13:31 BAUPRAXIS

Ausstellungstipp: Chandighar durch die Linse des Fotografen

Teaserbild-Quelle: Bilder: Jürg Gasser / Centre Le Corbusier

Die Ausstellung «Chandighar sehen. Schweizer Reportagen» im Zürcher Centre Le Corbusier nimmt mit auf eine Zeitreise ins Chandighar der 60er-Jahre und vergleicht sie mit der Le Corbusiers Architekturikone von heute.

Der Platz vor dem Justizpalast in Chandighar heute und Ende der 1960er-Jahre (gegenüberliegende Seite). (Bilder: Jürg Gasser / Centre Le Corbusier)

Quelle: Bilder: Jürg Gasser / Centre Le Corbusier

Der Platz vor dem Justizpalast in Chandighar heute und Ende der 1960er-Jahre (gegenüberliegende Seite).

Die von Bruno Maurer, Arthur Rüegg und Ita Heinze-Greenberg kuratierte Ausstellung entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen der Stadt Zürich und dem Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) der ETH Zürich. Ausgangspunkt von «Chandigarh sehen» ist die heute legendäre Eröffnungsausstellung von 1968 / 69 im wenige Monate zuvor eröffneten «Centre Le Corbusier / Museum Heidi Weber»: Jürg Gassers umfassende fotografische Bestands-aufnahme der von Le Corbusier und Pierre Jeanneret ab 1951 zusammen mit einem Team internationaler und indischer Architekten errichteten Ikone des Städtebaus der Nachkriegsmoderne. Der Zürcher Fotograf hatte seinerzeit im Auftrag von Heidi Weber die Hauptstadt der indischen Bundesstaaten Punjab und Haryana besucht, und die fotografische Ausbeute dieser Reise in eine repräsentative Schau übersetzt.

Gasser war nicht der erste Schweizer Fotograf mit Reiseziel Chandigarh. Bereits in den 1950er-Jahren, dem letzten grossen Jahrzehnt der Fotoreportage, hatten Schweizer Architekten und Fotografen die am Fuss des Himalayas gelegene Stadt im Werden besucht und ihre Entstehung fotografisch dokumentiert – darunter die «Magnum»-Fotografen Ernst Scheidegger und René Burri, aber auch Architekten wie Hans und Karihanna Frei oder Dolf Schnebli, der Indien 1956 im Rahmen seines «Wheelwright»-Stipendiums der Harvard University auf dem Landweg bereiste. Ihre teils ikonischen Bilder trugen Wesentliches zur Popularisierung dieses wegweisenden städtebaulichen Projekts bei. Gleichzeitig begründeten sie eine Tradition der kontinuierlichen fotografischen Dokumentation und Interpretation der rasant wachsenden Stadt. Für «Chandigarh sehen» wurden Teile der fast vollständig erhaltenen originalen schwarz-weissen Fototafeln zum einen mit Farbfotografien konfrontiert, auf denen Gasser 2014 anlässlich seiner letzten Reise nach Indien die heutige Millionenstadt in all ihren – auch widersprüchlichen – Facetten zeigt. Ergänzt werden die Aufnahmen von Arbeiten von René Burri, Thomas Flechtner, Hans und Karihanna Frei, Ernst Scheidegger, Dolf Schnebli, Alain Tanner und Maja Weyermann.

Ausserdem ist der Dokumentarfilm «Une ville à Chandigarh» von Alain Tanner (1965) zu sehen. Begleitet wird die Ausstellung von einem umfangreichen Rahmenprogramm mit Vorträgen, Diskussionen und Führungen. (jp)

Chandighar sehen. Schweizer Reportagen, bis 4. Oktober
Centre Le Corbusier, Zürich
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, 12 bis 18 Uhr
Weitere Infos: www.stadt-zuerich.ch/kultur/de/index/institutionen.html

Büchertipps


Le Corbusier – Die menschlichen Masse

„Die menschlichen Masse“ handelt von der lebenslangen Auseinandersetzung des schweizerisch-französischen Architekten Le Corbusier (1887–1965) mit den Proportionen des menschlichen Körpers und dessen Behausung: Der gefühlte drei Kilogramm schwere Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Centre Pompidou in Paris will nichts weniger leisten als „eine umfassende Neuvermessung von Le Corbusiers Schaffen und Architektur und Kunst“, betrachtet aus dem Blickwinkel einer jüngeren Generation von Forscherinnen und Forschern.

