Baurecht: Einsprache(-rückzug) bei Bauvorhaben
Der Einreichung eines Baugesuchs gehen meist lange Planungszeiten mit hohen Investitionen voran. Umso frustrierender ist es, wenn das Bauvorhaben durch Rechtsbehelfe und -mittel blockiert wird. Selbst wenn das Vorhaben sämtlichen massgeblichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht, kann sich dadurch die Realisierung des Bauvorhabens um einen nicht unerheblichen Zeitraum verzögern.
Quelle: Kai Felmy
Von Lea Sturm*
Grundsätzlich hat ein durch ein Bauvorhaben betroffener Nachbar das Recht, sich dagegen mit allen ihm von Rechts wegen zur Verfügung stehenden Mitteln zu wehren. Ist die Interessenlage seitens der Einsprecher klar, mithin auch vernünftig, besteht regelmässig (ein beidseitiges) Interesse daran, sich ausserhalb des Baubewilligungs- oder Rechtsmittelverfahrens zu einigen.
Denkbar ist, dass die Bauherrschaft dem Einsprechenden im Gegenzug für seinen Einspracherückzug eine Ausgleichsleistung für den ihm durch das konkrete Bauvorhaben entstehenden Nachteil anbietet; beispielsweise die Erstellung einer Sichtschutzwand / Hecke um die Befürchtung des Nachbarn, er werde durch das Bauvorhaben in seiner Privatsphäre gestört, entgegenzuwirken. Kommt eine solche Massnahme namentlich aus rechtlichen, technischen und /oder wirtschaftlichen Gründen nicht in Frage, kann der seitens des Einsprechenden geltend gemachte Nachteil auch finanziell abgegolten werden.
Es ist also nicht von Vornherein verboten, dass sich ein Einsprecher seinen Rückzug durch eine Geldleistung entschädigen lässt. Insbesondere dann nicht, wenn die Entschädigung seitens der Bauherrschaft angeboten wird. Auch wenn der Einsprecher von sich aus eine Zahlung für den Einspracherückzug fordert, ist dies nicht in jedem Fall unzulässig, sofern die gestellte Forderung mit einem objektiv nachvollziehbaren Minderwert, den das einsprecherische Nachbargrundstück durch das Bauvorhaben erfahren würde, begründet wird.
Fordert der Einsprechende jedoch selbst eine finanzielle Leistung für seinen Einspracherückzug, ohne dass daran ein schutzwürdiges Interesse besteht, kann dies straf- oder zivilrechtliche Folgen nach sich ziehen.
Quelle: SatyaPrem, pixabay.com, public-domain-ähnlich
Ein Einsprecher kann sich seinen Rückzug auch durch eine Geldleistung entschädigen lassen. (Symbolbild)
Tatbestand der Erpressung
Aus strafrechtlicher Sicht kommt in erster Linie der Tatbestand der Erpressung in Frage (Art. 156 des Strafgesetzbuches [1]), welcher mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet wird. Den Tatbestand der Erpressung erfüllt, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten veranlasst, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt.
Droht der Einsprechende also beispielsweise damit, dass er bei Ausbleiben seiner Forderung an der Einsprache festhält und Rechtsmittel gegen die erteilte Baubewilligung ergreift, obwohl der erhobene Anspruch überhaupt nicht besteht, rechtlich nicht durchsetzbar oder übersetzt ist, kann eine Erpressung im strafrechtlichen Sinne vorliegen. Dies ungeachtet dessen, dass die Drohung in der Ergreifung eines an und für sich zulässigen (Rechts-)Mittels besteht. [2]
Wurde bereits bezahlt, besteht grundsätzlich die Möglichkeit die Leistung – gestützt auf die Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62 ff. des Obligationenrechts [3]) – auf dem zivilrechtlichen Weg zurückzufordern. Die Hürden dafür sind jedoch hoch: Die Bauherrschaft hat nachzuweisen, dass sie sich in einer wirtschaftlichen Zwangslage befunden hat, welche durch den Einsprechenden ausgenützt wurde. [4] Zusätzlich hat sie auch zu beweisen, dass die Einsprache aussichtslos gewesen wäre und lediglich dazu diente, den der Bauherrschaft daraus erwachsenden Nachteile zu kommerzialisieren.
- [1] Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0).
- [2] Urteil des Bundesgerichts 6P.5/2006, 6S.7/2006 und 6P.5/2006, 6S.8/2006 vom 12. Juni 2006, E. 4.3.
- [3] Schweizerisches Obligationenrecht vom 30. März 1911 (OR; SR 220).
- [4] Vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_73/2021 vom 1. Juni 2021, E. 4.3.2 und 4.3.3.
Zur Person*
Quelle: zvg
Lea Sturm ist Rechtsanwältin bei Baur Hürlimann AG, Baden/Zürich. Sie berät und vertritt Mandanten in öffentlich-rechtlichen Belangen und befasst sich schwerpunktmässig mit Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht. In diesen Bereichen berät und vertritt sie Mandanten gegenüber Behörden und vor den Gerichten und doziert an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich. Ihr Studium absolvierte Lea Sturm an der Universität Luzern und erlangte im Jahr 2014 das Anwaltspatent. Bevor sie im Jahr 2017 ihre Anwaltstätigkeit aufnahm, arbeitet sie am Verwaltungsgericht des Kantons Aargau und im Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau.