10:22 BAUPRAXIS

Olodunum: Modell zeigt Olten zur Römerzeit

Geschrieben von: Ulrike Nitzschke (un)
Teaserbild-Quelle: Marcus Aebersold

Fundstellen, Daten und Fakten hat der Oltner Marcus Aebersold mit Holz und Ton, Stevalin und Farbe zu einem Modell seiner Stadt umgesetzt. Mit jeder neuen Entdeckung arbeitet er weiter daran und haucht der römischen Siedlung im Massstab 1:400 Stück für Stück Leben ein.

Modell Olodunum: Olten zu Römerzeiten

Quelle: Marcus Aebersold

Olten im ausgehenden 4.Jahrhundert: Marcus Aebersolds detailreiches Modell lässt die römische Siedlung Olodunum im Massstab 1:400 auferstehen.

Drei Bottiche stehen im kleinen Gewerbegebiet an der Dünnern, einem Nebenfluss der Aare. Hier waschen, bleichen und färben Fullonen mit Roh-Ammoniak. Der wird in Amphoren eingesammelt, dort, wo viele Menschen unterwegs sind und ihre Notdurft verrichten – in Urin-Amphoren. Fullonen sind Urin-Wäscher. Sie lebten und arbeiteten in einem Vicus, einer zivilen Siedlung mit kleinstädtischem Charakter in den nördlichen Provinzen des Römischen Reichs.

Aebersolds «Kino im Kopf»

Bereits als Kind hatte der Oltner Marcus Aebersold von römischen Funden in seiner Stadt gehört. Sie wurden zu Anhaltspunkten seiner Bubenträume: «Wie haben die Menschen hier dereinst gelebt?», fragt er sich seitdem und füttert sein «Kino im Kopf» mit neuen Entdeckungen, aktualisierten Daten, Fakten und Schlussfolgerungen der Archäologen. Deren zahlreiche Bodenfunde belegen eine Siedlung zur Römerzeit auf dem Plateau der Oltner Innenstadt.

Angenommen wird, dass sich erste Römer hier in den Jahren 15 bis 25 unserer Zeitrechnung niederliessen. Wer unterwegs war auf der Handelsroute von der Stadt Aventicum, dem heutigen Avenches im Kanton Waadt, zum Legionslager Vindonissa auf dem heutigen Gemeindegebiet von Windisch im Kanton Aargau sowie auf der Süd-Nord-Verbindung von den Alpen über den Jura zum Rhein musste den strategisch wichtigen Punkt an der Aare passieren und seinen Obolus leisten.

Ein Ortsname ist nicht überliefert. Sprachwissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Römer ihre Siedlung «Olodunum» nannten, wobei «-dunum» keltischen Ursprungs ist und «Zaun» oder «Burg mit Palisaden» bedeutet. Die Zugewanderten, meist ehemalige Militärs, lebten hier gemeinsam mit einheimischen Kelten.

Olodunum: Olten zur Römerzeit

Quelle: Marc Aebersold

Das Olodunum-Modell von oben betrachtet: Gut sichtbar sind das Castrum – oder auch Kastell genannt – an der Aarebrücke (oben Mitte) und die darunter liegende rechteckig begrenzte Tempelanlage.

Römerkarren im Ohr

Am liebsten hätte der 55-Jährige einen Jupitertempel und auch ein Amphitheater gebaut. Doch sein Modell soll authentisch sein, so nah wie möglich an der historischen Realität. «Mit grosser Wahrscheinlichkeit gab es auch in Olodunum ein Theater», sagt er. Nachgewiesen werden konnte es bislang nicht.

Herbergen, Tavernen und Bordelle reihen sich entlang der Ausfallstrasse mit Entwässerungsgräben. Die eingeschliffenen Fahrrillen lassen ein Rattern im Kopf entstehen. Man glaubt, Römerkarren zu hören, als seien diese soeben erst vorbeigerollt. Voller Geschichten steckt Aebersolds Olodunum aus Holz, Ton, Stevalin und Farbe.

Einzig der Traum, das Modell eines Tages dem Stadtmuseum übergeben zu können, hat sich bislang nicht erfüllt. Zu wünschen wäre es seinem Erbauer – und sicher zahlreichen Interessierten, die mehr über Olten zur Römerzeit erfahren möchten.

Marc Aebersold

Quelle: Ulrike Nitzschke

An die 500 Arbeitsstunden hat Dekorateur Marcus Aebersold in das Modell seiner Heimatstadt zu Römer Zeiten gesteckt.

Marc Aebersold

Quelle: Ulrike Nitzschke

An die 500 Arbeitsstunden hat Dekorateur Marcus Aebersold in das Modell seiner Heimatstadt zu Römer Zeiten gesteckt.

Marc Aebersold

Quelle: Ulrike Nitzschke

An die 500 Arbeitsstunden hat Dekorateur Marcus Aebersold in das Modell seiner Heimatstadt zu Römer Zeiten gesteckt.

