Drei Wege zu einer effizienteren Nutzung der Ressource Wasser
Städte müssen nachhaltiger werden und ihre Wasserressourcen effizienter nutzen. Ein neues Weissbuch der Eawag, Universität Berkeley und BlueTech Research zeigt, wie dies mit innovativen Ansätzen gelingen kann und illustriert dies mit Beispielen von Bengaluru bis Genf.
Quelle: aitoff, Pixabay-Lizenz
Die Ressource Abwasser ist kostbar. Die Eawag weist in einem Weissbuch den drei Wege zu einer nachhaltigen Nutzung von Abwasser.
Der Klimawandel, knapper werdende Wasserressourcen und die rasant wachsende Stadtbevölkerung machen ein Umdenken in der Siedlungswasserwirtschaft nötig: Auf der ganzen Welt kämpfen Grossstädte mit wiederkehrenden Wasserkrisen. «Wir brauchen neue Wege, um die Widerstandskraft von Städten gegen zunehmende Dürreprobleme zu erhöhen», sagt Christian Binz, Gruppenleiter im Departement Umweltsozialwissenschaften am Wasserforschungsinstitut Eawag. «Eine Lösung ist es, das Wasser lokal zu recyceln. Das schafft während Dürreperioden eine zusätzliche verlässliche Wasserquelle, zum Beispiel in Metropolen in Indien, Afrika und zunehmend auch Nordamerika. Aber auch das Recyceln von im Abwasser enthaltenen Ressourcen wie Energie und Nährstoffen wird immer wichtiger.»
Die Eawag entwickelt seit über 20 Jahren im Rahmen mehrerer Forschungsprogramme zukunftsfähige Lösungen, mit denen Wasser und die in ihm enthaltenen Ressourcen in kleinräumigen Kreisläufen zu bewirtschaftet werden können. Zudem forscht das Institut in interdisziplinären Teams wie die neuen Technologien in die Praxis überführt werden können. Dazu untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Grossstädte unterschiedlichster Weltregionen, die in den letzten Jahren erfolgreich zirkuläre Wege in der Siedlungswasserwirtschaft eingeschlagen haben: Bengaluru, San Francisco, Hamburg, Paris, Genf und Helsingborg.
«Wir haben gemerkt, dass viele spannende Lösungen für die zirkuläre Wasser- und Abwasserbehandlung rund um den Globus bereits in Betrieb sind», erklärt Binz. «Die Akteure sind jedoch noch kaum vernetzt.» Darum lud die Eawag im Sommer letzten Jahres zusammen mit der kalifornischen Universität Berkeley und dem Beratungsunternehmen «BlueTech Research» führende Expertinnen und Experten aus Städten, Firmen, internationalen Wasserorganisationen sowie Investoren wie die Weltbank zu einem Workshop nach Dübendorf ein.
Die Ergebnisse hat die Eawag in einem Weissbuch «Mainstreaming Decentralized Urban Water Management Solutions for Sustainable Cities» zusammengefasst. Herzstück des Bericht bilden neben der Beschreibung der Leuchtturmstädte drei Roadmaps. Sie zeigen drei unterschiedliche Wege zur breiten Umsetzung von zirkulären Wasserlösungen auf:
- Wiederverwendung von Brauchwasser auf Gebäudeebene
- Ressourcenrückgewinnung auf Quartierebene
- dezentrales Nährstoffrecycling
«Wir wollen mit dem Workshop und dem Weissbuch ein internationales Netzwerk aufbauen, über das sich Ideen und Wissen zu zirkulären Wasserlösungen weltweit verbreiten können», sagt Christian Binz, Hauptorganisator des Workshops. Das heisst, die «Leuchtturmstädte» sollen Stadtplanungsfachleute inspirieren, neue Ansätze bei der Entwicklung lokaler Infrastrukturen zu verwenden. Ziel sei es, dass nicht jede Stadt von Null anfangen müsse, wenn sie innovative Wassersysteme planen, bauen und betreiben wolle, so Binz.
San Francisco und Bengaluru
Ein Weg zu einer zirkulären Wasserwirtschaft besteht darin, einzelne Gebäude mit eigenen Kleinkläranlagen auszustatten, das Wasser direkt vor Ort zu behandeln und lokal wiederzuverwenden. Wichtige Schritte dieser Roadmap sind es, die bereits vorhandenen Technologien zu standardisieren, ihre Kosten für Herstellung, Betrieb und Wartung zu senken, sie grossflächig auf den Markt zu bringen und Gebäudeeigentümer von ihren Vorteilen zu überzeugen. Zwei Grossstädte, die diesen Weg gehen, sind San Francisco und Bengaluru.
