Berner Denkmalpflegepreis für Färber-Wohnhaus in Wangen an der Aare
Ein altes Wohnhaus im ehemaligen Färbereiareal in Wangen an der Aare wurde unter Begleitung der Denkmalpflege renoviert und um einen Neubau erweitert. Dafür erhält die Eigentümerschaft nun den diesjährigen Denkmalpflegepreis des Kantons Bern.
Quelle: Dominique Plüss
Den Entscheid für die grüne Fassade mit den roten Markisen fällte man gemeinsam am Rohbau.
Das Wohnhaus befindet sich im «Rotfarb»-Quartier in der Stadt Wangen an der Aare, welche im Bundesinventar für schützenswerte Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) verzeichnet ist. Auf dem Färbereiareal wurden bis zum Ende des 19. Jahrhunderts noch Garne und Tücher gefärbt. Der Geist des frühindustriellen Gewerbebetriebs ist in der Rotfarbgasse noch heute spürbar.
Verdichtung im Bestand
2019 kauften Andrea und Peter Rikli ein vernachlässigtes, ehemaliges Wohnhaus der Färberfamilie, mit dem Ziel, es zu renovieren. Durch einen Neubau im zugehörigen Garten sollte zudem zusätzlicher Wohnraum entstehen. Als Holzbauer nahm Peter Rikli die Planung mit seiner Partnerin selbst an die Hand, heisst es in einer Mitteilung der Berner Bildungs- und Kulturdirektion von Mittwoch.
Eng in die Planung involviert war auch die Denkmalpflege, die dem Paar für das Vorhaben schliesslich eine Minimalvariante mit Workshopverfahren vorschlug; das Projekt der Bauherrschaft, die gleichzeitig als Planerin agierte, sollte gemeinsam mit einer Begleitgruppe entwickelt werden. Diese setzte sich aus Vertretern der Gemeinde und der Denkmalpflege sowie zwei unabhängigen Architekten als Fachexperten zusammen.
Quelle: Dominique Plüss
Blick in die Rotfarbgasse: Ausgehend vom Baubestand wurden die Position, das Volumen und die Dachform des Neubaus bestimmt. Dieser nimmt Bezug auf das klassizistische, lang gezogene Wohnhaus mit Versammlungslokal, ehemals ein Teil der Werksiedlung «Rotfarb».
Quelle: Dominique Plüss
Die Einfriedung entlang der Gasse wurde restauriert. Im Garten gegenüber dem Neubau entstand ein öffentlicher Sitzplatz mit Zugang zum Mülibach.
Teamarbeit am Ortsbild
Ausgehend vom Bestand mit der prägenden Rotfarbgasse und den klassizistischen Bauten wurden anschliessend die Position, das Volumen, die Dachform und am Schluss die Farbgebung des Neubaus bestimmt. Das Resultat davon war ein dreigeschossiger, parallel zur Gasse positionierter Baukörper mit Satteldach und einem flachgedeckten Annex im rückwärtigen Raum.
Die Offenheit der Bauherrschaft und die gute Zusammenarbeit habe alle Beteiligten enorm motiviert und ein überdurchschnittliches Resultat hervorgebracht, heisst es in der Mitteilung der Direktion weiter. Trotz Mehrkosten wurde zudem auch die Einfriedung entlang der Gasse restauriert sowie ein neuer öffentlicher Sitzplatz mit Zugang zum Mülibach realisiert.
Für dieses Engagement zugunsten des Ortsbildes und des öffentlichen Raumes erhalten Andrea und Peter Rikli nun den diesjährigen Denkmalpflegepreis des Kantons Bern. (mgt/pb)
Quelle: Dominique Plüss
Andrea und Peter Rikli werden für ihr Engagement für das Ortsbild und den öffentlichen Raum mit dem Berner Denkmalpflegepreis 2023 ausgezeichnet.
Quelle: Dominique Plüss
Eine industriegeschichtliche Rarität: Hammeranlage mit eichenem Wellbaum und drei wassergetriebenen Schwanzhämmern aus dem 19. Jahrhundert im ältesten Teil der Hammerschmiede Worblaufen.
Spezialpreis 2023 geht an Hammerschmiede Worblaufen
Ebenfalls vergeben wurde neben dem Denkmalpflegepreis ein Spezialpreis der Fachkommission für Denkmalpflege. Bei dessen Vergabe liegt das Augenmerk jeweils auf der beispielhaften Restaurierung eines bedeutsamen Baudenkmals. Dieses Jahr geht der Preis an die Mieter der Hammerschmiede Worblaufen.
Die kreative Gruppe engagiere sich mit viel Herzblut für die Nutzung und
Weiterentwicklung des historischen Gewerbeortes, schreibt die Bildungs- und Kulturdirektion. Im ältesten Teil der Hallen in Worblaufen steht denn auch eine industriegeschichtliche Rarität: eine Hammeranlage mit eichenem
Wellbaum und drei wassergetriebenen Schwanzhämmern aus dem 19. Jahrhundert.
Aktuell stehen diese zwar still. Die Anlage ist aber samt der zugehörigen Esse und dem 1996 rekonstruierten Wasserrad nahezu funktionstüchtig und zeugt von der Entwicklung des Schmiedehandwerks an diesem Standort.Dass die Werkhallen und die historische Hammerschmiede bis heute erhalten geblieben sind, sei nicht selbstverständlich, heisst es weiter.
Nach der Stilllegung der Hammerwerke R. Müller AG erwarb 2016 die Halter AG das ehemalige Industriequartier, um auf dem weitläufigen Gelände eine Wohnüberbauung zu realisieren. Ein Teil der alten Werkhallen wurde abgebrochen.
Quelle: Dominique Plüss
In den ehemaligen Werkhallen der Hammerwerke R. Müller AG haben sich verschiedene Handwerkende sowie Kunst- und Kleinbetriebe eingemietet.
Sanfte Sanierung, lebendiger Werkplatz
Um die ältesten Hallen und die historische Hammerschmiede zu erhalten, setzte sich eine Arbeitsgruppe unter Leitung der Halter AG mit möglichen Szenarien auseinander. Auf Grundlage eines Konzepts für das Areal suchte man dann eine neue Eigentümerschaft, die 2018 mit dem Unternehmen equimo AG der Stiftung Edith Maryon gefunden wurde.
Die in Basel beheimatete Stiftung setzt sich dafür ein, historische Gebäude gemeinsam mit den Mietern zu verträglichen, sozialen und lebendigen Nutzungen weiterzuentwickeln. In diesem Sinn wird das Gewerbeareal in Worblaufen mit Rücksicht auf Bestehendes schrittweise saniert. Die Mieter nehmen bei der Weiterentwicklung Einfluss und legen bei den Arbeiten auch selber Hand an.
Der lebendige Werkplatz an der Aare und die hier angebotenen Workshops geniessen laut der Direktion inzwischen eine gewisse Bekanntheit. Und eine weitere Attraktion ist bereits geplant: Die historische Hammeranlage soll in Gang gesetzt und unter der Obhut eines Vereins der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. (mgt/pb)
Quelle: Dominique Plüss
Die Mietergemeinschaft der Hammerschmiede, vertreten durch den Künstler «GAMelle» (links) und Benjamin Blaser (rechts), erhält den Spezialpreis 2023.