeckt

Geschrieben von: Pascale Boschung (pb)
Teaserbild-Quelle: Max Dupain and Associates

Das Opernhaus in Sydney gehört zu den berühmtesten Bauwerken der Welt. Ein Professor der ETH Lausanne fand dank Werkzeichnungen nun heraus, dass der Generalunternehmer beim schwierigen Bau der Gebäudehülle eine entscheidende Rolle gespielt hat.

Opernhaus Sydney Bauphase 1963-1976

Quelle: David Moore photography

Die zweite Bauphase des Opernhauses von Sydney (1963-1976).

Der weltberühmte, skulpturale, geschwungene Bau am Hafen der australischen Metropole begeistert noch immer ein Weltpublikum. Am 20. Oktober 2023 feiert das Opernhaus Sydney nun seinen 50-jährigen Geburtstag. In diesem Zusammenhang sind für die Architektur-Ikone nach Plänen des dänischen Pritzker-Preisträgers Jørn Utzon eine ganze Reihe an Veranstaltungen geplant.

Ein spezielles Programm mit 200 unterschiedlichen Angeboten soll etwa noch bis zum Oktober die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Unesco-Welterbes feiern. Das Gebäude, dem die Bewohner von Sydney einst Titel wie «dänisches Törtchen» oder «sich paarende Schildkröten» verliehen haben, blickt auf eine bewegte Baugeschichte zurück.

14-jährige turbulente Bauzeit

1957 konnte Jørn Utzon die Jury des Architekturwettbewerbs für das Opernhaus für sich gewinnen. Später nahm der Ingenieur Ove Arup die Berechnungen für das Bauwerk in Angriff. Laut seinem Gründer war das Projekt für das Büro Arup «eine Entdeckungsreise ins Unbekannte».

Die Dachkonstruktion war etwa so anspruchsvoll, dass allein die Behebung der damit verbundenen, technischen Probleme vier Jahre dauerte. Das wiederum verzögerte die Bauarbeiten und trieb die Kosten heftig in die Höhe. Ursprünglich auf sieben Millionen Australische Dollar veranschlagt, waren diese nach Fertigstellung auf 121 Millionen angestiegen.

Utzon und die Behörden hatten sich im Zuge all dessen derart zerstritten, dass der dänische Architekt 1966 schliesslich das Handtuch warf. Nach 14-jähriger Bauzeit wurde die Oper dann durch australische Kollegen fertiggestellt und 1973 in Anwesenheit von Königin Elisabeth II eröffnet. Ursprünglich hätte das Opernhaus bereits 1963 die Pforten öffnen sollen.

Opernhaus Sydney während Bau bei Bennelong Point

Quelle: Sydney Opera House Trust

In dieser historischen Aufnahme einer frühen Bauphase war vom imposanten Dachaufbau noch nichts zu sehen.

Opernhaus Sydney Bauphase 1963-1976

Quelle: Max Dupain and associates

Laut dem EPFL-Professor zeigten die Werkstattzeichnungen, dass der Generalunternehmer Hornibrook entscheidend dazu beitragen hatte, Informationen zu liefern, wie die Teile des Gebäudes zusammengesetzt werden sollten.

Neue Entdeckung in Archiven

Ein Professor der ETH Lausanne (EPFL) will nun in bisher unerforschten Archiven eine Entdeckung zum charakteristischen Dach des Baus gemacht haben, wie die Hochschule kürzlich mitteilte. Paolo Tombesi, ordentlicher Professor an der EPFL School of Architecture, Civil and Environmental Engineering (ENAC), ist gemäss Mitteilung Experte für grosse Bauwerke und beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit dem Opernhaus Sydney.

In einem Artikel, den Tombesi kürzlich in der Fachzeitschrift «Frontiers of Architectural Research» veröffentlicht hat, enthülle er eine bislang wenig bekannte Tatsache über die Entstehung des Gebäudes. Der Generalunternehmer – die australische Firma namens Hornibrook – soll eine entscheidende Rolle bei der Konzeption der Gebäudehülle zwischen 1963 und 1967 gespielt haben.

Bisher sei der Beitrag von Hornibrook in der Literatur weitgehend undokumentiert geblieben. «Unsere Entdeckung ist wichtig, weil sie es uns ermöglicht, die Geschichte des Opernhauses mit Hilfe eines rigorosen Ansatzes auf der Grundlage von Werkstattzeichnungen, die lange Zeit in den Archiven vergessen waren, zusammenzusetzen», erklärt Tombesi in der Mitteilung.

Opernhaus Sydney 3D-Modell Werkzeichnungen

Quelle: P. Tombesi

3D-Modell auf der Grundlage von Original-Werkszeichnungen.

Schwierig zu bauen

Der ursprüngliche Entwurf des Opernhauses wäre äusserst schwierig zu bauen gewesen. Denn alle Schlüsselelemente waren unter den charakteristischen, über dem Wasser thronenden Schalen versteckt. Tombesi: «Die Ingenieure mussten den Inhalt des Gebäudes an das architektonische Konzept anpassen».

