Operation am offenen Herzen
Für 130 Millionen Franken erweitert die Migros das Einkaufscenter Länderpark in Stans während laufendem Shoppingbetrieb. Planer und Handwerker meistern diese ungewöhnliche Situation ohne Zwischenfälle. Auf dem Dach des Gebäudes wurde zudem die grösste Solaranlage der Zentralschweiz installiert.
Mit viel Raum, Licht und grossen Zirkulationsflächen wird die neue Mall modernen Anforderungen gerecht.
Im Einkaufszentrum summt es wie in einem Bienenkorb. Junge und ältere Kunden gehen ihren Besorgungen nach, bleiben zwischendurch stehen, um Auslagen zu betrachten oder einen Schwatz zu halten. Ungewöhnlich an dieser typischen Shoppingszene ist einzig die Kulisse und die Geruchslandschaft. Der Länderpark Stans befindet sich nämlich in einem kompletten Umbau, der zu einer Verdoppelung der Einkaufsfläche auf 20 000 Quadratmeter und einer Aufstockung der Parkplätze führt. Überall stehen Gerüste und Bretterwände, Handwerker sind am Schleifen, Hämmern, Schrauben, Plastikplanen bedecken neue Installationen. Es riecht nach Staub, Kunststoff und frischem Holz.
Die Bauarbeiten begannen im Oktober 2008 und sollen Ende September 2010 abgeschlossen sein. Der Endspurt ist eingeläutet, damit der Umbau im Minergie-Standard mit einem Volumen von 130 Millionen Franken rechtzeitig abgeschlossen werden kann und die Bauherrin, die Genossenschaft Migros Luzern, die Gesamteröffnung mit rund 50 Verkaufs- und Dienstleistungsunternehmen feiern darf.
Die Vergrösserung der Verkaufsflächen ermöglicht der Migros einen noch attraktiveren Mietermix. Weil der Grossverteiler und seine Partner eine Umsatzeinbusse mit einer Schliessung des Shoppingcenters nicht hinnehmen konnten, beschlossen die Verantwortlichen, den Ladenbetrieb während der Umbauphase aufrecht zu halten. Ganz zu schweigen davon, dass die im Shoppingcenter beschäftigten Ladenangestellten weiterhin vor Ort arbeiten konnten. Das lohnte sich: Laut Reto Pfiffner, Leiter Bau/Immobilien Migros Luzern, wurde 2009, mitten im Dickicht der Bauarbeiten, ein Umsatz von 87 Millionen Franken erzielt. Um die Kunden-, Waren- und Baustellenlogistik aneinander vorbeizuschleusen und dabei die Sicherheit für alle Beteiligten zu gewährleisten, war allerdings eine generalstabsmässige Planung nötig. Die heftigste Bauphase ist mittlerweile überstanden, neue Verkaufslokale werden eröffnet und immer mehr Parkfläche zur Benutzung freigegeben.
«Helme austeilen konnten wir nicht»
Die Bauunternehmung Anliker AG Bauunternehmung ist im Länderpark Stans für die Baumeisterarbeiten verantwortlich. Damit der Rohbau durchgeführt werden konnte, wurden zum Schutz der Kunden, deren Sicherheit erste Priorität genoss, diverse Installationen errichtet: Der Brandschutz, ausgeführt von der Firma Oeschger Brandschutz aus Zug, musste höchsten Ansprüchen genügen. Provisorische, aus Gerüsten und Plachen errichtete Tunnel führten durch einzelne Gebäudeabschnitte und gewährleisteten, dass sich Kunden nicht auf die Baustelle verirrten. Der Gerüstbauspezialist Lawil Gerüste AG aus Littau erstellte die Aussen- und die Schutzgerüste an und im Gebäude, damit allfällig herabstürzende Objekte aufgefangen werden konnten. Die aufwendigen Massnahmen waren nötig, damit der Konsumbetrieb von den Bauarbeiten so wenig wie möglich tangiert wurde, erklärt Pius Hofer, Bauführer bei der Anliker AG: «Helme austeilen konnten wir schliesslich nicht».
