08:28 BAUPRAXIS

Ein Rechenzentrum aus dem 3D-Drucker in Heidelberg

Geschrieben von: Ben Kron (bk)
Teaserbild-Quelle: Krausgruppe

Ein Haus aus dem 3D-Drucker ist inzwischen keine Schlagzeile mehr wert. Ein 54 Meter langer -Gewerbebau aus dem 3D-Drucker, wie er derzeit in der deutschen Stadt Heidelberg entsteht, ist hingegen ein neuer Europarekord.

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Quelle: SSV Architekten

Das neue Serverhotel der lokal ansässigen Krausgruppe im Endzustand: Ab Juli darf es sich das grösste gedruckte Gebäude Europas nennen.

Die deutsche «Krausgruppe» braucht Platz für ihre Server. Dies nutzt das Immobilienunternehmen aus, um einen ikonischen, Aufsehen erregenden Neubau zu errichten: In der Stadt Heidelberg wird zwischen April und Juli dieses Jahres ein 54 Meter langer, 11 Meter tiefer und neun Meter hoher Gewerbebau für ein IT-Serverhotel hochgezogen – per 3D-Drucker und mit gerade mal zwei Personen an dessen Steuerung.

Rezyklierbarer Spezialmörtel

Innert wenigen Wochen entsteht auf dem für das Rechenzentrum vorgesehenen Gelände, das früher das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Europa beherbergte, das aktuell grösste mit einem Printer hergestellte Gebäude des Kontinents. Wobei dieser Rekord aber bald wieder gebrochen werden dürfte.

Um ein Gebäude zu drucken, braucht es in einem ersten Schritt eine Bodenplatte. Auf dieser wird anschliessend ein Metallrahmen fest installiert, auf dem sich der Portaldrucker über alle drei Achsen und an jede beliebige Position bewegen kann. Auf diese Weise muss er für den Einsatz nur einmal kalibriert werden.

Der in Heidelberg verwendete Drucker kommt von der Peri GmbH, die Drucktechnologie stellt das dänische Spezialbauunternehmen Cobod, und die lokal ansässige Heidelberg Materials liefert die rund 450 Tonnen Beton. Genauer gesagt handelt es sich dabei um einen zu hundert Prozent rezyklierbaren Spezialmörtel, der ein CO2-optimiertes Bindemittel enthält. Gemäss Hersteller verursacht dieser Baustoff 55 Prozent weniger Kohlendioxyd-Emissionen als herkömmlicher Portlandzement.

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Quelle: Krausgruppe

Baustelle in Heidelberg: Die vier Metallstützen ermöglichen es dem Drucker, an jede beliebige Position zu fahren.

Pump- und extrudierbar

«Der für den 3D-Druck entwickelte Mörtel muss gut pumpbar und extrudierbar sein», erklärt eine Expertin der Heidelberg Materials gegenüber den Medien. «Zudem muss er schnell eine ausreichende Tragfähigkeit bilden, damit die unteren Schichten nicht unter der Last der oberen Schichten versagen. Hierbei muss gleichzeitig der Verbund zwischen den Schichten sichergestellt sein.»

Die Peri GmbH gehört in Deutschland zu den Pionieren der Drucktechnik für Gebäude: Bereits im Herbst 2020 realisierte das Unternehmen so etwa im westfälischen Beckum das erste geprintete Wohnhaus des Landes, ein immerhin zweigeschossiges Einfamilienhaus. Ein Jahr darauf realisierte Peri dann im Ortsteil Wallenhausen der bayerischen Stadt Weissenhorn ein Mehrfamilienhaus mit Hilfe des Portaldruckers.

In Heidelberg formt der Peri-Drucker die Aussenmauern und die Wände des zukünftigen Rechenzentrums, indem er – vereinfacht gesagt – Betonwurst über Betonwurst legt. Die Aussenmauern des Gebäudes bestehen aus drei je sechs Zentimeter dicken Schalen, einer äusseren Wetterschale und zwei Innenschalen, die sich während des Druckvorgangs miteinander verbinden.

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Quelle: Aleksej Keksel / Heidelberg Materials

Charakteristisch: Die mit 3D gedruckte Mauer sieht aus, als hätte sie einen Kammzugputz erhalten.

Drucker liebt Rundungen

Während des Drucks des Neubaus, der im April begann, werden die Ergebnisse per Kamera überwacht. Der Druck erfolgt jeweils in dünnen Schichten. Deshalb sieht die Fassade am Ende auch so aus, als habe sie einen Kammzugputz erhalten. Neben den Fensteröffnungen erhält die Fassade zudem einige Schmuckstrukturen.

