Forscher stellen neues Verfahren für Zement-Recycling vor
Forscher der Universität Cambridge haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem Zement in grossem Massstab recycelt und emissionsarmer Beton hergestellt werden kann. – Der bereits einmal gebrauchte Zement dient dabei als Flusskalk-Ersatz im Stahlrecycling.
Quelle: Yasin Hemmati, Unsplash
Das Recycling von Stahl und Zement lässt sich im neuen Verfahren koppeln.
Ein Drittel aller weltweiten Emissionen wird von der Industrie verursacht.
«Die Hälfte davon entstammt aus zwei Materialien: Stahl und Zement», sagt
Julien Allwood, Professor für Ingenieurwesen und Umwelt an der Universität
Cambridge. So gehen etwa 7,5 Prozent der weltweiten menschengemachten
CO2-Emissionen auf das Konto der Zementherstellung.
Zement ist
der Bestandteil, der dem Beton seine wesentlichen Eigenschaften verleiht:
Festigkeit, Dauerhaftigkeit und Robustheit. Das Bindemittel besteht in erster
Linie aus Kalkstein, Ton oder Mergel. Werden diese Stoffe und Mineralien bei
bis zu 1450 Grad Celcius gebrannt, entsteht Klinker. Dieses Vorprodukt ist der
Hauptbestandteil von Zement und wirkt sich besonders schädlich auf das Klima
aus, da beim Verfahren grosse Mengen CO2 freigesetzt werden. Allwood: «Die
Industrie hat in den letzten 20 Jahren daran gearbeitet, Klinker besser zu
nutzen.» Dies geschieht etwa, indem man ihn mit anderen Materialien mischt und
so seine Menge reduziert. «Es gibt aber keinen Ersatz für den Wirkstoff selbst,
und das ist das grundlegende Problem bei der Beton-Dekarbonisierung.»
In den letzten zehn Jahren haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler laut Allwood Ersatzstoffe für Zement untersucht und dabei festgestellt, dass sich etwa die Hälfte des Zements im Beton mit alternativen Materialien ersetzen lässt, zum Beispiel mit Flugasche. Damit diese Alternativen aushärten können, müssen sie jedoch durch den verbleibenden Zement chemisch aktiviert werden.
Ganz ohne den Wirkstoff geht es also nicht. «Es ist auch eine Frage des Volumens – wir haben nicht genug von diesen Alternativen, um mit der weltweiten Zementnachfrage Schritt zu halten», erklärt der Professor. Die «tief hängenden Früchte» für einen reduzierten Zementverbrauch seien durch sorgfältiges Mischen und Vermengen bereits identifiziert worden. «Aber um den ganzen Weg zu Null-Emissionen zu gehen, müssen wir anfangen, über den Tellerrand zu blicken.»
Quelle: Screenshot, Video, University of Cambridge
Der Beton wird so stark zerkleinert, dass sich der alte Zement vom Sand und den Steinen trennt und sich daraus eine Art Pulver ergibt. Die Forscher nennen das Material «Cement Paste».
Quelle: Materials Processing Institute
Im Elektrostahlwerk des Materials Processing Institute im britischen Middlesbrough testeten die Forscher für ihr Verfahren verschiedene Arten von Schlacken.
Zement- und Stahlrecycling koppeln
In einer im Fachmagazin «Nature»
veröffentlichen Studie beschreiben Cyrille Dunant, Shiju Joseph, Rohit
Prajapati und Julian Allwood von der Cambridge Universität nun ein neues
Verfahren, mit dem sich gebrauchter Zement in grossem Massstab wiederverwerten
lässt und damit auch die CO2-Emissionen bei der Betonherstellung reduziert
werden können. «Unser Verfahren beginnt mit dem Rückbau eines alten
Betongebäudes», erläutert Allwood in einem Video. Der Beton wird dabei so stark
zerkleinert, dass sich der alte Zement vom Sand und den Steinen löst und dabei
zu einer Art Pulver wird. Diese gewonnene «Cement Paste», wie die Forscher das
Material nennen, wird dann in einem Lichtbogenofen weiterverarbeitet, in dem
gleichzeitig auch Stahl recycelt wird.