San Franciscos «Onsite Water Reuse System Program» wurde
2012 eingeführt, um die Stadt resilienter gegen wiederkehrende Dürreperioden zu
machen. Die städtische Vorschrift wurde mehrmals verschärft. Zuletzt geschah
dies im Jahr 2021, als die Wiederverwendung von Wasser vor Ort in Gewerbe-,
Mehrfamilien- und gemischt genutzten Gebäuden mit einer Fläche von über 9200 Quadratmeter
obligatorisch geworden war. Um das Vertrauen in «Onsite Recycling»-Systeme zu
stärken, bietet die Stadt den Beteiligten einerseits auf lokaler Ebene und
andererseits im Rahmen einer Partnerschaft der National Blue Ribbon Commission
mit 15 anderen Bundesstaaten technische Unterstützung an.
Aufbereitetes Brauchwasser wird zur Toilettenspülung, zum Wäschewaschen, oder
zur Bewässerung wiederverwendet. Derzeit sind 43 Anlagen in Betrieb und weitere
66 Anlagen im Genehmigungsverfahren. Die Stadt hat bewiesen, dass lokale
Wasserrecyclingsysteme professionell verwaltet, gut reguliert und sicher
betrieben werden können. «Allein im Jahr 2023 wird San Francisco
schätzungsweise 170 Millionen Liter Trinkwasser einsparen, was dem jährlichen
Wasserverbrauch von etwa 3000 Einwohnern entspricht, und im Jahr 2040 wird die
jährliche Wassereinsparung dem Verbrauch von etwa 30.000 Einwohnern entsprechen»,
erklärt Paula Kehoe, San Franciscos Direktorin für Wasserressourcen. Und sie
fügt hinzu: «Gut durchgeführte Programme zur lokalen Wiederverwendung von
Wasser helfen uns, unsere knappen Wasserressourcen nachhaltig zu managen,
insbesondere in Dürrejahren.»
Einiges dramatischer ist die Wassersituation in Bengaluru: In der indischen
Megacity ist Wasser schon heute extrem knapp, eine Häufung von Dürrperioden heizt
die Lage weiter an, während pro Jahr etwa 500'000 Menschen in die Stadt ziehen.
Ganzen Gebäudekomplexen geht aktuell das Wasser aus. Es ist jedoch unmöglich,
in vernünftiger Zeit weiterverzweigte Leitungs- und Kanalsysteme für die
Trinkwasserversorgung oder Abwasserentsorgung zu planen, geschweige denn zu
bauen. «Wir müssen das Abwasser direkt vor Ort aufbereiten und in kleinen
Kreisläufen wiederverwenden. Und zwar nicht nur als Brauchwasser, sondern in
Zukunft möglicherweise auch als Trinkwasser», sagt Shreya Nath, Projektleiterin
bei der NGO «WELL Labs» in Bengaluru. «Das ist hier in Dürreperioden zunehmend
die einzige Möglichkeit, um die Bevölkerung verlässlich mit Wasser zu
versorgen».
Aus diesem Grund müssen in der Metropole alle neuen Wohngebäude ab einer
gewissen Grösse über Systeme für die Abwasserbehandlung und -wiederverwendung verfügen.
Aktuell sind über 3000 Systeme im Betrieb und rezyklieren rund 20 Prozent des
städtischen Abwassers. In der Stadt ist auch ein Markt für dezentral
aufbereitetes Abwasser entstanden: Firmen bieten Lösungen an, die es ganzen Wohnblocks
ermöglichen, ihr aufbereitetes Abwasser zum Beispiel an Wäschereien, Baustellen
oder Industrien in der Nachbarschaft zu verkaufen.
Quelle: Johan Miörner / zVg Eawag
Dezentrale Wasserwiederverwendungsanlage in einem Krankenhaus in Bengaluru.
Hamburg und Helsingborg
Ein zweiter Weg für das urbane Wassermanagement ist der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft auf der Ebene von Stadtquartieren. Die wichtigste Komponente bei diesem Ansatz ist die Trennung von Abfallströmen, zum Beispiel Regenwasser, Urin, Grauwasser und Schwarzwasser, direkt an der Quelle und deren gezielte Aufbereitung im Quartier. So können nebst Brauchwasser auch Elektrizität, Dünger und Wärme produziert werden. Die Verbreitung dieses Ansatzes hängt im Gegensatz zum vorangehenden nicht von Gebäudebesitzern ab, sondern von städtischen Versorgungsunternehmen, Veränderungen in der städtischen Politik, sowie der Entwicklung von neuen Strategien bei Immobilien-Entwicklern. Für Hamburg und Helsingborg war die Vision von «Netto Null» Treibhausgasemissionen die zentrale Motivation, diesen Weg einzuschlagen.