Diese lassen sich ganz einfach durch die Steuerung der Druckdüse erzeugen. Auffallend an diesem, wie auch bei anderen 3D-gedruckten Gebäuden, sind die fehlenden Kanten: Gemäss den zuständigen Ingenieuren fühlt sich der Drucker bei Rundungen zuhause, weshalb der Bau runde Ecken erhält. 

Das Gerät arbeitet mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde, womit es für einen Quadratmeter einer doppelschaligen Wand etwa fünf Minuten benötigt. Wobei man bei Peri betont, man drucke in Heidelberg nicht mit dem höchstmöglichen Tempo. «Wir wollen die Gelegenheit nutzen, weitere Erfahrungen im Alltagsbetrieb zu sammeln, die uns beim nächsten Druckprojekt helfen werden, das Kostensenkungspotenzial unserer Technologie weiter zu heben», so der zuständige Entwicklungsleiter.

Mehrfamilienhaus aus dem 3D-Drucker von Peri

Quelle: PERI AG

Bau des Mehrfamilienhauses in Weissenhorn: Betonwurst für Betonwurst zieht der 3D-Drucker eine Wand in die Höhe, und schafft eine Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde.

Von Hagelschauer überrascht

Hierbei ermöglicht das Gerät nicht nur eine grosse Freiheit im Design, bei einer entsprechenden Entwurfsplanung kann durch den Druck auch bis zu siebzig Prozent an Material eingespart werden. Die Technologie macht Baustellen ausserdem sicherer: Der Einsatz von Werkzeugen und die damit verbundene Unfallgefall wird deutlich verringert, und die Methode führt zu deutlich geringeren Lärm- und Staubemissionen.

Auffallend an der Baustelle in Heidelberg ist eine auf einer Höhe von rund fünf Metern installierte Einhausung, die man errichtet hat, um einen gewissen Wetterschutz zu haben. Denn wenn es mal wie aus Kesseln schütten sollte, unterbricht auch der 3D-Drucker seine Arbeit. Kürzlich wurde man denn auch von einem Hagelschauer überrascht, der auf dem frisch gedruckten Beton deutliche Spuren hinterliess. Diese liessen sich aber zum Glück wegretouchieren. Künftig will man indes ohne Wetterschutz arbeiten, so dass man mit dem Mörtel wird umgehen müssen, wie mit herkömmlichem Beton.

Peri druckt 3D-Druck-Wohnhaus in Tempe USA

Quelle: PERI AG

Auch in den USA realisierte Peri bereits 3D-Druck-Projekte. Im Bild: Einrichten des Druckers auf einer Baustelle in Tempe in Arizona für den Druck eines Einfamilienhauses. Die Kalibrierung des Geräts muss nur ein einziges Mal erfolgen.

Erstes öffentliches Gebäude

Obwohl das Projekt für alle Beteiligten Neuland bedeutet, sind sich auch alle darin einig, dass dieser Technologie und diesem Baumaterial die Zukunft gehört. So will Heidelberg Materials bereits 2030 für die Hälfte seiner Betonprodukte weltweit zirkuläre, also kreislauffähige, Alternativen anbieten.

Und das nächste grössere Bauprojekt mittels 3D-Betondruck ist auch schon in Realisierung, und es bedeutet nichts weniger als das erste gedruckte öffentliche Gebäude Deutschlands: In Nordkirchen in Nordrhein-Westfalen wächst das neue Vereinsheim des Sportclubs «Capelle 71» Wurst für Wurst in die Höhe. Der kleine Fussballverein, der sich in den Niederungen der Kreisklasse tummelt, findet sich dank des Projekts ein vermutlich einziges Mal in den Schlagzeilen.

3D-Druck beim «Nest»

Insgesamt bietet die 3D-Drucktechnologie Lösungen für die grossen aktuellen Probleme der Baubranche: der stagnierenden Produktivität, der Nachhaltigkeit, und dem Fachkräftemangel. So jubelt der Peri-Pressedienst: «Der Drucker als innovatives Gerät erhöht die Attraktivität des Bauunternehmens als Arbeitgeber und vereinfacht es, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen.»

Bereits vor vier Jahren kam auch in der Schweiz ein 3D-Drucker bei einem Bauprojekt zu einem ersten bescheidenen Einsatz: Beim Experimentalbau «Nest» der Empa in Dübendorf, das weitgehend digital entworfen und geplant wurde, kam neben Robotern, die Holzmodule zusammensetzten, auch ein solcher Drucker zum Einsatz. Er produzierte damals die Schalung für eine Geschossdecke.

Linktipps

Homepage des Kraus-Projekts Heidelberg: www.kraus-heidelberg.de
Homepage des Projekts Capelle: 3d-capelle.de

Geschrieben von

Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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