Der Rheinfall ruft …
Die Touristendestination Schloss Laufen kämpft seit Jahren gegen Besucherschwund. Um diese Entwicklung aufzuhalten, hat der Kanton Zürich eine umfassende Sanierung eingeleitet. Neu ist nicht nur die Liftanlage, sondern auch ein Erlebnispfad. Dafür wendet der Kanton Zürich rund 14 Millionen Franken auf.
Der Rheinfall bei Schaffhausen ist nicht nur einer der wasserreichsten und grössten Wasserfälle Europas, sondern auch berühmt für seine Geräuschkulisse. Sein Donner – das Wasser stürzt auf 150 Metern Breite 21 Meter in die Tiefe – ist bis zu 15 Kilometer weit hörbar. Seit eineinhalb Jahren jedoch beherrschen ganz andere Geräusche die Umgebung: Das Knattern des Helikopters, der letzte Baumaterialien liefert, das Bohren in den Felsen und das Dröhnen des Kompressors lassen zurzeit aufhorchen.
Seit sich der Kanton Zürich dazu entschlossen hat, das Schloss Laufen und mit ihm den Zugang zur Wasserattraktion aufzuwerten, hat sich die einst beliebte Touristendestination zu einer riesigen Baustelle entwickelt. Grund für die Sanierung waren der schlechte Zustand der Anlage und die rückläufigen Besucherzahlen: In den letzten 30 Jahre haben diese um rund 30 Prozent abgenommen.
Wie Kantonsbaumeister Stefan Bitterli betont, steht nicht eine Frequenzsteigerung um jeden Preis im Vordergrund, «sondern eine Verlängerung der durchschnittlichen Verweildauer und eine Erhöhung der Rentabilität». Im Rahmen eines touristischen Gesamtkonzepts wird deshalb das Südufer, die Zürcher Seite des Wasserfalls, neu gestaltet. Zurzeit sind die Bauarbeiter damit beschäftigt, das Schloss Laufen zu sanieren, das angeschlossene Besucherzentrum zu modernisieren und den Zugang zum Rheinfall zum Erlebnispfad auszubauen. Für all diese Arbeiten investiert der Kanton Zürich 13,6 Millionen Franken. Ursprünglich wollte man «nur» 12,14 Millionen Franken aufwenden. Weil der aus Kalkstein bestehende und damit lockere Felsen, auf dem die Aussichtsplattform Belvedere steht, die wiederum Teil des Erlebnispfades ist, abzurutschen drohte, musste er neu gesichert werden. Dies führte zu 1,46 Millionen Franken Zusatzkosten.
Neue Felsanker mussten her
«Bereits in den 1960er-Jahren brach unterhalb des Belvedere ein Stück der Felswand ab», erzählt Andrea Wittel, Bauingenieurin vom Zürcher Büro Ernst Basler + Partner AG. In der Folge wurden sieben grosse Anker in den Felsen hineingetrieben, die das weitere Abrutschen verhindern sollten. Mittlerweile, so Wittel, sind diese aber korrodiert. Zudem habe sich herausgestellt, dass die Lösung aus den 1960er-Jahren nicht die beste ist. Denn: «Die Anker sichern den Felsen nur an bestimmten Stellen ab. Deshalb bieten sie auch nur lokalen Schutz.» Um die Gefahr ganz zu bannen, wird die alte Verankerung nun durch eine neue gemischte ersetzt. 33 vorgespannte Felsanker und -nägel werden bis zu 20 Meter tief in das Gestein hineingetrieben.
Ein weiteres Problem, das es während der Bauarbeiten zu lösen galt, war das sich in Felsklüften sammelnde Rheinwasser. Durch den Stau wird nämlich ein Druck erzeugt, der das Gestein zu sprengen droht. «Wenn wir nichts dagegen unternehmen, bricht der Felsen irgendwann ab», warnt Erwin Ronner vom Hochbauamt des Kantons Zürichs. Deswegen werden zurzeit mehrere Bohrungen durchgeführt. «Diese sind drei bis vier Meter tief und sorgen dafür, dass das Wasser ohne Weiteres aus den Klüften abfliessen kann.»
All diese Arbeiten stellen für die beteiligten Firmen eine grosse Herausforderung dar, denn die Baustelle befindet sich am Abgrund des Felsens. Es mussten nicht nur logistische Probleme wie das Aufstellen der Gerüste und das Errichten von Podesten gelöst werden, sondern auch der Transport des Materials. Hiefür wurde ein Helikopter eingesetzt.
