Der Küfer von Küssnacht
Wellnesstempel setzen heute oft auf archaische Rituale und traditionelles Handwerk. Das kommt auch einem Küfer zugute. Roland Suppigers Werkstatt fertigt längst nicht mehr nur Weinfässer, sondern auch Whirlpools und Wannen nach Mass. Ein Werkstattbesuch in Küssnacht am Rigi.
Wo einst Hopfen und Malz in grossen Bottichen gärten, tauchen heute Wellnessfans ein. In bis zu 220 Quadratmeter grosse Holzbottiche, die zum Teil miteinander verbunden sind. Darüber thront das alte Tonnengewölbe. «Uns gefallen die Holzwannenbecken am besten», sagen die Architekten Margrit Althammer und René Hochuli zum Thermalbad, das sie zusammen mit der Innenarchitektin Ushi Tamborriello entworfen haben. «Es ist eine neue Konzeption von Bädern, die ganz spezifisch hergeleitet wurde aus der Geschichte der Gewölbekeller – aus der ursprünglich hier verorteten Welt der Küfer mit ihren Bierfässern und Gärbottichen.» Eine Welt, die sehr klein geworden ist. In der Schweiz gibt es gerade noch fünf Küfereien, darunter jene von Roland Suppiger in Küssnacht am Rigi.
Hier wurden die Holzpools vorgefertigt und vor Ort montiert. Ein nicht alltäglicher Auftrag für den Betrieb. «3000 Arbeitsstunden stecken in den Wannen für das Thermalbad», sagt Suppiger. Die Idee mit der Analogie zu den alten Gärbottichen stammt von Ushi Tamborriello. Sie fragte verschiedene Betriebe aus dem Schiffsbau und Küfereien aus Deutschland an. Alle haben abgewunken und sind zum Schluss gekommen, das sei unmöglich. Anders sah das Roland Suppiger, ein Meister seines Fachs. Ein Holzhändler hatte ihn der Innenarchitektin vorgeschlagen. So kam es zum Treffen zwischen den Architekten, der Innenarchitektin und dem Küfer. «Die ursprünglichen Pläne mussten etwas abgeändert werden, unter anderem, weil das Spannen der Reifen Platz benötigt», sagt Suppiger. Mithilfe von Metallreifen werden die nur gerade sechs Zentimeter dicken Bohlen gespannt und dicht gemacht. Die Parteien wurden rasch einig, und das Projekt konnte starten.
Mit dem Segen der Empa
Roland Suppiger schlug einheimische Lärche vor. Ein Holz, das dank seiner Witterungsbeständigkeit oft auch im Aussenbereich verwendet wird. «Im Aargau gibt es die besten Lärchen», sagt der Fachmann. «Aber Holz in der gewünschten Qualität bekomme ich nicht von heute auf morgen. Das braucht mindestens ein Jahr Vorlaufzeit», fügt er an. Um sicherzustellen, dass der Werkstoff den grossen Belastungen auch wirklich standhält, liess der Küfer die Lärche bei der Empa testen. «Dort wurde das Testholz in Chlor eingelegt und mit Pilzsporen geimpft», erläutert Suppiger. Nach rund fünf Wochen kam das Okay vom Materialforschungsinstitut. Das Sägen der Stämme übernahm sein Bruder, der eine Sägerei führt. In der Küferei fertigten die Handwerker vorfabrizierte Teile von 60 Zentimetern Breite. Rund 70 Kubik Holz wurden millimetergenau geschnitten, gehobelt, gebogen, mit Aussparungen für die Metallsitze und für elektrische Installationen versehen. Ähnliche Arbeitsschritte wie beim Bau von Fässern. Auch diese haben manchmal stattliche Masse. Suppiger zeigt in einem Buch auf eine Abbildung eines Fasses nach Mass, das in seiner Küferei entstanden ist. Es wiegt zwei Tonnen – ohne Inhalt.
