Neubau der Waldenburgerbahn: Steter Dialog als Erfolgsrezept
Für 320 Millionen Franken wird die Waldenburgerbahn komplett neu gebaut und dazu der Hochwasserschutz verbessert. Um das Projekt im Oberbaselbiet zu realisieren, brauchte es viel Flexibilität bei der Planung, sowie einen steten Dialog mit der Bevölkerung und den Behörden. Ein Interview mit Reto Rotzler, Leiter Infrastruktur bei der BLT Baselland Transport AG.
Quelle: BLT
Blick in die Baugrube für neue Bachmauer auf der bahnabgewandten Seite. Diese Mauer schützt Niederdorf künftig vor Hochwasser.
Welches ist der Stand der Arbeiten für
die neue Waldenburgerbahn?
Die Infrastruktur der neuen Waldenburgerbahn (WB) ist
betriebsbereit. Die Anlagen der unteren Talhälfte haben wir wie geplant früher
fertiggestellt; dort laufen seit Anfang Juli die Testfahrten. Bei der oberen
Talhälfte konnten die Tests Anfang Oktober aufgenommen werden.
Die Arbeiten verliefen also nach Zeitplan?
Das ist so, und die neue WB wird mit dem Fahrplanwechsel am
11. Dezember ihren Betrieb aufnehmen. Aktuell sind auch bereits drei Fahrzeuge
da – am Ende werden zehn im Einsatz sein, die ebenfalls pünktlich ausgeliefert
werden können.
Noch im Gange sind die Bauarbeiten links und rechts der
Gleise, einfach ausgedrückt. Es handelt sich um umfangreiche
Instandsetzungsarbeiten, die teilweise im Auftrag des Tiefbauamtes des Kantons
laufen. Das Amt hatte diese Arbeiten etwas zurückgestellt und auf unser Projekt
gewartet, damit alles gemeinsam ausgeschrieben und in Angriff genommen werden
konnte. Diese Arbeiten werden noch bis Ende nächsten Jahres dauern, aber die
Bahn nicht mehr tangieren.
Was beinhaltete das Bauprojekt?
Die ganze Bahn wurde auf 13 Kilometern Länge neu gebaut, inklusive dem Unterbau. Dazu kommen der Neubau des Bahnhofs Waldenburg und der Endstation in Liestal sowie umfangreiche Massnahmen zum Hochwasserschutz.
Was ändert sich bei der neuen Waldenburgerbahn?
Die neue WB wird eine Spurweite von einem Meter und das Lichtraumprofil A aufweisen. Somit sind neue Fahrzeuge bis zu 2,65 Meter Breite möglich, während die alten nur 2,20 Meter aufwiesen. Die aktuellen Fahrzeuge sind 2,40 Meter breit. Die frühere Spurweite betrug zudem nur 75 Zentimeter.
Weshalb die neue Spurweite?
Mit 75 Zentimetern Spurweite war die alte WB ein Exot, und technische Geräte wie Maschinen für den Gleisunterhalt waren nur schwer und teuer zu beschaffen. Die neue Spurweite von einem Meter ist der Standard für Schmalspurbahnen. Entsprechend einfacher ist es, die Maschinen für den Unterhalt zu bekommen, und natürlich auch das Rollmaterial. Hier ergibt sich durch die neue Spurweite ein überdurchschnittlich grosser Spareffekt.
Quelle: BLT
Vorbereitungen zum Abteufen der Bohrpfähle: Diese dienen als Fundament für die Tragplatte der Bahn in Niederdorf.
Wer fällte den Entscheid für diese Änderung?
Das Parlament des Kantons Basel-Landschaft entschied sich Ende 2015 für die Meterspur und das Lichtraumprofil A und damit zugleich für den Neubau. Das Tiefbauamt hatte das Projekt vor 2015 geplant, im Auftrag der Waldenburgerbahn, die hierfür nicht die personellen Ressourcen hatte.
