Potenzial zum Hightech-Werkstoff: Destabilisierung macht Holz stabiler
Ein Team der Empa und der ETH hat ein Holzmaterial entwickelt, das sich beliebig verformen lässt und dreimal stärker als natürliches Holz ist. Paradox dabei: Die Forscher entziehen dem Werkstoff genau jenen Teil, der ihm in der Natur seine Stabilität verleiht: Lignin.
Quelle: Empa / ETH Zürich
Erste Produktideen mit dem neuen Hightech-Werkstoff hat die Designerin Meri Zirkelbach im Rahmen ihrer Masterarbeit umgesetzt. Im Bild: Ein Velohelm aus delignifiziertem Holz.
In Anbetracht der aktuellen Klima-Diskussion stelle sich die Frage, wie Holz noch mehr und noch besser genutzt werden könne, wie die Empa in einer Mitteilung von Montag schreibt. Eine Forschungsgruppe von Ingo Burgert an der Empa und der ETH Zürich geht dieser Frage seit Jahren nach. Ihr Ziel ist es, die natürlichen Eigenschaften von Holz zu verbessern und es gleichzeitig mit neuen Funktionen auszustatten.
In Zusammenarbeit mit Tanja Zimmermann, Leiterin des Empa-Departements «Functional Materials» hat Ingo Burkert in der Unit «Vision Wood» im Forschungsgebäude Nest bereits verschiedenste Holzprojekte realisiert. Zum Beispiel Türgriffe aus antimikrobiellem Holz, mineralisiertes Holz für verbesserten Brandschutz oder eine Pinnwand aus magnetisiertem Holz.
Bei letzterer Entwicklung gebe es noch Luft nach oben, wie die Empa weiter mitteilt. Die jüngsten Forschungen der Gruppe «Wood Material Science» der ETH Zürich und der Empa eröffnen dazu nun neue Möglichkeiten. Sie hätten einen Weg gefunden, wie die mechanischen Eigenschaften von Holz deutlich verbessert und es gleichzeitig noch einfacher mit neuen Eigenschaften ausgestattet werden könne, wie Ingo Burgert in der Mitteilung zitiert wird.
Holz-Paradoxon
Möglich wird das durch eine «Delignifizierung» und Verdichtung des Holzes. Denn der älteste Werkstoff der Welt besteht chemisch aus drei Bestandteilen: Zellulose, Hemizellulose und Lignin. Letzteres sorge dafür, dass die langen Zellulosefibrillen im Holz stabilisiert werden und nicht knicken. Und genau dieser natürliche Klebstoff wurde durch die Forschergruppe mit Hilfe von Säure entfernt.
Das Resultat: Die zurückbleibende weisse Zellulose lässt sich im nassen Zustand in jede X-beliebige Form bringen. Dies wird durch Wasser möglich, das sich in den Zellen verteilt, wo einst Lignin für Stabilität gesorgt hat. Dadurch werden die Zellverbindungen aufgelöst und die Verformbarkeit möglich. Wird das delignifizierte Holz anschliessend wieder getrocknet, verhaken sich die Zellen ineinander und sorgen wiederum für stabile Verbindungen.
Durch das Pressen des Materials wird dieses zusätzlich verdichtet und wird so laut der Empa rund dreimal steifer und zugfester als naturbelassenes Fichtenholz. Durch eine wasserabweisende Beschichtung könne ausserdem verhindert werden, dass das Holzinnere wieder feucht wird und das Material somit die gewünschte Form beibehält.
Quelle: Empa / ETH Zürich
Durch die Entfernung des Lignins verliert das Holz seine Farbe und ist nach dem Verdichten dreimal stärker als das Ursprungsmaterial.
Potenzial in Automobilindustrie
Mit der Delignifizierung geht neben der Verformbarkeit ein weiterer Vorteil einher: Es führt zu einer höheren Porosität. Dadurch können die Forschenden das modifizierte Holz wesentlich einfacher um neue Eigenschaften erweitern. Bei der magnetisierung von Holz wird beispielsweise Eisenoxid eingebracht. Anhand von Experimenten konnte die Gruppe nachweisen, dass sich das Holz ohne Lignin deutlich besser magnetisieren lässt als natürliches Holz.
Potenzial für konkrete Anwendungen sieht die Forschungsgruppe vor allem in der Automobil-, der Aviatik- und der Möbelindustrie. Erste Produktideen mit dem neuen Hightech-Werkstoff hat die Designerin Meri Zirkelbach im Rahmen ihrer Masterarbeit umgesetzt. So entstanden unter anderem ein Velohelm, eine Innenverkleidung einer Autotür und ein Seitenspiegel eines Fahrzeugs. (mgt/pb)
Zur Mitteilung der Empa:www.empa.ch/web/s604/holz-paradox