Toasten der Fässer
Beim Werkstattbesuch fliegen die Späne, die satt rot gefärbt sind. Ein Mitarbeiter der Küferei renoviert Barriques. Dabei werden die Fassböden abmontiert und das Innere abgehobelt. Anschliessend werden die Fässer «getoastet»: Im gesäuberten Fassinnern wird ein Feuer gemacht, das etwa dreiviertel Stunden lang brennt und imposante Rauchschwaden verursacht. Durch das Ausfeuern der Barriques wird das Aroma des Weins gezielt beeinflusst. Man spricht von leichter, mittlerer oder starker Toastung.
Suppiger und seine drei Angestellten stellen jährlich rund 250 solcher 25-Liter-Fässer her. Dazu kommen rund 60 andere kleinere Fässer und 25 bis 30 Massanfertigungen. Die Barriques werden auf Bestellung von Schweizer Winzern aus Eichenholz gefertigt. Nach rund drei Jahren kommen einige wieder nach Küssnacht zur Renovation. Obwohl Massenweine längst in Stahltanks reifen, ist die Nachfrage nach Holzfässern nach wie vor gross. Zudem kann der natürliche Rohstoff gut mithalten mit Stahl. «Das älteste Holzfass in Gebrauch, das mir bekannt ist, stammt von 1771», sagt Roland Suppiger. «Jedes gute Holzfass überdauert einen Stahltank.» Die Barriques und massgefertigten Fässer liefert der Küfer meist persönlich aus. Das sei die Sonnenseite seiner Arbeit, die sonst knochenhart ist. Suppiger erzählt von der Anfangszeit seines Angestellten Roman Camenzind, der seit 2002 für ihn arbeitet. Er war Zimmermann und somit körperliche Anstrengung durchaus gewohnt. «Aber in den ersten 14 Tagen war er jeweils fix und fertig am Feierabend», sagt Suppiger. Neben Kraft brauche es vor allem Geschick und Präzision bei der Arbeit. Für die Herstellung von Fässern müssen die Dauben, die zusammen ein dreidimensionales Ganzes bilden, präzis zugeschnitten werden. Mit Feuer und Wasser werden die Fässer zusammengezogen. Auf dem Feuer aus Eichenholz werden die Dauben vorsichtig in ihre neue Form gezogen. Die Böden der Fässer werden erst am Schluss angefertigt und eingebunden. Anschliessend wird abgefeuert, stabilisiert und auf Wunsch gebrannt.
Gargelkamm, Schlichthobel und Co.
Die Arbeit ist zum grossen Teil gleich geblieben wie zu Grossvaters Zeiten. «Ausser, dass wir heute bessere Hilfsmittel haben, wie zum Beispiel Kranen, um grosse Fässer zu heben», so Suppiger. Eine Schwierigkeit sei allerdings, überhaupt noch Werkzeug zu bekommen. Deshalb kauft er immer wieder Bestände von eingegangenen Küfereien auf und lagert sie. «Wir tragen Sorge zu unserem Werkzeug», sagt Suppiger. Und zeigt auf die Sammlung von Geräten mit wundersamen Namen: Rundhobel, Fügbaum, Setzhammer oder Gargelkamm. An der hohen Werkstattwand hängen fein säuberlich Zirkel, die aus der Werkzeugkiste eines Riesen zu stammen scheinen. Mit diesen archaischen Werkzeugen und mit viel Handarbeit entstehen heute neben Fässern zum Teil auch seltsame Objekte. So zeigt Suppiger zum Beispiel Bilder von einem Bett und einer Wiege in Fassform, die er für ein Hotel gefertigt habe. Oder von einem Waschtisch, der in einen Bottich montiert ist. Eher nach seinem Geschmack war da der Whirlpool, den die Küferei für eine Villa in St. Moritz gebaut hat. Dieser wurde mit dem Helikopter eingeflogen. Roland Suppiger und seine Männer hingegen sind ganz auf dem Boden geblieben. Doch auch er freut sich auf den Besuch im schicken Thermalbad Zürich. Dort wird er sich mit seiner Frau, die als Buchhalterin ebenfalls in der Küferei arbeitet, vom strengen Job erholen und für eine Weile in seinem Wellnessbottich abtauchen. (ka)