Das sei ein radikaler Ansatz gewesen und habe den konventionellen Bauprozess auf den Kopf gestellt. «Es war vergleichbar mit den Herausforderungen, denen sich die frühen Baumeister beim Bau gotischer Kathedralen stellten.» Das Opernhaus besteht aus drei Hauptstrukturen: einem Fundament, den Schalen, die das Dach bilden, und den Aufführungssälen im Inneren.

Tombesi hat etwa 20 Monografien zum Opernhaus durchforstet, die derzeit existieren. Er habe aber keine Werkstattzeichnungen gefunden, sondern nur Architekturskizzen. Wolle man die Details eines Gebäudes und die Art und Weise, wie seine Komponenten zusammengesetzt werden, verstehen, müsse man diese Zeichnungen sehen, so der Professor. «Das ist der einzige Weg, um den gesamten Prozess wirklich zu verstehen.»

Tombesi tat sich daher mit Paolo Stracchi von der Universität Sydney und Luciano Cardellicchio von der Universität in New South Wales zusammen, um die Werkstattzeichnungen für die Architektur-Ikone zu suchen. Schliesslich wurden sie in den National Archives of Australia fündig.

Die Zeichnungen lieferten Details über die hochkomplexe Struktur der Muschelbögen und gaben mit Hilfe von Simulationen im kleinen Massstab Aufschluss darüber, welche Entscheidungen von den Erbauern getroffen wurden und warum.

Opernhaus Sydney Teleskopbogen Bauphase

Quelle: Max Dupain and Associates

Teleskopbogen für die Konstruktion der Segel. Laut Tombesi würde dieser heute in einem Museum stehen, wenn er nicht zerstört worden wäre.

Opernhaus Sydney Bauphase 1963-1976

Quelle: Max Dupain and associates

Hornibrook war auf Brücken spezialisiert. Laut Tombesi wendete das Unternehmen viele der gleichen Methoden bei der Hülle des Opernhauses an.

Andere Geschichte des Opernhauses

«Wir sahen, dass Hornibrook entscheidend dazu beitrug, Informationen darüber zu liefern, wie die Teile des Gebäudes zusammengesetzt werden sollten», sagt Tombesi. Die Firma habe innovative, neue Werkzeuge entwickelt, wie etwa einen Teleskopbogen, der heute in einem Museum stehen würde, wenn er nicht zerstört worden wäre.

«Hornibrook war auf Brücken spezialisiert und wendete viele der gleichen Methoden auch bei der Hülle des Opernhauses an. Aber die entscheidende Rolle der Firma wurde in der Literatur nie erwähnt – nur die Ingenieure und Architekten, die an dem Projekt arbeiteten, wurden gewürdigt.»

Der EPFL-Professor hält es für wichtig, diese andere Geschichte des Opernhauses zu erzählen, heisst es weiter. Eine, die auf technischen Dokumenten und nicht auf urbanen Legenden beruhe. Tombesi arbeitete daneben auch mit Studenten der Universität von Sydney zusammen, um digitale Aufzeichnungen der gefundenen Informationen zu erstellen.

«Die Werkstattzeichnungen sind schwer zu lesen, aber wir waren in der Lage, jedes hergestellte Bauteil innerhalb der Schalen zu identifizieren Tombesi und seine Kollegen erstellten ein Video, das die Geometrie des Gebäudes und die verschiedenen Schritte des Bauprozesses veranschaulicht. «Dank der modernen Technologie haben wir die Mittel, um den Prozess zu beschreiben und die damals getroffenen Entscheidungen besser zu verstehen», sagt er. 

Zum Artikel in der Fachzeitschrift «Frontiers of Architectural Research»: www.sciencedirect.com

Tombesi und seine Kollegen haben ein Video erstellt, das die Geometrie des Gebäudes und die verschiedenen Schritte des Bauprozesses veranschaulicht. (Quelle: UNSW Community)

Bauphase Opernhaus in Sydney

Quelle: Sydney Opera House Trust

Historische Aufnahme der Bauphase für den Dachaufbau.

Bauphase Sydney Opernhaus 1960er Jahre

Quelle: Tony Ashby

Historische Aufnahme aus der Bauzeit in den 1960er Jahren.

Bauphase Sydney Opernhaus 1960er Jahre

Quelle: Tony Ashby

Historische Aufnahme aus der Bauzeit in den 1960er Jahren.

Bauphase Sydney Opernhaus 1960er Jahre

Quelle: Tony Ashby

Historische Aufnahme aus der Bauzeit in den 1960er Jahren.

Bauphase Sydney Opernhaus 1960er Jahre

Quelle: Tony Ashby

Historische Aufnahme aus der Bauzeit in den 1960er Jahren.

Bauphase Sydney Opernhaus 1960er Jahre

Quelle: Tony Ashby

Historische Aufnahme aus der Bauzeit in den 1960er Jahren.

Bauphase Sydney Opernhaus 1960er Jahre

Quelle: Tony Ashby

Historische Aufnahme aus der Bauzeit in den 1960er Jahren.

Bauphase Sydney Opernhaus 1960er Jahre

Quelle: Tony Ashby

Historische Aufnahme aus der Bauzeit in den 1960er Jahren.

Geschrieben von

Redaktorin Baublatt

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