Erstautor Cyrille Dunant hatte bereits aus
früheren Arbeiten die vage Vorstellung, dass, wenn es möglich wäre, alten Beton
zu zerkleinern und dabei den Sand und die Steine zu entfernen, der Zement durch
Erhitzen das Wasser entfernen und dann wieder Klinker bilden würde. «Ein Bad
aus flüssigem Metall würde diese chemische Reaktion begünstigen, und ein
elektrischer Lichtbogenofen, der für das Recycling von Stahl verwendet wird,
schien eine gute Möglichkeit zu sein.» Das Forscherteam testete Dunants
Vermutung schliesslich – mit Erfolg.
Wird Stahl oder Metall neu eingeschmolzen,
braucht es ein Flussmittel, das durch den geschmolzenen Stahl sprudelt, ihn
reinigt und eine Schutzschicht auf der Oberseite bildet, damit der neue Stahl
nicht mit der Luft in Berührung kommt. Hier kommt die «Cement Paste» ins Spiel;
sie kann als Ersatz für Flusskalk genutzt werden, der im Stahlrecycling verwendet
wird und normalerweise als Abfallprodukt, respektive Schlacke, anfällt. «Es hat
sich herausgestellt, dass das für die Stahlhersteller perfekt funktioniert», so
Allwood. Im Zuge des Prozesses mit der «Cement Paste» als Flussmittel bildet
sich auch eine Schlacke. Diese liegt oben auf dem Stahl auf und kann «geerntet»
werden. Wird das gewonnene Material daraufhin abgekühlt, verwandelt es sich in
neuen Zement.
Im Elektrostahlwerk des Materials Processing Institute im britischen Middlesbrough testeten die Forscher für ihr Verfahren verschiedene Arten von Schlacken, die aus Abbruchmaterial hergestellt und mit Kalk, Tonerde und Kieselerde versetzt wurden. «Wir haben festgestellt, dass die Kombination aus Zementklinker und Eisenoxid eine hervorragende Stahlschlacke ist, weil sie gut schäumt und fliesst», so Dunant. «Und wenn man das richtige Gleichgewicht findet und die Schlacke schnell genug abkühlt, erhält man reaktivierten Zement, ohne dass der Stahlherstellungsprozess zusätzliche Kosten verursacht.»
Im Vergleich zu herkömmlichem Zement erhält die recycelte Variante zwar einen höheren Anteil an Eisenoxid, doch dies hat laut den Forschern kaum Auswirkungen auf die Leistung. Für die Beton- und Stahlproduktion entstünden keine nennenswerten zusätzlichen Kosten. Zudem verringerten sich die Emissionen von Beton und Stahl mit dem Verfahren, da weniger Kalk benötigt werde. Wird der Lichtbogenofen zusätzlich mit erneuerbarer Energie betrieben, wäre es mit der neuen Recyclingmethode in Zukunft denn auch möglich, emissionsfreien Zement herzustellen.
Patent bereits angemeldet
Da das Team an der Universität Cambridge
keine Möglichkeit hat, das Verfahren in grossem Massstab zu testen, unterstützt
das Materials Processing Institute als Projektpartner. Dort wird der Prozess
hochskaliert – mit einem Ofen, der etwa sechs Tonnen Stahl fassen kann. Aktuell
finden dazu die ersten Versuche im industriellen Massstab statt, bei denen in
zwei Stunden rund 60 Tonnen des Materials hergestellt werden. «Wir glauben,
dass wir innerhalb von zehn Jahren etwa ein Drittel des Zementbedarfs im
Vereinigten Königreich decken könnten», sagt Cyrille Dunant. Die Forscher erwarten,
dass der recycelte Zement aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung genauso
haltbar ist, wie neuer im Werk hergestellter Zement.
Das Team sei begeistert von der Innovation, so Julien Allwood. Der Professor betont aber, dass die weltweit verwendete Menge an Zement und Beton dennoch reduziert werden muss. «Beton ist billig, stark und kann fast überall eingesetzt werden, aber wir verwenden viel zu viel davon.» Für eine Reduktion müsse aber der politische Wille vorhanden sein. Man müsse abwarten, ob sich der vorgeschlagene Prozess für das Zementrecycling tatsächlich so gut skalieren lasse, wie vermutet. «Es sieht aber so aus, als ob dies wirklich ein Weg sein könnte, um einen Durchbruch bei diesem schwierigen Emissionsproblem zu erzielen.» Das Patent auf das Verfahren für den «Cambridge Electric Cement» ist bereits angemeldet.
Literaturhinweis
Die Studie wurde kürzlich im Fachmagazin «Nature» veröffentlicht.
«Electric recycling of Portland cement at scale»
Cyrille F. Dunant, Shiju Joseph, Rohit Prajapati, Julian M. Allwood