09:29 BAUPRAXIS

Dauerthema Lärmsanierung: Kantone sollen fokussierter arbeiten

Teaserbild-Quelle: Claudia Bertoldi

In der Schweiz sind rund 1,1 Millionen Menschen gesundheitsschädlichem Strassenlärm ausgesetzt – obwohl in den letzten 30 Jahren über 4 Milliarden in Strassensanierungen investiert wurden. Der Bund will, dass die Kantone fokussierter an der Lärmquelle arbeiten und hebt die Befristung der Subventionen auf. Der Lärmliga greift dies zu wenig weit.

Strassenbaustelle in Schafisheim

Quelle: Claudia Bertoldi

Strassenbaustelle zur Sanierung der Seetalstrasse in Schafisheim AG. (Symbolbild)

Vor allem in der Deutschschweiz gebe es Kantone, welche «Scheinsanierungen» an Strassen durchführten und dafür Bundes-Subventionen beziehen würden – ohne dass den Menschen geholfen sei. Die Bestrebungen hätten bislang Milliarden Franken gekostet und zu wenige Personen erreicht. 

Dies schreibt die Lärmliga im Rahmen der Vernehmlassung zur Revision der Lärmschutz-Verordnung. Diese ist Teil der Verordnungspakets «Umwelt Frühling 2021», das bis am Donnerstag in der Vernehmlassung war. Mit den Verordnungsanpassungen sollen auch Vögel vor dem Stromtod geschützt, das Recycling von elektronischen Geräten verbessert sowie Rundholzlager im Wald ermöglicht werden. 

Ziele in 30 Jahren nicht erreicht 

Bund, Kantone und Gemeinden stehen seit 1987 gesetzlich in der Pflicht, die Menschen vor übermässigem Strassenlärm zu schützen. Gemäss einer Schätzung des Bundesamts für Umwelt (Bafu) belaufen sich die Gesamtkosten für die Sanierung der Schweizer Strassen auf rund 6 Milliarden Franken, 4,3 Milliarden sind bislang dafür eingesetzt worden. 

«Seit 1987 wurden rund 270'000 Personen vor Strassenlärm geschützt», sagte Sophie Hoehn, Leiterin der Sektion Strassenlärm beim Bundesamt für Umwelt (Bafu), gegenüber Keystone-SDA. Das heisst, dass bei diesen Personen der Lärmpegel der Strassen unter den entsprechenden Grenzwert gesenkt werden konnte. «Ungefähr 1,1 Millionen Menschen sind noch gesundheitsschädlichem Lärm ausgesetzt; es gibt noch viel zu tun», sagte Hoehn. 

Kantone sollen sanktioniert werden 

Die Lärmliga fordert, dass der Bund seine Strategie auf die «Vollzugsverweigerer» ausrichtet und diese dazu bringt, griffige Massnahmen gegen Strassenlärm zu ergreifen. Andernfalls sollen Kantone sanktioniert werden können. Auch der Bund will, dass die Kantone «fokussierter an der Lärmquelle arbeiten», wie Sophie Hoehn sagte. 

Diese sollen in Tempo-Reduktionen und leisere Strassenbeläge statt etwa in Schallschutzfenster investieren, weil damit viel mehr Menschen geschützt werden könnten. Der Bund will daher Subventionen an solche Schallschutzfenster von 400 auf 200 Franken reduzieren. Die freigewordenen Mittel sollen in wirksamere Massnahmen fliessen, wie Hoehn sagte. 

Lärm ist ein Dauerthema

Zudem soll es für die Subventionsprogramme keine Befristung mehr geben. Sie würden Ende 2022 auslaufen. Zuvor waren sie mehrfach verlängert worden, weil es zu wenige Fortschritte gab. «Der Schutz vor Strassenlärm muss als Dauerthema betrachtet werden», sagte Markus Chastonay, Präsident der kantonalen Lärmfachleute, die an der Revision mitarbeiten konnten, gegenüber Keystone-SDA. 

Nur so könnten die neusten Entwicklungen miteinbezogen werden, wie etwa Verbesserungen an den Pneus oder die E-Mobilität. «In einem nächsten Schritt muss der Lärm auch an diesen Quellen, an den Fahrzeugen, angegangen werden», sagt dazu Sophie Hoehn. 

Statt einer zeitlichen Befristung sollen die budgetierten Bundesmittel schrittweise abgesenkt werden. Die zuständige Konferenz der Kantonsregierungen begrüsst die geplanten Anpassungen, wie es auf Nachfrage hiess. Die Kantone beantragen aber, dass die Fortschritte periodisch evaluiert und die Beiträge allenfalls angepasst werden. 

Bevölkerungsentwicklung fördert Strassenlärm 

Gemäss Bundesrat dürfte Strassenlärm wegen des Bevölkerungswachstums, der zunehmenden Mobilität und der wachsenden Anzahl Autos weiterhin eine grosse Lärmquelle sein. Doch übermässiger Lärm kann schwere Folgen für die Gesundheit haben. Der Körper kann in der Nacht bei störenden Geräuschen in Alarmbereitschaft geraten. Er schüttet Stresshormone aus, das Herz schlägt schneller und der Blutdruck steigt. 

Langfristig kann dies Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder ein erhöhtes Herzinfarktrisiko verursachen. Daraus resultieren auch volkswirtschaftliche Folgen. Im Jahr 2016 verursachte der Strassenlärm Kosten von rund 2,13 Milliarden Franken, wie die kantonalen Ingenieure 2019 schätzten. 55 Prozent davon waren Gesundheitskosten, der Rest fiel auf den durch die Lärmemissionen verursachten Wertverlust bei Immobilien. (sda/pb)

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