KI-gestützte Risserkennung für Beton an EPFL getestet
Ein ehemaliger Student der ETH Lausanne (EPFL) hat im Rahmen seines Masterprojekts die Wirksamkeit von Künstlicher Intelligenz für die Bestimmung potenziell gefährlicher Risse in Betonbauwerken untersucht.
Quelle: 2024 EPFL/Alain Herzog - CC-BY-SA 4.0
Hugo Nick vor dem Chillon-Viadukt im Kanton Waadt.
Betonbrücken, Dämme, Tunnel und andere Infrastrukturen müssen regelmässig
auf ihren Zustand untersucht werden. Moderne Technologien könnten den
Prüfingenieuren diese Arbeit erleichtern. In seinem Masterprojekt widmete sich
der frühere EPFL-Student Hugo Nick der Frage, wie computergestützte Methoden in
diesem Zusammenhang am effektivsten eingesetzt werden könnten.
Das
Projekt wurde laut einer Mitteilung der EPFL mit dem Labor für
Konstruktionsbeton (IBETON) der Fakultät für Architektur, Bau- und
Umweltingenieurwesen (ENAC) durchgeführt. Dass in Stahlbeton Rissse entstehen,
die sich je nach Art der Belastung öffnen oder schliessen können, ist
normal, erklärt Enrique Corres Sojo, Doktorand am IBETON.
Automatische Risserkennungsmethoden
Der
schwierige Teil bestehe darin, zu wissen, ob ein Riss potenziell gefährlich
sei. Heutzutage inspizierten Ingenieure Bauwerke mit blossem Auge und einfachen
Messinstrumenten wie kleinen Linealen. Diese Methoden können laut Corres Sojo
aber manchmal ungenau sein. Zudem lassen sich diese in für die Inspektoren
schwer zugänglichen Bereichen nicht einsetzen.
Vor
diesem Hintergrund wurden bereits automatische Risserkennungsmethoden
entwickelt. Nick, der inzwischen sein Studium abgeschlossen hat und für ein
Walliser Bauunternehmen arbeitet, hat zwei dieser automatisierten Methoden
getestet – darunter auch eine, die an der EPFL erfunden wurde – und die Stärken
und Schwächen der beiden Verfahren bewertet.
Nachbildungen im kleinen Massstab
Die erste
Methode, die sogenannte digitale Bildkorrelation, wird hauptsächlich im Labor
durchgeführt und ist für ihre hohe Genauigkeit bekannt. Dabei werden kleine
oder grosse Nachbildungen von Betonstrukturen gebaut und mit Lasten belastet,
um künstliche Risse zu erzeugen. Die Ingenieure nehmen während des Prozesses
digitale Bilder auf, vom Zeitpunkt der ersten Belastung bis zum Bruch der
Struktur.
Diese Bilder durchlaufen eine spezielle Software, in der ein Algorithmus ein Basisbild, das vor dem Auftreten der Risse aufgenommen wurde, und ein zweites Bild, auf dem die Verformung sichtbar ist, analysiert und Referenzpunkte zwischen den Bildern identifiziert. Diese Informationen werden verwendet, um Verschiebungs- und Verformungsfelder für die Risse zu generieren, die einen Hinweis darauf geben, wie sich die Risse öffnen.
Quelle: 2024 EPFL/Alain Herzog - CC-BY-SA 4.0
Hugo Nick testet den «Finite-Segment Edge and Full Edge»-Ansatz mit seinem Smartphone.
Die
zweite Methode, der «Finite-Segment Edge and Full Edge»-Ansatz, wurde am Labor
für Erdbebeningenieurwesen und Strukturdynamik (EESD) der EPFL entwickelt.
Diese Methode befindet sich noch im Versuchsstadium und verlangt von den
Inspektoren, dass sie nur ein einziges Bild von einem Riss machen, den sie vor
Ort entdecken.
«Ein
Erkennungsalgorithmus analysiert dann das Bild mit Hilfe künstlicher
Intelligenz», erklärt Nick. «Der Algorithmus ist eigentlich ein neuronales
Netzwerk, das auf Tausenden von Bildern trainiert wurde und die Risserkennung
vorhersagen kann. Die Inspektoren beginnen, diese Methode in der Praxis zu
testen, und sie hat mehrere Vorteile.»
Mit Handy aufgenommene Bilder
Im
Rahmen seiner Arbeit wollte Nick die Möglichkeiten dieser zweiten Methode
dokumentieren. Insbesondere wollte er herausfinden, welche Arten von Kameras
verwendet werden können, wie viele Pixel das Riss-Bild haben und wie weit das
Bild entfernt aufgenommen werden sollte, um optimale Ergebnisse zu
erzielen.
Dabei
fand der Student heraus, dass der Algorithmus korrekt funktioniert, wenn die
Rissöffnung eine Auflösung von mindestens drei Pixeln hat, und dass die
Genauigkeit des Algorithmus von der Pixelgrösse abhängt. «Ich habe errechnet,
dass ich die Kamera 35 Zentimeter weit weg halten muss, um genaue Messwerte für
einen 0,3 Millimeter grossen Riss zu erhalten», sagt Nick.
Seine Tests
bestätigten, dass es sich um eine vielversprechende Methode handelt, da sie
einfach zu bedienen ist, mit einem Handy eingesetzt werden kann und – mit Hilfe
von Drohnen – auch für schwer zugängliche Bereiche geeignet ist. Allerdings
muss die Genauigkeit des Algorithmus noch verbessert werden, insbesondere bei
sehr kleinen Rissen. Insgesamt ist gemäss Mitteilung die erste Methode – die
digitale Bildkorrelation – aber zuverlässiger.
Künftig
würden diese Methoden dabei helfen, umfassendere Daten über den allgemeinen
Zustand von Stahlbetonbauten zu sammeln. «Durch den Einsatz automatischer
Risserkennungssysteme können wir die Zahl der Fehler und Ungenauigkeiten
reduzieren und die Inspektionen schneller und präziser machen», sagt Nick. «Es
bedarf aber weiterer Forschung, um eine zuverlässige Methode zu entwickeln, mit
der sich die Gefährlichkeit eines Risses an Ort und Stelle bestimmen lässt.»
(Autor: Rebecca Mosimann, EPFL / Bearbeitung Redaktion: pb)