15:13 BAUPRAXIS

Luftschiffhangar in Mülheim an der Ruhr: «Theo» bleibt am Boden

Geschrieben von: Robert Mehl (rm)
Teaserbild-Quelle: Robert Mehl

Auf dem Verkehrsflugplatz in Mülheim an der Ruhr (D) wurde ein neuer Luftschiffhangar in Betrieb genommen. Bei der 26 Meter hohen Halle handelt es sich um eine reine Holzkonstruktion, die 2023 mit dem Architekturpreis des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet wurde.

Für viele Jahre konnte man regelmässig das 58 Meter lange Prallluftschiff «Theo» über Nordrhein-Westfalen (und auch darüber hinaus) am Himmel sichten. Dabei prangte auf seiner textilen Hülle über lange Zeit hinweg das Logo des Film- und Unterhaltungselektronikherstellers «Fuji». «Theo» befindet sich inzwischen im Ruhestand und wird sich wohl nie wieder in die Lüfte schwingen. Allerdings kann man nunmehr in den Sommermonaten für rund 600 Euro Rundflüge mit dem Nachfolger «Hugo» buchen. Die wärmere Jahreszeit ist nicht nur aus thermischen Gründen für den Luftschiffbetrieb erforderlich, sie empfiehlt sich auch aus Gründen des Komforts, da die Acht-Personen-Kabine nicht beheizt ist. «Theo» wurde allerdings nicht verschrottet, auch wurde das ihn tragende Helium-Gas in seiner Textilhülle belassen.

Ohne eine Flugzulassung schwebt er nun dauerhaft, gewissermassen als hochfotogene Innendekoration, in dem neu errichteten Luftschiffhangar am Verkehrsflugplatz in Mülheim an der Ruhr. Tatsächlich ist diese XXL-Garage so gross, dass auch «Hugo», der nun grössere Nachfolger, ebenfalls darin untergebracht werden kann – sofern er nicht an seinem zweiten Standort in Friedrichshafen am Bodensee, sondern im Ruhrgebiet weilt. Denn der 2023 fertig gestellte Hangar ist für die Aufnahme von zwei Prallluftschiffen dieser Grössenordnung ausgelegt.

Unterhalten wird die in ihrer Grösse mehr als beeindruckende Halle von der ebenfalls dort ansässigen WDL Luftschiffgesellschaft mbH. Die Firma konstruiert und nutzt die besagten Prallluftschiffe. Die Wertschöpfung mit den heutigen Luftschiffen erfolgt zum einen mit Rundflügen, zum anderen mit ihrer Vermarktung als fliegende Werbefläche.

Planung und Realisation

Die neue Luftschiffhalle ersetzt einen etwas kleineren Vorgängerbau, der im Volksmund gerne als die «Grüne Raupe» bezeichnet wurde. Es handelte sich um eine leichte Zeltkonstruktion, die von im Halbkreis gebogenen, Stahlfachwerkbindern getragen wurde. Ihre östliche Stirnseite konnte gleich einem Tiermaul nach oben geöffnet werden. Dann «verspeiste» sie wahlweise das darin geparkte Luftschiff oder spie es im Frühjahr wieder aus. Dar alte Hangar konnte jedoch nicht beheizt werden, was eine winterliche Einhallung der Luftschiffe verkomplizierte, da sich mit sinkender Temperatur das Gas zusammenzog und damit an Tragfähigkeit verlor. Auch war infolge der kühlen Innentemperaturen eine zusätzliche Nutzung der Halle als Event-Location weitgehend ausgeschlossen. 

Luftschiffhangar Mühlheim an der Ruhr

Quelle: Robert Mehl

Ein jeder der halbkreisförmigen Fachwerkbinder besteht aus vier Teilsegmenten, die in der Zimmerei Wie auch bei der Vorgängerhalle kann die östliche Stirnseite für den Ein- und Ausflug der Luftschiffe geöffnet werden.vorgefertigt und per Tieflader angeliefert wurden.

Luftschiffhangar Mühlheim an der Ruhr

Quelle: Robert Mehl

Wie auch bei der Vorgängerhalle kann die östliche Stirnseite für den Ein- und Ausflug der Luftschiffe geöffnet werden.

2020 fand der Abriss des alten Hangars statt und der Aufbau einer neuen, wetterfesten Luftschiffhalle begann unmittelbar danach. Der Entwurf – ein Direktauftrag – stammt vom ebenfalls in Mülheim an der Ruhr ansässigen Planungsbüro Smyk Fischer Architekten. Das Tragwerk wurde von dem die Architekten beratenden Ingenieurbüro Ripkens Wiesenkämper aus Essen entwickelt. Von ihnen stammt auch der Vorschlag einer im Luftverkehrswesen ungewöhnlichen Holzkonstruktion. Anlass dafür war der Bauherrenwunsch nach einer maximalen Nachhaltigkeit des Projekts. Die Ausführung und die Montage der 14, jeweils in einem Halbkreis angelegten Fachwerkbinder und die darauf aufgelegte Holzschalung erfolgte durch die in Niederkrüchten ansässige W.u.J.Derix GmbH& Co. Die Halle ist 26 Meter hoch und misst innen 23 Meter im Lichten. Die Grundfläche des Hangars ist 92 Meter lang und 42 Meter breit.

