Offene Rennbahn Oerlikon: Eine Radsport-Ikone wird saniert
Die offene Rennbahn Oerlikon in Zürich ist seit über 100 Jahren ein Mekka des Schweizer Bahnradsports, auf der schon mehrfach auch Weltmeisterschaften stattfanden. Um für zehn weitere Jahre renntauglich zu bleiben, erhält sie während zwei Winterpausen eine Sanierung.
Gegenüber dem Zürcher Hallenstadion steht eine sporthistorisch bedeutende Stätte: Die 1912 erbaute offene Rennbahn Oerlikon ist eine der ältesten Sportanlagen der Schweiz und zugleich weltweit eine der letzten ihrer Art. Sie war eines der ersten Velodrome, dessen Fahrbahn aus Stahlbeton errichtet wurde. Die Bahn ist 333,33 Meter lang sowie 9 Meter breit, und sie weist in den Steilwandkurven eine Neigung von schwindelerregenden 93 Prozent auf.
Planung und Bau der Anlage wurden vom Oerliker Gemeindeingenieur Johann Matthäus Scheifele damals übrigens ausführlich in der Schweizerischen Bauzeitung beschrieben. Als das Velo Ende des 19. Jahrhunderts seinen Siegeszug antrat, wurden auch bald die ersten Rennen mit dem neumodischen Vehikel ausgetragen. In Zürich gab es um 1900 bereits eine Naturbahn in der Hardau. Doch kurze Zeit später finanzierten Geschäftsleute den Bau der Betonbahn in Oerlikon, die sich damals noch ausserhalb der Stadt befand. Die Bahn wurde nach fünf Monaten Bauzeit eröffnet und sah in der Folge acht Bahn-Radweltmeisterschaften. Einer der erfolgreichsten Schweizer auf dem Betonoval war der legendäre Hugo Koblet, an den bei der Nordkurve ein Denkmal erinnert.
Inzwischen ist Zürich aber längst über den Stadtrand von Oerlikon hinausgewachsen, weshalb sich die Rennbahn nun auf einem wertvollen, attraktiv gelegenen Grundstück befindet. Die Anlage wurde gemäss dem Amt für Hochbauten über die Jahre entsprechend ihrem Schutzumfang in Stand gehalten: Als schützenswert gilt das Rennbahnoval mitsamt den Steilwandtribünen sowie der Motorradrampe. «Sämtliche übrigen An- und Einbauten sind jüngeren Datums und beeinträchtigen teilweise das Erscheinungsbild der schutzwürdigen Teile», so der Bericht des Planerwahlgremiums für die Sanierung. «Aus diesen Gründen wurde die Anlage 1990 aus dem städtischen Inventar entlassen, im November 2012 jedoch in die Objektliste von überkommunaler Bedeutung aufgenommen.»
Private sichern Fortbestand
Dass die Bahn heute noch in Betrieb ist, verdankt sie nicht zuletzt der privaten «Interessengemeinschaft Offene Rennbahn Oerlikon», die 2003 die Anlage aus ihrem Dornröschenschlaf weckte und seither dienstags die wöchentlichen Rennen durchführt. Die offene Rennbahn Oerlikon befindet sich im Eigentum von «Immobilien Stadt Zürich». Auf der Basis einer baulichen Zustandsanalyse hat der Zürcher Stadtrat am 20. Juni 2018 Ausgaben zur Instandhaltung der Anlage von rund 5,6 Millionen Franken bewilligt. Die Massnahmen sollen den Betrieb für die nächsten zehn Jahre sicherstellen. Danach ist aktuell keine andere Nutzung für den Standort vorgesehen, sodass ein Erhalt möglich ist. Immerhin handelt es sich um ein «Denkmal der Ingenieurbaukunst, der Sozial-, der Sport- und der Stadtgeschichte», wie das Magazin «TEC21» schreibt, das einen Erhalt wünscht. «Der Bau hätte ein grosses soziales und symbolisches Potenzial.»
Mit der Instandhaltung der denkmalgeschützten Anlage ist das Architekturbüro Weberbrunner beauftragt. Projektleiter Volker Schopp ist selber ein «Gümmeler», wie sich die Velofans bezeichnen, und hat auch schon einige Runden auf der alterwürdigen Betonbahn gedreht. «Unsere Aufgabe ist eine Teilinstandhaltung der Anlage», erläutert er, «wobei wir die Arbeiten in zwei Tranchen jeweils in der Winterzeit ausführen.» Denn von Mai bis September finden jeweils Radrennen statt.
Sanierung am Pistenrand
Die Betonpiste selbst ist trotz ihres Alters in sehr gutem Zustand und benötigt kaum Sanierungsmassnahmen. «Ein wichtiger Punkt ist die Instandsetzung des Pistenrandes.» Zum einen muss das teilweise korrodierte Geländer verstärkt und mit neuem Rostschutz versehen werden. «Dazu müssen wir den Pistenrand sanieren. Zwischen dem flachen Stahlblech und dem Betongürtel kam es zu einer Wasseransammlung, wodurch die angrenzenden Bauteile korrodierten.»
Die Stahl-Unterkonstruktion der Tribüne muss ebenfalls gegen Rost geschützt und teilweise ersetzt werden, wobei dieser Teil der Anlage nicht ganz so alt ist wie die Fahrbahn. Das kleine Gastronomiegebäude unterhalb der Tribüne ist für den reinen Sommerbetrieb ausgelegt, so dass hier keine energetischen Massnahmen nötig sind.Einige weitere Eingriffe erfolgen für den Zuschauer unbemerkt im Untergrund: So wird die Betonunterkonstruktion entlang der Gegentribüne saniert oder die Kanalisation mittels Inliner-Verfahren erneuert.
Nötig sind auch technische Anpassungen. Dazu gehören eine neue Notlichtanlage mit entsprechender Beleuchtung, die Anpassung der Beschallung für Evakuationsdurchsagen oder das Anbringen zusätzlicher Notausgänge. «Die Flutlichtanlage und die etwas ulkig aussehenden Lautsprecher genügen aber absolut den Anforderungen.»Am intensivsten sind die Arbeiten dieser ersten Sanierungsphase an der Nordkurve. Hier kommt eine aussergewöhnliche Einhausung zum Einsatz, die mit Hilfe einer Pelletsheizung alles auf einer gewissen Temperatur halten sollte. Denn Betonersatz, Abklebungen, Beschichtungen und ähnliche Arbeiten können nicht bei Minusgraden erfolgen.
Weitere Details zur Sanierung lesen Sie im ausführlichen Artikel «Offene Rennbahn Oerlikon: Eine Radsport-Ikone wird saniert» in Baublatt Nr. 17 (PDF).
Quelle: Comet Photo AG, Zürich; Bildarchiv ETH-Bibliothek Zürich
Zwischen 1947 und 1954 gewann Hugo Koblet auf der offenen Rennbahn Oerlikon sämtliche Schweizermeistertitel in der Einerverfolgung. Ein Denkmal beim Rennoval erinnert an den «Pedaleur de Charme».