Etwas leichter gestalteten sich dagegen die Bauarbeiten am Schloss. Dort werden, wie Ronner erklärt, nur «Pinselsanierungen» vorgenommen. Mit anderen Worten: Die Räumlichkeiten bleiben so, wie sind. Nach den Bauarbeiten erhalten die Zimmer neue Nutzungen. So wird der ehemalige Bannersaal zu einem Restaurant, die Laufenstube zu einem Kinderrestaurant und das Zunftzimmer zu einer Schlossstube umfunktioniert. Im Nordtrakt des Schlosses steht dem Besucher künftig die Ausstellung Historama offen. Neu wird ausserdem ein Spielplatz sein, der zwischen dem Schloss und dem Besucherzentrum gebaut wird.
All diese Erneuerungen sind Teil des Gastronomiekonzepts, das für die Gäste ein vielfältiges Angebot vorsieht. Es stammt von der SV Schweiz, die vom Kanton Zürich als Betreiberin auserkoren worden ist.
Mehr bauliche Massnahmen erforderte hingegen das neue Besucherzentrum, in dem sich ein Souvenirshop, eine Ticketeria und ein Selbstbedienungsrestaurant befinden. Laut Ronner wurde das Gebäude, das früher ein Personalhaus war, um ein Drittel seiner Grösse erweitert. Obwohl es von aussen saniert worden ist, erkennt man bei genauerer Betrachtung, wo der alte Gebäudeteil aufhört und der neue anfängt. Aufschluss darüber gibt das Dach, das auf der Seite des Anbaus nicht so verwittert ist, wie auf der Seite des Altbaus. «Das sieht am Anfang zwar eigenartig aus, wird sich mit der Zeit aber noch angleichen», sagt Ronner. Auch die neu gebaute Liftanlage soll sich angleichen – und zwar an ihre Umgebung. Für ihre Integration haben die Architekten ihre Farbe der Umgebung angepasst.
Moos hilft bei der Integration
Statt grau erstrahlt der rund 28 Meter hohe Liftbetonturm mit den zwei gläsernen Liftkabinen in hellem Braun. Diese Kolorierung kommt der Farbe des Felsens und des Schlosses sehr nahe. Wie Ronner erklärt, bedurfte es jedoch mehrerer Anläufe, bis der richtige Ton gefunden worden war. Um der Liftanlage eine vollkommene Integration zu ermöglichen, ist die Oberfläche des Betons ausserdem ganz rau und gerillt. So will man das Wachstum von Moos und Patina fördern, was eine weitere optische Anpassung an das Umfeld erlaubt.
Neben dem Aufzug wurde zudem ein neuer Weg gebaut. Er ist Teil des Erlebnispfads und schliesst direkt am bisherigen Zugang des Rheinfalls an. Da der Hang aus Landschaftsschutzgründen möglichst wenig angeschnitten werden durfte, wurde der neue Weg als Steg ausgebildet, der aus einer Stahlkonstruktion mit einem Belag aus Holz besteht. Im Zuge der Erneuerungen wurde auch der bestehende Zugang zum Rheinfall saniert. Seine abgewetzten Stufen sind aufgeraut beziehungsweise ersetzt und das Geländer aus Holz gänzlich erneuert worden.
Zum Konzept des Erlebnispfads gehört aber auch die Aufwertung der Vegetation am Nordhang des Felsens. «Der Blick zum Rheinfall soll bei der Begehung des Erlebnispfads nicht nur offen sein», sagt André Schmid, Landschaftsarchitekt von der Firma Schmid Landschaftsarchitekten. Man wolle vielmehr eine Art Spannung aufbauen, indem der Ausblick sowohl bedeckt als auch unbedeckt ist. Deshalb wurde der Nordhang mit einer neuen Vegetation bepflanzt.
Noch ist der Nordhang aber kahl. Statt Pflanzen sieht man nur ein Metallnetz. Dieses wurde angebracht, weil sich während der Bepflanzung der steilen Wand herausgestellt hat, dass der Felsen an dieser Partie locker ist. «Auch hier besteht die Gefahr, dass er auseinanderbröckelt», so Schmid. Das Netz wird, sobald die Pflanzen gediehen sind, nicht mehr zu sehen sein.
Bis Samstag, 27. März, werden die Arbeiten abgeschlossen sein. Gleich darauf findet der Tag der offenen Tür statt, an dem man das Schloss begutachten, die Liftanlage testen und den Erlebnispfad begehen kann. Zwar werden die Pflanzen am Nordhang bis dahin noch nicht gewachsen, dafür aber wird der Rheinfall wieder unüberhörbar sein.