Holzkonstruktion

Ein jeder der halbkreisförmigen Fachwerkbinder besteht aus vier Teilsegmenten, die in der Zimmerei vorgefertigt und per Tieflader angeliefert wurden. Vor Ort wurden zunächst jeweils zwei Segmente am Boden zusammengefügt und dann mittels Autokränen aufgerichtet. Dann wurde der Vorgang mit der zweiten Fachwerkbinderhälfte wiederholt und schliesslich die beiden Halbbögen in ihrem Scheitel aneinander gekoppelt. Nach dem Stellen des nächsten Binders wurden diese mit stabilisierenden Querverbindungen verbunden. Alle Fachwerkbinder wurden anschliessend mit einer Holzschalung belegt. Diese dient nicht nur als Träger für die Dachhaut, sondern fungiert auch als Queraussteifung der Hallenkonstruktion. Die Aussenseite der hölzernen Hallenschalung wurde mit 15 Zentimeter starker Mineralwolle gedämmt und schliesslich mit einem Stehfalzblech aus Zink verkleidet.

Eine Ausführung des Hangars als Holzkonstruktion war mit Blick auf den vorbeugenden Brandschutz unbedenklich. Denn anders als zu den grossen Zeiten der Zeppeline in den 1930er-Jahren sind die heutigen Prallluftschiffe nicht mehr mit dem feuergefährlichen Wasserstoff, sondern mit dem Edelgas Helium befüllt. Feuerkatastrophen, wie 1937 der Brand der Hindenburg in Lakehurst bei New York, sind deshalb nicht mehr zu befürchten. Aber natürlich muss der Hangar die regulären Brandschutzauflagen einer Industriehalle dieser Grösse erfüllen und mindestens eine Feuerwiderstandsklasse T30 aufweisen. 

Luftschiffhangar Mühlheim an der Ruhr

Quelle: Robert Mehl

Auf der westlichen Seite hat der Hangar eine am Boden beginnende Verglasung erhalten, die der natürlichen Hallenbelichtung dient.

Macht hoch die Tür

Der Mittelbereich des Fussbodens der 3864 Quadratmeter grossen Halle besteht aus insgesamt 525 quadratischen, jeweils 1,50 Meter grossen Betonfertigteil-Bodenplatten. Bei diesen handelt es sich um eine unmittelbare Zweitverwendung (Reuse) eines Industriebodens, der aus einer etwa sechs Kilometer entfernten und mittlerweile abgerissenen Halle stammt.

Wie auch bei der Vorgängerhalle kann die östliche Stirnseite für den Ein- und Ausflug der Luftschiffe geöffnet werden. Dabei bilden die beiden Torflügel jeweils sphärisch gekrümmte Dreiecke, die beim Ausfahren nur von der unteren Türangel gehalten werden. Der Öffnungsvorgang erfolgt separat für jeden Torflügel über einen zweiten, beweglichen Auflagerpunkt, den man sich in seiner Funktion wie eine kleine Rangierlok vorstellen kann. Dieser Antrieb ist fest mit dem Torflügel verbunden und sitzt auf einer Eisenbahnschiene, die einen Drittelkreis von der Tormitte nach aussen beschreibt. Mit starken Elektromotoren werden damit Räder angetrieben, die sich auf diesen Schienen bewegen. Im geschlossenen Zustand sind die beiden doppelt gekrümmten Torflügel in ihren Scheitelpunkten arretiert. Wird das Tor geschlossen, wird mit einem mechanischen Greifer eine spezielle Hakenkonstruktion in der Torflügelspitze erfasst und diese wasserdicht an die eigentliche Hallenkonstruktion gezogen.

Auf der westlichen, dem Rollfeld des Flugplatz Mülheim zugewandten Seite hat der Sockelbereich des Luftschiffhangars eine am Boden beginnende übermannshohe Verglasung erhalten. Sie dient der natürlichen Hallenbelichtung und gewährt einen fulminanten Panoramablick auf die Start- und Landebahn und auf praktisch alle Flugzeugbewegungen auf dem Verkehrsflugplatz. Die neue Halle ist in der kalten Jahreszeit beheizt, um für die darin untergebrachten Luftschiffe thermisch stabile Bedingungen zu gewährleisten. Damit empfiehlt sich die an eine Kathedrale erinnernde Halle aber auch als Event-Location der besonderen Art, da sie keine 30 Autominuten vom grossen Düsseldorfer Flugplatz entfernt liegt. Sowohl kleinere Messen, besondere Konzerte oder richtig grosse Familienfeierlichkeiten finden hier regelmässig statt.

Mastwagen erforderlich

Interessant zu wissen ist auch, dass für jedes Luftschiff in heutiger Zeit ein eigener Mastwagen erforderlich ist, der den Flug desselben immer am Boden begleitet. Will nun ein Luftschiff seinen Flug beenden, stellt sich das Fahrzeug am Landeplatz auf und fährt einen gut 30 Meter hohen Teleskopmast senkrecht nach oben aus. Daran wird das zugehörige Luftschiff mit seiner Bugspitze festgemacht. Dazu kann der Pilot, ähnlich einem maritimen Schiffsanker, über einen Mechanismus aus der Bugspitze heraus ein Stahlseil ablassen, das dann von Helfern am Mastwagen fixiert wird. Parkt das Luftschiff im Freien, wird es immer nur an seiner Bugspitze gehalten. So kann sich jeder Zeppelin – ähnlich einem Windsack – immer mit dem Wind drehen. Darüber hinaus gilt die Auflage, dass die Kanzel eines im Freien abgestellten Luftschiffs durchgehend von einem Piloten besetzt sein muss. 

Der Luftschiffhangar wurde im Jahr 2023 mit dem Architekturpreis des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.

Luftschiffhangar Mühlheim an der Ruhr

Quelle: Robert Mehl

Die beiden sichtbaren Motoren im Sockelbereich dienen dem Öffnen des Portals. Sie fahren auf zwei Schienenbögen am Boden.

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Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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