Weshalb musste die Bahn komplett neu gebaut werden?
Die Infrastruktur entsprach nicht mehr dem Stand der Technik und die Anlagen waren am Ende ihrer Lebensdauer. Für die breitere Spur und das erweiterte Lichtraumprofil mussten die Gleise zudem weiter auseinander gelegt werden, dort wo wir eine Doppelspur haben. Auch mussten die Haltestellen behindertengerecht ausgebaut werden.
Wie wurde das Projekt geplant?
Die Grundlage bildete das Gesamtkonzept der neuen Bahn. Wir haben fahrplanmässig geprüft, wo es Kreuzungsstellen und damit Doppelspuren braucht, und danach das Projekt entsprechend ausgelegt. Zuerst stand also das Betriebskonzept, und die Infrastruktur wurde darauf basierend definiert und geplant. Da der Fahrplan ausgebaut wurde und um die Flexibilität für zukünftige Änderungen aufnehmen zu können, mussten wir mehr Doppelspurstrecken fürs Kreuzen bauen als zuvor.
Seit wann hat die Baselland Transport AG (BLT) die Federführung im Projekt?
Die BLT übernahm das Projekt nach der Fusion mit der Waldenburgerbahn, die per Anfang 2016 erfolgte. Als erstes schrieben wir die Planungsarbeiten innerhalb der Baulose öffentlich aus, da die BLT kein eigenes Planerteam hat.
Quelle: BLT
Bahn und Hochwasserschutz in Niederdorf sind fertiggestellt, inklusive der neuen Brücke. Jetzt können die letzten Spundwände rückgezogen werden.
Weshalb erfolgte die Einteilung in acht Baulose?
Diese Loseinteilung stand bereits vorher fest und wurde von uns übernommen. Der Grund liegt darin, dass nach unserer Einschätzung kaum ein einziger Planer oder Unternehmer die Kapazität gehabt hätte, die Arbeiten auf den ganzen 13 Kilometern gleichzeitig durchzuführen.
Wann begannen die eigentlichen Arbeiten?
Die Ausschreibung der Planungsleistungen erfolgte im Jahr 2016. Die nächsten beiden Jahre wurden die verschiedenen Phasen der Planung erarbeitet, so dass wir Anfang 2019 die Plangenehmigungsgesuche für die einzelnen Lose einreichen konnten. Im November 2020 hatten wir die erste Plangenehmigung vorliegen, und im Frühjahr letzten Jahres begannen die Arbeiten. Ausnahme war das Los 3.2., bei dem mehrere Projektänderungen erforderlich waren.
Was war die Schwierigkeit bei diesem Los?
Beim Los 3.2 ging es darum, dass wir den Bach Vordere Frenke auf einer Strecke von 400 Metern komplett revitalisieren wollten. Dagegen erhob die Stadt Liestal Einspruch, da sie in diesem Gebiet 50 Prozent ihres Trinkwassers bezieht und dieses gefährdet sah. Gegen eine überarbeitete Version ohne Revitalisierung erhoben dann drei Umweltverbände Einsprache. In einer Arbeitsgruppe mit allen Beteiligten konnten wir schliesslich ein Projekt mit einer teilweisen Revitalisierung ausarbeiten, wogegen keine Einsprachen mehr erfolgten.
Passte das Los 3.2. trotzdem noch in den Zeitplan?
Wir benötigten für dieses Los die Plangenehmigung bis Ende August 2021, um die geplante Inbetriebnahme der Bahn im Dezember 2022 zu schaffen. Am 1. September erhielten wir dann die gewünschte Genehmigung. Es war also denkbar knapp, und bei einer weiteren Verzögerung wäre die Inbetriebnahme Ende Jahr in Frage gestanden.
Gab es weitere Beispiele, bei denen die Planung angepasst werden musste?
