Aussichtsturm im Hardwald: Lokales Holz für einen Turm im Wald
Mitten im Herzen des Hardwaldes in Dietlikon ZH ragt seit letztem Juli ein 41,5 Meter hoher Aussichtsturm in den Himmel. Gebaut wurde der skulptural anmutende Turm aus Holz, das ausschliesslich aus dem lokalen Forst der Hardwald-Gemeinden stammt.
Quelle: Ladina Bischof
Der letzten Juli fertiggestellte Hardwaldturm bietet mit einer Gesamthöhe von 41,5 Metern ein umfassendes Panorama auf die umliegenden Städte und Gemeinden.
«Aus hiesigem Holz ist hiesige Bauwerkskunst entstanden.» –
Das waren die Worte der Zürcher Regierungsrätin Jaqueline Fehr bei der
Eröffnung des neuen Aussichtsturmes im Hardwald. Mit einer Gesamthöhe von 41,5
Metern ragt der filigrane Turm seither über die Baumwipfel und bietet einen
umfassenden Rundumblick auf die Umgebung, auf Opfikon, Rümlang, Regensberg,
Kloten, Bassersdorf, Dietlikon, Wallisellen und Dübendorf aber auch auf den
Flughafen Zürich-Kloten. Bei gutem Wetter lassen sich in der Ferne ausserdem
die Glarner Alpen und der Greifensee erspähen.
Kein Turm wegen Flughafen
Das Projekt für den heutigen Aussichtsturm kam 2018 durch
das als Zweckverband organisierte Forstrevier Hardwald Umgebung (FRHU), die
Standortgemeinden Bassersdorf, Dietlikon, Opfikon, Wallisellen und die Stadt
Kloten auf. Ganz neu war das Vorhaben zwar nicht: Vor vielen Jahren hatte
bereits der Opfiker Stadtrat Bruno Mauser die Idee für einen Turmbau im
Hardwald. Zu dieser Zeit waren jedoch die Rahmenbedingungen nicht gegeben – ein
Aussichtsturm, der über die Bäume ragt, wäre wegen des Sicherheitszonenplanes
des nahen Flughafens nicht realisierbar gewesen.
«Als bekannt wurde, dass der Bundes-rat den
Sicherheitszonenplan überarbeitet, haben wir das Thema Aussichtsturm im
Vorstand und danach bei den Delegierten des FRHU nochmals angesprochen»,
erzählt Christian Pfaller, Gemeindepräsident von Bassersdorf, auf Anfrage.
Pfaller war im Rahmen des Projekts bis zum 30. Juni 2022 Präsident der Bau- und
Planungskommission und vom Forstrevier Hardwald und Umgebung. «Die Delegierten
gaben uns dann den Auftrag, die Machbarkeit eines Aussichtsturms unter den
neuen Rahmenbedingungen zu prüfen.»
Und dieses Mal sollte es klappen; die Machbarkeitsstudie kam 2019 zum Schluss, dass ein Turm wegen der hohen Einwohnerzahl im Einzugsgebiet eine sinnvolle Erweiterung des bestehenden Naherholungsgebietes wäre. Und mehr noch; der Turmbau wäre mit dem Sicherheitszonenplan des Flughafens kompatibel sowie aus forstrechtlicher Sicht bewilligungsfähig. Schliesslich wurde für das Projekt eine Trägerschaft gegründet, die sich aus den Gemeinden Bassersdorf, Dietlikon, Kloten, Opfikon und Wallisellen zusammensetzt. Der FRHU fungierte als Auftraggeber.
Quelle: Ladina Bischof
209 Stufen führen bis nach oben auf die Aussichtsplattform. Je nach Windverhältnissen schwankt das Bauwerk ganz leicht.
Lokales Holz als Baumaterial
Wiederum ein Jahr später lancierte das Forstrevier dann einen Architekturwettbewerb. Die insgesamt 43 teilnehmenden Teams sollten darin Türme für das Gebiet «Herrenholz» im Hardwald entwerfen, die höher als die dort liegenden bis zu 35 Meter aufragenden Bäume waren. Der Entscheid für den Standort auf Dietliker Boden kam dabei nicht von ungefähr. Denn der Ort bot aufgrund seiner erhöhten Lage auf 494 Metern über Meer, der vorhandenen Erschliessung durch einem Maschinenweg sowie der zentralen Lage die besten Bedingungen für den Bau eines Aussichtsturmes.
