11:07 BAUPRAXIS

Hyparschale in Magdeburg: Welterste Sanierung mit Carbonbeton

Geschrieben von: Robert Mehl (rm)
Teaserbild-Quelle: Robert Mehl

Die von Ulrich Müther in Magdeburg geschaffene Hyparschale, eine denkmalgeschützte Betonkonstruktion, wird aktuell umfassend saniert. Als Weltpremiere wird ihr doppelt gekrümmtes Schalendach mit Carbonbeton ertüchtigt.

Das bekannteste noch stehende Gebäude von Ulrich Müther dürfte die Rettungsstation von Binz auf Rügen sein: Eine sinnfällige Blobb-Architektur der 1970er-Jahre. Insgesamt schuf der grosse Konstrukteur der DDR 74 Schalenbauwerke. Auch das im Jahr 2000 abgerissene Berliner «Ahornblatt», eine «Grossgaststätte» – heute würde man sagen eine öffentliche Kantine – an der Kreuzung Gertrudenstrasse/Fischerinsel dürfte vielen noch ein Begriff sein. 

Die 1969 realisierte Magdeburger Hyparschale (ein Begriff, den Müther anstatt dem sperrigeren «Hyperbolischen Paraboloid» prägte) ist der ältere Bau eines Zwillingspärchens. Der andere, drei Jahre jüngere und etwas kleinere ist das Dresdener Ruderzentrum Blasewitz.

Beide Bauten bestehen aus vier hyperbolischen Paraboloiden, die zu einem Quadrat angeordnet sind. Im Grunde erinnert ihre Konstruktion vage an das Kinderfaltspiel «Himmel und Hölle». Auch das Pappbastelwerk basiert auf einer quadratischen Grundfläche mit weit aussen liegenden Hochpunkten, in diese werden die Finger zum Bewegen hineingeführt. 

Getrennt sind diese vier Höcker von zwei Falzkanten, die im rechten Winkel zueinander verlaufen. Bei der Magdeburger Hyparschale, befinden sich auf diesen Linien Oberlichtbänder, die ursprünglich in Glasbausteinen ausgeführt wurden, nach der Sanierung aber als Glasdächer angelegt sein werden.

Hyparschale in Magdeburg

Quelle: Robert Mehl

Die 1969 erbaute Hyparschale in Magdeburg gehört zu den rund 50 noch bestehenden Schalenbauten von Ulrich Müther, der die Architekturmoderne in der DDR prägte.

Maximaler Tageslichteintrag

Bei beiden Hallenbauten liegen die Firstpunkte ganz in den Gebäudeecken, ihre leicht gekrümmten Dachflächen fallen zur Mitte hin ab. Die Traufpunkte liegen in den Fassadenmittelachsen. An diesen Punkten springen Zuganker diagonal vor und leiten die Druckkräfte in den Untergrund ab. Ein Zugseilkanal schliesst analog zu einer Bogensehne die Druckkräfte mit der gegenüberliegenden Seite kurz. Infolge der doppelten Dachkrümmung liegt das Zentrum der Vierfachschale höher als die äusseren Traufpunkte und bildet eine Vierung. Vor allem über die vollverglasten Fassadenecken wollte Müther einen maximalen Tageslichteintrag erreichen.

Spektakulär war die ursprüngliche Betonage der Dachschalen, die auch damals in Spritzbeton erstellt wurden. Die Bauweise wurde seinerzeit noch nach dem Erfinder und Hersteller der Spritzpumpen «Torkretverfahren» genannt. Aufgebracht wurde die nur sieben Zentimeter starke Betonschicht auf eine hölzerne Tragschalung, die Betonage jeder Teilschale in einem Guss – ganz ohne Betonierabschnitte. Stolz erinnern sich Handwerker in dem MDR-Dokumentarfilm «Schwung statt Platte» an die einstigen anstrengenden Arbeiten und resümieren: «Wenn ein Betonarbeiter nach zwölf Stunden umfiel, kam der nächste und nahm ihm buchstäblich die Spritze aus der Hand!»

Die vollkommen stützenfreie, 48 mal 48 Meter grosse Halle war seit 1997 ungenutzt und tendierte zum Verfall, und noch immer steht auf der südöstlichen Teilschale eine kleine Birke, die die Handwerker augenzwinkernd dulden. Die Magdeburger Hyparschale wird nunmehr nach einem Sanierungskonzept von den gmp Architekten aus Hamburg instand gesetzt, wobei dem Erhalt des Innenraums eine Schlüsselbedeutung zukommt.

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