Man kann generell sagen, dass der Neubau der Bahn ein extremes Kommunikationsprojekt war, mit dem Datum der Inbetriebnahme als einziger Konstante. Alles andere wurde mehrfach überarbeitet und angepasst, im Dialog mit der Bevölkerung und den beteiligten Ämtern. So standen wir in einem dauernden Kontakt mit dem Bundesamt für Verkehr und dem Bundesamt für Umwelt. Deshalb wussten wir stets, wo jeweils die Probleme lagen und wir noch nacharbeiten mussten. Das Ganze war somit ein iterativer Prozess, und wir haben mit dem Bau begonnen, während wir im Los 3.2 noch mitten im Plangenehmigungsverfahren steckten.
Quelle: BLT
Der neue Bahnhof in Waldenburg, inklusive Remise, stellte das einzige Hochbauvorhaben im Rahmen des Gesamtprojekts dar.
Welche Herausforderungen in Sachen Kommunikation bestanden daneben?
Ein Schlüsselfaktor war die Interessenabwägung, da hier mitunter gegenläufige Interessen im Spiel waren. So sagt das Gewässerschutzgesetz klar, dass keine neuen Überdeckungen von Fliessgewässern vorgenommen werden dürfen. Aufgrund des Naturschutzgesetzes sah das Projekt aber zwei Wildtierkorridore mit Brücken vor, die natürlich Überdeckungen der Vorderen Frenke bedeuteten. Am Ende erwies sich, dass die Korridore von nationaler Bedeutung sind und somit in diesem konkreten Fall von höherem Interesse als das Gewässerschutzgesetz.
Wie funktionierte die Einbindung der Bevölkerung?
Wir haben von Anfang an den Kontakt mit den Menschen im Tal gesucht und Infoveranstaltungen durchgeführt, noch bevor wir ein fertiges Projekt hatten. Wir boten also einen Blick in die Werkstatt und stellten die möglichen Varianten vor. Anfangs gab es viel Kritik und Einwände, aber wir konnten das Verständnis der Leute wecken und erklären, was wir weshalb machen wollten. Schon bald waren die Infoveranstaltungen Plattformen für einen konstruktiven Austausch. Es fasziniert mich nach wie vor, mit welchem Verständnis und mit welcher Geduld die Einwohner der Grossbaustelle im Tal begegnen. Hier gebührt der Bevölkerung des Waldenburgertals ein grosses Dankeschön!
Quelle: BLT
Im Sommer 2021 wurde die Baustelle von einem Jahrhunderthochwasser überschwemmt, ohne grossen Schaden anzurichten. Genau gegen solche Naturereignisse ist das Tal in Zukunft gesichert.
Können sie ein Beispiel für diesen Austausch nennen?
Im Ort Hölstein gab es bei der alten Waldenburgerbahn drei Haltestellen, was angesichts der geringen Grösse des Ortes sehr viele waren. Aufgrund des Betriebskonzepts konnten aber nur zwei davon erhalten werden, was anfangs zu viel Widerstand und sogar zu einer Petition zum Erhalt der drei Haltestellen führte. Wir haben den Kontakt zu den Petitionären gesucht und gemeinsam Lösungen gesucht. Am Ende haben wir uns an der Anpassung des Fusswegnetzes beteiligt, mit der die Erreichbarkeit der verbleibenden zwei Haltestellen verbessert wurde. Damit konnte ein Konsens erzielt werden.
Ein anderes Beispiel ist Waldenburg, wo es zwei relevante Themen gab: Man wollte zum einen unbedingt den Kiosk am Bahnhof behalten, da dies die einzige Einkaufsmöglichkeit im Ort ist. Und man forderte eine Ausstellungsmöglichkeit für die historische Dampflokomotive, die von einem lokalen Verein betrieben wird. Den Kiosk, der am Anfang nicht vorgesehen war, konnten wir in den Neubau des Bahnhofs integrieren, und für die Lok fanden wir talabwärts einen Platz, wo sie nun zusammen mit zwei Waggons eine Bleibe gefunden hat. So waren am Ende alle zufrieden.