Marc Aebersold

Quelle: Ulrike Nitzschke

An die 500 Arbeitsstunden hat Dekorateur Marcus Aebersold in das Modell seiner Heimatstadt zu Römer Zeiten gesteckt.

Fakten und Träume «materialisieren»

Wie es in Olodunum zugegangen sein könnte, das möchte Marcus Aebersold mit seinem Modell erlebbar machen, Wissen und Vorstellungen «materialisieren». Für 400 Jahre römische Siedlungsgeschichte im Massstab 1:400 recherchierte und werkelte der gelernte Dekorateur und Visual Merchandiser an die 500 Stunden: «Beginnend mit dem Vicus aus dem ersten Jahrhundert nach Christus im Bereich Aare und Baslerstrasse bis hin zum Castrum des ausgehenden 4.Jahrhunderts.»

Dieses Castrum – oder auch Kastell genannt – dürften die Römer in der Spätantike unter Kaiser Valentinian zum Schutz eines offensichtlich bereits bestehenden Aareübergangs errichtet haben. Dessen Umfassungsmauer diente im Hochmittelalter als Fundament der Stadtmauer. Teile davon sind bis heute erhalten.

Quader aus dem Kalksteinbruch

Die römische Mauer hatte es in sich – im wahrsten Sinne des Wortes. «Sie war bis zu neun Meter hoch, in ihren Fundamenten bis zu dreieinhalb Meter breit und wie eine Wanne aufgebaut. Schön geschlagene Steinquader zierten die Seiten», weiss der Modellbauer und blickt aus dem Fenster.

Dort, im nahen Kalksteinbruch Born seien die Quader gebrochen worden. «Stahl zur Bewehrung gab es noch nicht. Stattdessen wurde die Wanne zwischen den Quadern mit einem Gemisch aus Schottersteinen und Zement aufgefüllt.»

Für sein authentisches Modell erwarb Aebersold zunächst Kenntnisse über die Topografie Oltens zur Zeit der Antike. Diese unterscheide sich nicht unerheblich von der heutigen. «Anhand von Ausgrabungen und festen Verankerungen wie dem Brückenkopf lässt sich das einstige Terrain aber gut herausfiltern», erklärt Aebersold.

Dabei habe er die Wasseroberfläche der Aare als Null-Punkt angenommen und anhand genau platzierter massstabsgetreuer Distanzpfeiler zunächst den Boden aufgebaut. Hohlräume im Modellboden sparen Material und Gewicht.

Bald liessen sich erste Gebäude positionieren. «Jedes einzelne habe ich bis ins kleinste Detail nach Vorbildern handgefertigt, die Farbe der Dachziegel beispielsweise so lange gemischt, bis sie dem Original von einer Ausgrabung glich.»

Römische Baukunst

Mit Ziegeln seien die meisten Häuser gedeckt gewesen, mit Holzschindeln nur einige wenige. Viele Gebäude stehen auf gemauertem Fundament und werden durch Fachwerk aufgestockt. Aebersold zeigt auf ein Haus ausserhalb des Kastells. Das sogenannte Streifenhaus ist ein typischer Vicus-Bau – langgezogen und mit dem Giebel zur Strasse ausgerichtet. «Die Parzellen waren in der Regel sechs bis zehn Meter breit und bis zu dreissig Meter lang.» Wurde in der Frühzeit hauptsächlich mit Holz und Fachwerk gebaut, verwendeten die Römer später immer häufiger Steine.

Typisch auch die Aufteilung: zur Küche sowie den Wohn- und Lagerräumen geht es im Erdgeschoss, gearbeitet wurde in den Werkstätten oder Läden direkt an der Strasse, geschlafen im Obergeschoss. Im rückwärtigen Teil der Parzellen befinden sich die Hinterhöfe mit Nutzgärten zur Selbstversorgung, Latrinen und abdeckbaren Vorrats- und Abfallgruben.

Töpferei und Tempel

Fischerkähne liegen an der Aare. Um ihr einen glänzend-fliessenden Charakter zu geben, goss der Modellbauer eine dicke farblose Lackmischung in das Flussbett. 2016 hatten Archäologen in der Oltner Baslerstrasse 2000 Jahre alte Münzen entdeckt. Dort, wo der Verlauf der zentralen Verkehrsachse Olodunums vermutet wird. Wenige Wochen zuvor waren in der Römerstrasse Teile eines Töpferofens zum Vorschein gekommen.

Experten gehen davon aus, dass Töpfereien zumeist an der Peripherie einer römischen Siedlung lokalisiert waren. Jede Information ist ein Puzzlestein mehr für Aebersold und sein Modell. «Töpfereien waren ein Muss in jedem Vicus – für Backsteine und Dachziegel, aber auch für Gegenstände des täglichen Gebrauchs wie Teller, Töpfe, Lampen und kleine Statuen römischer Gottheiten für die Hausaltäre.» Natürlich gehört auch ein gallo-römischer Umgangstempel zur Siedlung, wie er nördlich der Alpen anzutreffen war.

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