Neben dem Überragen der grünen Riesen sollte in den Entwürfen aber gleich-zeitig auch die Höhenbeschränkung aus dem Sicherheitszonenplan des Flughafens eingehalten werden. Diese «Hindernis-begrenzungsfläche» liegt für den Hardwald auf einer Höhe von 45 Metern über der Geländekalotte. Gesucht war also ein Turmbau, der zwischen 35 und 45 Metern hoch ist. Eine weitere Bedingung: Gefragt war eine Holzkonstruktion für deren Bau ausschliesslich Holz aus den Waldungen der Standortgemeinden verwendet werden sollte.
Quelle: Ladina Bischof
Die Bauteile wurden zum Teil vormontiert auf die Baustelle geliefert und vom Primär-Tragwerk, über Treppen, Podeste und Plattformen bis zur Aussenschalung auf dem Bauplatz komplett zusammengebaut.
Eine einmalige Aufgabe
«Das Besondere am Projekt war die Auf-gabenstellung selbst», erzählt Lukas Frei. Der Architekt führt gemeinsam mit Nadja Frei das Büro Luna Productions in Deitingen SO. Dieses hatte für den Wettbewerb gemeinsam mit dem Ingenieurbüro Holzing Mäder aus Evilard BE den Vorschlag «Point de Vue» erarbeitet, der die Jury im Wettbewerb schliesslich am meisten überzeugen konnte. Für das junge Architektenduo war es das erste Turmprojekt, während das Ingenieurbüro mit dem 45 Meter hohen «Chutzenturm» im bernischen Seedorf bereits einen ähnlichen Bau realisiert hat.
«Der Wunsch der Bauherrschaft, mitten im Wald einen 40 Meter hohen Aussichtsturm komplett aus Holz zu bauen, das aus eben diesem Wald stammt, wäre sicherlich für jedes Architekturbüro eine einmalige Aufgabe gewesen», sagt Frei. Wie er erklärt, war das Programm des Wettbewerbs trotz der speziellen Bautypologie sehr reduziert. Es gab keine Nachbargebäude, keine Anforderungen an die technische Ausrüstung und kein eigentliches Raumprogramm.
«Diese Voraussetzungen waren für den Entwurf ungewöhnlich und natürlich äusserst spannend.» Eine weitere Herausforderung sei auch die Verwendung von lokalem Holz gewesen. Die gesamte Lieferkette vom Rundholz über das Schnittholz bis hin zum Leimholz und die Weiterverarbeitung durch den Holzbauer wurden in der Planung berücksichtigt, um sicherzustellen, dass am Schluss ein Turm entsteht, der vollständig aus Holz aus dem eigenen Wald besteht. «So steht das verbaute Holz wieder im Hardwald, wie es dies – in einer anderen Form – schon seit über 50 Jahren tat.»
Skulpturaler Turm aus Holz
Beim Entwurf eines Bauwerks mit dieser für das Büro ungewohnten Grösse und Proportionen habe das Team dann recht schnell bemerkt, dass es mit den vertrauten Entwurfswerkzeugen an Grenzen stosse, sagt Frei. «Viel mehr als sonst haben wir mit Modellen gearbeitet, um ein vertieftes Verständnis für die Wirkung des Turms zu entwickeln.» Die spezielle Lage und Sichtbarkeit sowie die aussergewöhnliche Dimension des Turms hätte dann die Inspiration zu einem Spiel mit den unterschiedlichen Perspektiven geliefert.