Welches war das baulich anspruchsvollste Los?
Ein Drittel der Investitionen in Baumeisterarbeiten erfolgte in Niederdorf. Hier mussten neben dem Bahnprojekt umfangreiche Massnahmen für einen verbesserten Hochwasserschutz umgesetzt werden, wofür es umfangreiche Kunstbauten brauchte. Diese mussten ein hundertjähriges Hochwasser der Frenke bewältigen können. Prompt hatten wir während der Bauarbeiten 2021 ein solch massives Hochwasser, wie es statistisch nur alle knapp hundert Jahre vorkommt. Es entstanden aber keine Schäden, die einen Rückbau bereits gebauter Teile erfordert hätte. Dafür gab es bei den Leuten eine Art Aha-Effekt, und der Sinn der umfangreichen Arbeiten musste niemandem mehr erklärt werden.
”«Der Neubau der Bahn war extremes Kommunikationsprojekt, mit dem Datum der Inbetriebnahme als einziger Konstante.»
Reto Rotzler, Leiter Infrastruktur bei der BLT Baselland Transport AG
Reto Rotzler, Leiter Infrastruktur bei der BLT Baselland Transport AG
Wie sahen diese Baumeisterarbeiten aus?
Wir haben hier auf rund 800 Metern Länge Mitten im Dorf neue Bachmauern erstellt, was nicht mit einer konventionellen Baugrube möglich war. Also musste im Gewässer eine Spundwand erstellt werden, um auf der einen Bachseite arbeiten zu können, während das Wasser auf der anderen floss. Zur Bahn hin haben wir Bohrpfähle zehn Meter abgeteuft, die Anschlussarmierungen freigelegt, vorfabrizierte Elemente auf die Pfähle platziert und am Ende das Ganze mit einer Ortsbetonplatte abgedeckt. In Niederdorf verläuft die Bahn eigentlich auf einer Brücke.
Wo befindet sich die Schnittstelle mit den SBB, die ja den Bahnhof Liestal komplett neu bauen?
Diese befindet sich nach der Kurve Altmarkt. Ab hier verlaufen die Gleise der Waldenburgerbahn parallel zu denen der SBB. Die Bundesbahnen haben ab hier den Bau bis und mit Vorschotterung übernommen, während wir danach den Gleisoberbau, sowie die Fahrleitung und die Stellwerkstechnik realisierten. Das Perron und die Haltestelle im Bahnhof Liestal wiederum baute die SBB.
Wurden neben einem kompletten Neubau der Bahn auch andere Varianten geprüft?
Der Kanton hat mehrere Varianten geprüft, etwa eine Einbindung ins Netz der SBB, eine Weiterführung der Tramlinie 14 ab Pratteln, aber auch eine Buslinie. Doch die Bahn hat für das Tal die höchste Erschliessungsqualität und ist eine Art Lebensader, weshalb am Ende der Neubau beschlossen wurde.
Das Projekt
Quelle: SBB
Visualisierung des neuen Bahnhofsgebäudes von Liestal.
Die Waldenburgerbahn, seit 1880 in Betrieb, wurde auf der kompletten, 13 Kilometer langen Strecke neu gebaut, inklusive Haltestellen, dem Bahnhof Waldenburg samt Bahndepot, der Endstation im Bahnhof Liestal und umfassenden Hochwasserschutz-Massnahmen entlang der Vorderen Frenke. Das Bauprojekt der neuen Bahn ist in Fertigstellung und der Betrieb wird per 11.12.2022 aufgenommen. Die Gesamtkosten für das Projekt betragen rund 320 Millionen Franken.
Parallel dazu wird in einem separaten Projekt der Bahnhof Liestal von den SBB auf vier Spuren ausgebaut, wobei auch die Perronanlagen und das Bahnhofsgebäude komplett neu erstellt werden. Dieses Projekt ist mit 365 Millionen Franken veranschlagt und wird 2024 abgeschlossen. (bk)