16:43 BAUPRAXIS

Mit der Handykamera die Statik überprüfen

Teaserbild-Quelle: Annie Spratt, Unsplash

Die Statik von alten Bauten lässt sich auch mit der Handy-Kamera statt mittels Laserscan überprüfen. Forscher der TU München haben eine entsprechende Methode entwickelt.

Ayathekla-Zisterne.

Quelle: Ziegler175, eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Wikimedia.org

Eine der Säulen der Zisterne musste mit einer Betonsäule ersetzt werden.

Ayathekla im Süden der Türkei gilt als eine der wichtigsten frühchristlichen Wallfahrtsstätten: Nachdem die heilige Thekla von Apostel Paulus bekehrt worden und mit ihm unterwegs gewesen war, hatte sie sich in eine Höhle südlich von Seleukia – heute Silifke – zurückgezogen. Sie verbrachte hier ihren Lebensabend und soll hier auch ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Wenig später wurde die Höhle zur Grottenkirche umgebaut. Und im 5. Jahrhundert wurde unter Kaiser Zenon an dem Ort eine rund 90 Meter lange Basilika zu Ehren der Heiligen errichtet. Allerdings stehen lediglich noch die Grundmauern und Teile der Apsis. Erhalten geblieben sind auch die zum Areal gehörigen Tonnengewölbe einer dreischiffigen Zisterne. Sie leiden stark unter Erosion: In den 60er-Jahren brach eine der Säulen ein und musste mit einer Betonsäule ersetzt.

Ob auch andere Teile des Bauwerks einsturzgefährdet sind, lässt sich nur herausfinden, wenn man weiss, wie die Kräfte innerhalb der Struktur wirken. Geht es nach Forschern der TU München (TUM) lässt sich dies einem Smartphonekamera herausfinden. „Um den Spannungszustand einer Struktur zu berechnen, wird in der Ingenieurpraxis sehr oft die Methode der Finiten Elemente verwendet“, erklärt Stefan Kollmannsberger vom TUM-Lehrstuhl für „Computation in Engineering“. „Bevor zum Beispiel eine Brücke gebaut wird, muss bekannt sein, ob sie den Belastungen des Verkehrs standhält. Es muss nachgewiesen werden, dass sowohl die zu erwartenden Verformungen als auch die Belastung des Materials unter vorgegebenen Grenzen liegen.“

Für das Bauwerk als Ganzes ist diese Berechnung des physikalischen Verhaltens aufgrund seiner komplexen Geometrie nicht ohne weiteres möglich. Darum wird das Modell in die sogenannten finiten Elemente unterteilt, die jeweils eine einfache Geometrie besitzen. Für jedes dieser Elemente lässt sich dann mittels bestimmter Annahmen zu Materialverhalten und möglichen Verformungszuständen den Widerstand bei unterschiedlichsten Kräfteeinwirkungen berechnen. „Werden die Elemente wieder zusammenfügt, kann das Verhalten der ganzen Struktur beurteilt werden“, so Kollmannsberger.

Punktewolke mittels Handy erstellen

Während die Geometrie der Brücke aufgrund der Baupläne bereits bekannt ist, muss sie für die antiken Bauwerke wie die Zisterne von Ayathekla erst bestimmt werden. Möglich ist dies zum Beispiel durch einen Laserscan: Er kann Punkte eines Bauwerks im Raum lokalisieren, auf diese Weise entsteht eine sogenannte Punktwolke. Laut Kollmannsberger und seinen Kollegen funktioniert dies auch mit der Kamera eines Smartphones: Dazu genügen Bilder eines Objektes aus mehreren verschiedenen Blickwinkeln. Sind die Position der Kamera sowie die Brennweite des Objektivs bekannt, können die Pixel in den unterschiedlichen Bildern miteinander in Bezug gesetzt werden. So werden im Computermodell dann die Punkte auf der Oberfläche des Objekts im Raum errechnet.

Quelle: Lehrstuhl für Computation in Engineering / TUM

Mithilfe eines neuen Verfahrens lässt sich der mechanische Zustand von antiken Bauwerken schnell und unkompliziert bestimmen. Das Bild zeigt ein Computermodell der Ayathekla-Basilika-Zisterne.

Überlicherweis wird mit der Punktwolke das ungefähre Volumen des Bauwerks bestimmt und auf dieses Volumen die Finite-Elemente-Methode angewandt. Das sei allerdigs sehr aufwendig, weil dazu auf Grundlage der Punktwolke zunächst die Oberfläche rekonstruiert werden müsse, so Kollmannsberger. „Im Anschluss muss das Volumen in die Finiten Elemente zerlegt werden.“ Dabei müssen einerseits die Ränder der Elemente mit dem Rand der Struktur übereinstimmen, andererseits müssen die Seiten der geometrischen Strukturen ein bestimmtes Verhältnis zueinander haben, um aussagekräftige Ergebnisse liefern zu können.

„Wir haben uns gefragt, ob man mit den Punktwolken nicht einfach direkt rechnen kann“, erzählt Kollmannsberger. Hierfür griffen die Forscher auf einen Trick zurück. Sie erweiterten die Finite Elemente Methode so, dass eine punktweise Darstellung des Baukörpers ausreicht. Trotz dieser vereinfachten geometrischen Darstellung bleibt die Genauigkeit des ursprünglichen Verfahrens erhalten. Mit dem neuen Verfahren – der „Point Cloud Finite Cell Method“ – genügt es, für jeden Punkt im Raum zu entscheiden, ob dieser sich innerhalb oder ausserhalb der Struktur befindet. Eine Umgebung des Baukörpers kann zunächst ohne Berücksichtigung der genauen Geometrie gleichförmig in Finite Elemente unterteilt werden. Im Anschluss wird berechnet, ob bestimmte Punkte zu dem Baukörper gehören. Diesen Punkten werden die Materialeigenschaften des Bauwerks zugeordnet. Denjenigen Punkten, die nicht im Bauwerk liegen, wird ein sehr weiches Material zugeordnet.

Spannungen in der Zisterne

„Es hat sich gezeigt, dass sich das mechanische Verhalten der Struktur mit diesem Verfahren genauso gut wie mit der klassischen Finite Elemente Methode bestimmen lässt“, weiss Kollmannsberger. „Jedoch erlaubt das neue Verfahren eine automatisierbare und vor allem viel schnellere Berechnung. Damit ist eine strukturmechanische Vorhersage für massive und relativ homogene Bauwerke auch mit Hilfe von Drohnenbildern in Reichweite.“

Die Säulen der Ayathekla-Kirche-Zisterne stehen übrigens noch stabil. Allerdings sind im Modell bereits hohe Spannungen zu erkennen. (mai/mgt)

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