Dazu präsentieren Rémy Baudouï, Olivier Cinqualbre, Arnaud Dercelles, Marie-Jeanne Dumont, Maïlis Favre, Roberto Gargiani, Jan de Heer, Geneviève Hendricks, Aurélien Lemonier, Frédéric Migayrou, Cloé Pitiot, Anna Rosellini und Roxana Vicovanu alle Arbeitsfelder des Architekten: Architektur, Städtebau, Möbelgestaltung, Malerei, Zeichnung, Skulptur und die theoretischen Schriften.

Im Zentrum des Interesses der Autoren – sie gehören sämtlich einer jüngeren Generation von Forscherinnen und Forschern an – steht dabei stets seine Auseinandersetzung mit den Proportionen des menschlichen Körpers. Dabei gibt es einiges zu entdecken: den Einfluss der Psychophysik, der Gestaltpsychologie, des Deutschen Werkbunds und der Gartenstadtbewegung auf den jungen Charles-Edouard Jeanneret beispielsweise und sein vom Sport geprägtes Körperverständnis, das bereits er als Jugendlicher auf ausgedehnten Bergtouren mit seinem Vater entwickelte. (jp)

Le Corbusier – Die menschlichen Masse, Olivier Cinqualbre und Frédéric Migayrou (Hrsg.), Verlag Scheidegger & Spiess, 256 Seiten mit 322 farbigen und 123 schwarz-weissen Abbildungen, ISBN 978-3-85881-469-2, 51 Franken
In Kooperation mit dem Centre Pompidou, Paris

Hommage à Le Corbusier 05/06/2015 – 01/11/2015

Anlässlich des fünfzigsten Todesjahres von Le Corbusier (1887 – 1965) unterbreiteten zehn der grössten Architekten unserer Zeit ihre Vision für ein Projekt zur Erweiterung der Villa „Le Lac“ in Corseaux westlich von Vevey am Genfersee.

Daniel Libeskind, Mario Botta, Zaha Hadid, Toyo Ito, SANAA, Rudy Ricciotti, Bernard Tschumi, Gigon/Guyer, Rafael Moneo et Alvaro Siza haben sich auf diesen anregenden Ideen- und Fantasiewettbewerb eingelassen. Der bibliophile zweisprachige Katalog zur gleichnamigen Ausstellung – sie wurde wegen ihres grossen Erfolgs bis zum 1. November verlängert – zeigt ihre Beiträge sowie großartige Zeichnungen der Villa „Le Lac“ aus der Hand von Le Corbusier und Fotografien der 1920er- und 30er-Jahre: außergewöhnliche Dokumente, die den Ort vor dem Bau der Kantonalstrasse 1931 zeigen.

Fünfzig Jahre nach dem Tod Le Corbusiers ermisst man die Bandbreite seines Erbes: Sein aussergewöhnlich vielseitiges Werk bleibt eine Inspirationsquelle für die Architekten auf der ganzen Welt. Dies bezeugen diejenigen, deren Werke einen Sommer lang unter dem Dach der Villa „Le Lac“ zu sehen sind und somit diesem genialen Autodidakten die Ehre erweisen. (jp)

Hommage an Le Corbusier, Call me Edouard Éditeurs | Publishers, 182 Seiten mit zahlreichen schwarz-weissen und farbigen Abbildungen, dreisprachig (D/E/F), ISBN 978-2-940519-10-1, 42 Franken
Villa «Le Lac» Le Corbusier / Route de Lavaux 21 / 1802 Corseaux / www.villalelac.ch/

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