Umbau in drei Etappen
Zum Umbau und der Erweiterung des Länderparks gehörten der Abriss und der Wiederaufbau der Gebäudestruktur. Der Baumeister musste die dazugehörigen Arbeiten etappenweise in einem Trakt Nord, Süd, Ost und West in Angriff nehmen. Die Etappierung war nötig, weil die in den jeweiligen Gebäudeteilen angesiedelten Läden zuerst in ein eigens errichtetes Provisorium mit begrenztem Platzverhältnis zügeln mussten. An der bestehenden Gebäudestruktur mussten zudem Stützen ausgetauscht und wieder einbetoniert werden. Nachdem die Geschäfte umgesiedelt waren, begannen die Handwerker mit dem Rückbau. Als der Wiederaufbau gemäss den Kriterien für ein modernes Einkaufscenter vollendet war, zogen die Läden aus dem Provisorium aus und in die neuen Lokale ein.
Den spektakulären Kern des Gebäudes bildet eine neue Mall, die als grosszügiger Hof ausgestaltet ist und mit einem Metalldach über einer lichtdurchfluteten Fensterfront abgeschlossen wird. Die geschwungenen Linien der Ausschnitte im Zwischengeschoss sind neckisch fürs Auge, weil sie ungewohnte Durchblicke in die tiefergelegene Ebene bieten. Bautechnisch bedeuten sie aber Massarbeit. Die Malltreppe aus Ortsbeton stellte eine Knacknuss dar. Die ungewöhnlichen Radien des Objekts bedingten eine komplizierte Schalung. Die einzelnen Elemente wurden darum in einer Zimmerei vorbereitet.
Das attraktive Kleid des Einkaufscenters formen anthrazit eingefärbte Fassadenelemente, geliefert von der Firma Cavag Element und Behälterbau AG aus dem Luzernischen Schachen. Vorfabrizierte Betonelemente wurden unter anderem bei den Parkgaragen in den obersten zwei Geschossen eingesetzt. Es wurden 500 Elemente gesetzt. Jedes misst 17 mal 2,2 Meter. Die Deckenstruktur mit vorgespannten Trägern muss somit grossen Spannweiten Stand halten. Dies, und eine relativ kurze Realisierungszeit, bildeten die grössten Herausforderungen unter dem Dach, das die Tragkonstruktion für eine riesige Solaranlage bietet.
Das Center im Wandel der Zeit
Die Anforderungen an ein Shoppingcenter haben sich mit den Bedürfnissen der Konsumenten in den letzten 25 Jahren stark gewandelt. Gefragt sind viel Raum, Licht und grosse Zirkulationsflächen. Die Infrastruktur und Gestaltung von Verkaufsgeschäften muss kontinuierlich angepasst und erneuert werden. Das komplett neue Erscheinungsbild des Länderparks, gestaltet vom Architekturbüro TGS Architekten AG in Zusammenarbeit mit Burch & Partner Architekten, Sarnen, trägt diesem Wandel Rechnung. Die Architekten fassen die Gestaltung folgendermassen zusammen: «Der Hauptzugang wird neu zum Dorf ausgerichtet. Ein grosser Platz schafft den Bezug zum Zentrum von Stans. Eine fein abgestufte Volumetrie gliedert den Bau in seiner Höhenentwicklung. Die horizontal verlaufende Fassade mit grossen, verschieden farbigen Glasflächen wirkt offen und einladend. Die tageslichtdurchflutete Mall im Innern schafft ein völlig neues Einkaufserlebnis. Trotz der Grösse des Gesamtgebäudes wird bei der Volumetrie und Fassadengestaltung eine Massstäblichkeit vorgeschlagen, die den angrenzenden Überbauungsstrukturen entspricht, was eine stärkere Integration ins Dorfbild zur Folge hat. Wenige, aber klar formulierte Gestaltungselemente unterstützen diese Absicht.»