Die Jenfelder Au in Hamburg, ein Quartier mit 640 Wohnungen und 1500 Bewohnerinnen und Bewohnern, ist das grösste Wohngebiet in Europa, welches seit 2017 mit diesem Ansatz sein Abwasser managt. Das Quartier H+ in Helsingborg mit 900 Menschen in 340 Wohnungen sowie 32'000 m2 Büroflächen besteht seit 2020 und recycelt ebenfalls Wasser, Nährstoffe und Energie aus Abwasser. Helsingborg sammelt zudem Essensreste, um Biogas zu produzieren, welcher als Treibstoff für den öffentlichen Verkehr genutzt wird. «Wenn man nachhaltige Städte bauen will, muss man ganze Stadtbezirke und ihre Stoffflüsse ganzheitlich überdenken», sagt Hamse Kjerstadius, Projektleiter beim kommunalen Abwasserentsorger NSVA. «Wenn man die Kreisläufe von Nährstoffen, Energie, Wärme und Wasser integrativ schliessen will, muss das Silodenken in den Versorgungs- und Stadtplanungsabteilungen auf kreative Weise überbrückt werden.»
Genf und Paris
Noch einen Schritt weiter geht der dritte Weg: Hier liegt der Fokus auf den im Abwasser enthaltenen Nährstoffen. Er führt damit gewissermassen über die Stadtgrenzen hinaus und integriert die Landwirtschaft in und um die Städte. Das Ziel dabei: 80 Prozent der wichtigsten Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Kalium aus dem städtischen Abwasserströmen zurückzugewinnen und zum Beispiel als Dünger oder Bio-Humus zu nutzen. Allerdings setzt dies einerseits voraus, dass Abwasserströme in den Haushalten an der Quelle getrennt werden, zum Beispiel durch die Nutzung von NoMix-Toiletten. Andererseits müssen die Endnutzerinnen und -nutzer in den Städten und der lokalen Landwirtschaft mit ins Boot geholt werden.
Dieser Weg sei aufgrund des hohen Koordinationsaufwands noch in einem früheren Entwicklungsstand, hat aber auch grosses Zukunftspotential, schriebt die Eawag. Zwei Städte, die diesen Weg bereits gehen, sind Genf und Paris. Seit mehr als einem Jahrzehnt zeigt Genf mit der Genossenschaft Coopérative Équilibre, wie ein kleinräumiges Nährstoffmanagement funktioniert: Die Genossenschaft hat dazu in drei Wohnprojekten Kompost-Toilettensysteme eingerichtet, die heute von Haus-Kooperativen betrieben werden. Urin und Fäkalien der Wohnprojekte mit 400 bis zu über 1300 Personen werden zu Dünger, Kompost und Giesswasser wiederverwertet und in den umliegenden Gärten verwendet.
Im Gegensatz zum Genfer «Bottom-up-Projekt» führt in Paris die Stadtverwaltung ein innovatives Stadtentwicklungsprojekt im Viertel Saint-Vincent-de-Paul durch: Hier entsteht seit 2018 ein Öko-Viertel mit rund 600 Wohnungen, Geschäften und anderen Einrichtungen mit zirkulären Infrastruktursystemen. Hier wird der Urin mittels Trenntoiletten separat gesammelt und in lokalen Anlagen zu Dünger weiterverarbeitet. Dieser wiederum wird vom städtischen Umweltdepartement für die Grünflächen der Stadt genutzt. Der Bau solle bald abgeschlossen werden, schreibt die Eawag. Um letztendlich mehr als 4000 Menschen an das lokale Urinseparierungssystem anzuschliessen. (mai/mgt)
Weiterführende Links zum Thema:
Hier geht es zum Whitepaper Mainstreaming Decentralized Urban Water Management Solutions for Sustainable Cities
Weitere Informationen zur Forschung der Eawag im Bereich der zentralen und dezentralen Abwasseraufbereitung
Weitere Informationen zum "WaterReuseLab"-Projekt in Bengaluru
Den Text im Original lesen: www.eawag.ch