10:13 BAUPRAXIS

Klimaschutz im Städtebau: Grüne Energie aus der Fassade

Geschrieben von: Marianne Kürsteiner (kür)
Teaserbild-Quelle: HSLU

Begrünung und Photovoltaik an Fassaden sind nicht nur schön, sondern könnten den Städten der Zukunft auch helfen, auf den Klimawandel zu reagieren. Die Studie «GreenPV» der Hochschule Luzern untersucht, wie diese Systeme zur Energiegewinnung und Klimaregulierung beitragen.

Solarpanels und Begrünung an Gebäudefassade

Quelle: HSLU

Solarpanels und Begrünung der Fassade, wo das Gebäude am meisten bewohnt wird.

In der Baubranche wird fieberhaft nach Lösungen gesucht, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen. Denn die steigenden Temperaturen und die zunehmende Verstädterung machen innovative Ansätze notwendig, um das städtische Klima angenehmer und nachhaltiger zu gestalten. Vor diesem Hintergrund hat ein Forschungsteam der Hochschule Luzern (HSLU) im Projekt «GreenPV» untersucht, welches Potenzial Photovoltaik (PV)-Anlagen und Begrünungen an Gebäudefassaden bieten. Diese Lösungen könnten zukünftig einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung des Stadtklimas und zur Anpassung an die Folgen der Klimaerwärmung leisten.

Ein Beitrag für die klimaresiliente Stadt

Die Jahresmitteltemperatur könnte in der Schweiz bis Ende des 21. Jahrhunderts um bis zu 5,4 Grad ansteigen. Solche Temperaturanstiege belasten die Städte erheblich, insbesondere in den Sommermonaten, wenn die Nachfrage nach Kühlung steigt. Gerade in urbanen Gebieten, in denen Flächen für Grünanlagen rar sind, können begrünte Fassaden eine erfrischende Alternative darstellen. Sie kühlen die umgebende Luft, fördern die Biodiversität und verbessern die Luftqualität.

PV und Begrünung: eine starke Kombination

Dr. Silvia Domingo, eine der führenden Forscherinnen des Projekts «GreenPV», hebt die Vorteile von PV-Anlagen an Gebäudefassaden hervor. «Eine südorientierte PV-Fassade produziert im Winter etwa 40 Prozent mehr Strom als eine Dachanlage, was sie besonders wertvoll macht, wenn die Sonne in niedrigem Winkel steht», erklärt Domingo. Gleichzeitig lässt sich durch Begrünung in den unteren Geschossen der städtische Wärmeinseleffekt reduzieren, wodurch die Umgebungstemperatur gesenkt und die Aufenthaltsqualität erhöht wird.

Herausforderungen und Chancen

Gianrico Settembrini, Projektleiter von «GreenPV», beschreibt, dass das Potenzial von PV- und Begrünungssystemen bekannt ist, in der Praxis jedoch oft durch Unsicherheiten und fehlende Erfahrung gebremst wird. «In der Schweiz gibt es nur wenige Beispielprojekte, die die Vorteile dieser Systeme an Fassaden zeigen», sagt Settembrini. Es fehlen sowohl klare gesetzliche Grundlagen, etwa zum Brandschutz, als auch umfassendes Knowhow in der Planung und Umsetzung solcher Systeme.

Settembrini sieht dennoch grosse Chancen für Städte, die sich auf den Weg zu «lebenswerten Netto-Null-Städten» machen wollen. PV-Anlagen können im Winter zur Stromproduktion beitragen, während die Begrünung in den Sommermonaten für angenehme Temperaturen sorgt. Diese Ansätze ergänzen sich laut Settembrini ideal und könnten in der Stadtplanung der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen.

Fassadenbegrünung

Quelle: HSLU

Fassadenbegrünung fördert auch die Biodiversität.

Ein Blick in die Zukunft: mehr Planungssicherheit nötig

Die Umsetzung solcher Technologien erfordert jedoch frühzeitige Planung und enge Zusammenarbeit mit den Behörden. Dr. Domingo und Settembrini sind sich einig, dass die Standortanalyse essenziell ist, um die Systeme optimal an das jeweilige Gebäude anzupassen. Dabei gilt es, ökologische, ökonomische und ästhetische Aspekte abzuwägen, um die Lebensqualität und Nachhaltigkeit in städtischen Räumen zu steigern.

«Wir brauchen gesetzliche Rahmenbedingungen und Förderprogramme, um die Investitionsbereitschaft zu erhöhen», betont Domingo. Wenn Bauherren erkennen, dass sich Fassadensysteme nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch lohnen können, wächst die Bereitschaft zur Umsetzung. Die Winterstromproduktion und die Reduktion der urbanen Hitzeinseln spielen hierbei zentrale Rollen, die langfristig auch die Energiekosten stabilisieren können.

Der Mangel an praktischen Erfahrungen und klaren Vorschriften sorgt bei Bauherren oft für Verunsicherung.

Gianrico Settembrini

Auf dem Weg zur klimaangepassten Stadt

Die «GreenPV»-Studie der Hochschule Luzern zeigt, dass die Begrünung und Nutzung von Gebäudefassaden für Photovoltaik erhebliches Potenzial bieten, um Städte klimaresilienter zu machen. Herausforderungen bleiben jedoch bestehen: Fehlende gesetzliche Regelungen und Investitionsanreize bremsen die breite Anwendung. Doch innovative Ansätze wie die Kombination von PV und Begrünung können einen wertvollen Beitrag zu einem nachhaltigeren und lebenswerteren urbanen Raum leisten, der gleichzeitig das Mikroklima verbessert.

Die HSLU-Studie ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung, und es bleibt zu hoffen, dass Bauherren, Planer und die Politik bald gemeinsam den Weg zu «lebenswerten Netto-Null-Städten» ebnen – mit Gebäuden, die nicht nur Energie produzieren, sondern auch Lebensraum schaffen. (kür)

Solarpanels

Quelle: HSLU

Solarpanels müssen nicht immer schwarz sein.

Vorteile begrünter Fassaden im städtischen Raum

  • Kühlungseffekt: Temperaturreduktion an heissen Sommertagen
  • Biodiversität: Lebensraum für Pflanzen und Insekten
  • Luftqualität: Bindung von Schadstoffen und Produktion von Sauerstoff
  • Schallschutz: Minderung der Lärmbelastung in dicht besiedelten Gebieten
  • Wasserhaushalt: Unterstützung der Regenwasserretention 

Projekt «GreenPV» im Überblick

  • Projektstart: Dezember 2021 
  • Projektende: Mitte 2024 
  • Budget: 300 000 Franken, finanziert vom Bundesamt für Energie (BFE), der Steiner Lab Foundation, sowie von den Städten Zürich und St. Gallen 
  • Leitung: Gianrico Settembrini 
  • Externe Partner: Epro Engineering, Ingold Gartenbau

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