Direkter Zubringer
Der Länderpark ist dort angesiedelt, wo die meisten modernen Einkaufszentren stehen: in unmittelbarer Nähe einer Verkehrsachse. Zulieferer und Kunden nehmen von der Autobahn A2 die Ausfahrt Stans Nord und gelangen nach wenigen Metern zum Ziel. So entsteht kein Durchgangsverkehr von Shoppingtouristen durch die Dörfer Stansstad und Stans. Ein wichtiger Bestandteil des Bauprojekts stellt die westliche Erschliessungsstrasse ab dem Kreisel A2 dar sowie die Kreisel Bitzi und Länderpark, neue Fussgänger- und Radwege, Veloab–stellplätze und die Bushaltestelle direkt beim Eingangsplatz, für die der Busfahrplan um sechs Fahrten pro Tag aufgestockt wird.
Der knifflige Teil der Logistik bestand nicht in der Zufahrt zum, sondern in der Distribution im Gebäude. Das Baumaterial musste mit Hubstaplern und Hebegeräten durch die Korridore und Räume gebracht werden. «Der Länderpark war im Vergleich mit anderen Shoppingcentern, die wir gebaut haben, sicher kein einfaches Projekt», zieht Anliker-Bauführer Pius Hofer sein Fazit. Das Unternehmen konnte das Zeitprogramm einhalten, was wegen des strengen Winters 2009/2010, bei dem vor dem Armieren und Betonieren immer wieder Schnee weggeräumt werden musste, keine Selbstverständlichkeit ist.
Strom für 150 Haushalte
Auf dem Dach des Länderparks wurde für drei Millionen Franken die grösste Solaranlage der Zentralschweiz errichtet. Sie dient ausschliesslich der Stromgewinnung. 3150 Solarpanels mit einer Gesamtfläche von 4200 Quadratmeter sollen 500 000 Kilowattstunden Strom pro Jahr liefern, was einem Stromverbrauch von rund 150 Haushalten mit vier Personen entspricht. Zum Vergleich: Die grösste Solaranlage der Schweiz steht auf dem Stade de Suisse in Bern, ist 12 000 Quadratmeter gross und produziert jährlich 1,2 Millionen Kilowattstunden.
In Stans wird ein grosser Teil des Flachdachs für eine ökologisch wertvolle Energieerzeugung genutzt. Verantwortlich für den Bau der Solaranlage waren die Genossenschaft Migros Luzern und das Elektrizitätswerk Nidwalden (EWN). Mit der Inbetriebnahme hat das EWN die Anlage von der Migros übernommen und ist nun für den Betrieb und den Unterhalt zuständig. Um den hohen Ansprüchen an die architektonische Gestaltung gerecht zu werden, musste die Integration der Solarmodule dezent erfolgen. Sie dürfen nicht spiegeln, sollten nicht direkt dem Wind ausgesetzt sein, müssen aber trotzdem einen effizienten Neigungswinkel aufweisen. Um möglichst viel Sonnenlicht aufnehmen zu können, stehen die Panels zur Mittagszeit rechtwinklig zur Sonnenachse. In Stans beträgt die nach Einbezug aller erwähnten Faktoren als ideal berechnete Neigung für diese Uhrzeit zehn Prozent.
Der Bund unterstützte den Bau der Solaranlage: Dank der kostendeckenden Einspeisevergütung für Strom aus erneuerbaren Energien (KEV) kann sie 25 Jahre lang wirtschaftlich betrieben werden. Die Vergütung beträgt 52 Rappen pro Kilowattstunde. Der Bau amortisiert sich innerhalb weniger Jahre, zumindest wenn man die Energiebilanz berücksichtigt. Die aufgewendete Energie zur Herstellung eines Solarkraftwerks wird während eines Bruchteils der Betriebsdauer durch die erzeugte Energie kompensiert. Dies wird in zwei bis drei Jahren der Fall sein. Thomas Kümin