Das Resultat davon ist nun ein skulptural anmutendes Bauwerk, das sich aus vier übereinandergestapelten Elementen von je 10 Metern zusammensetzt. Die Grundform baut auf einem gleichseitigen Dreieck auf. Im Abstand von 10, 20, 30 und 40 Metern entstehen dann durch jeweils zwei aneinandergeschobene Dreiecke rautenförmige Plattformen. Deren Ecken sind durch grosse Balken mit dem Tragwerk verbunden, wodurch weitere Dreiecke mit graden, schrägen und überhängenden Flächen entstehen.
Die in den einzelnen Turmelementen platzierten Zwischenetagen liegen jeweils um 60 Grad gedreht zueinander, wodurch der Bau äusserlich je nach Blinkwinkel eine andere Silhouette erhält. Durch grosse Öffnungen in der Aussenhülle lässt sich der Wald auf den Plattformen bereits beim Aufstieg betrachten. Frei: «So entstehen in alle Richtungen Ausblicke in die unterschiedlichen Vegetationsschichten des Waldes.» Ganz oben angelangt führt ein überdachter Ausstieg auf die Aussichtsplattform, die als Wanne ausgebildet ist.
Umhüllt wird das Bauwerk von einer filigran wirkenden Zahnleistungsschalung aus Föhre, die die Holzkonstruktion vor Witterung schützt. «Durch den konsequenten Schutz erreicht der Turm eine Lebensdauer, die weit über diejenige von ungeschützten Konstruktionen hinausgeht.» Daneben übernimmt die Verkleidung aber auch die Funktion der Absturzsicherung.
Quelle: Ladina Bischof
Umhüllt wird das Bauwerk von einer Zahnleistungsschalung aus Föhre.
Vier Segmente mit Kran gestapelt
Wie vom Auftraggeber vorgegeben, wurden für den Bau nur Holzarten verwendet, die vom lokalen Hardwald bereitgestellt werden konnten (siehe Kasten «Verbaute Holzarten»). «Insgesamt wurden acht verschiedene Hölzer verbaut und dort eingesetzt, wo sie ihre spezifischen Fähigkeiten haben», führt Frei dazu aus. Die einzelnen Elemente sind dabei laut dem Architekten unbehandelt und bis auf das Haupttragwerk nicht verleimt. «Auf diese Weise können die Bretter am Ende ihrer Lebensdauer einfach im Wald bleiben und gliedern sich so wieder in den Stoffkreislauf der Natur ein.»
Der Bau des Turms im vergangenen Jahr erfolgte etappenweise in vier Segmenten von je 10 Metern Höhe. «Die unteren Segmente haben je ein Gewicht von 35 Tonnen, das letzte mit der Aussichtsplattform wiegt 42 Tonnen.» Die Bauteile wurden zum Teil vormontiert auf die Baustelle im Wald geliefert und nacheinander vom Primär-Tragwerk, über Treppen, Podeste und Plattformen bis zur Aussenschalung auf dem Bauplatz komplett zusammengebaut.
Anschliessend wurden die vier Segmente mit einem Teleskopkran aufeinandergestapelt. «Diese Vorfertigung wirkte sich positiv auf die Erstellungskosten aus, da kein 40 Meter hohes Gerüst benötigt wird», erläutert der Architekt. Damit konnte ein grosser Teil der Arbeiten im Werk erfolgen und die Bauzeit sowie die Einsatzdauer des schweren Krans in der sensiblen Landschaft im Wald möglichst kurzgehalten werden. Gebaut wurde der Turm von lokalen Handwerkern aus der Region.
Mehrkosten wegen Hülle
Gekostet hat der Turmbau am Ende rund 1,2 Millionen Franken. Finanziert wurde er von Kloten, Opfikon, Wallisellen, Dietlikon und Bassersdorf, die dafür grösstenteils Gelder aus der Jubiläumsdividen-de der Zürcher Kantonalbank sprachen. Schlussendlich waren die Kosten aber noch etwas gestiegen, genauer um 165‘000 Franken. «Der ursprüngliche Aussichtsturm war mit einer geschlossenen Hülle geplant», erklärt Pfaller. Nach der Ein-gabe des Bauprojektes sei diese jedoch angepasst und um 50 Prozent geöffnet worden.
Das wiederum führte zu Mehraufwand bei der Montage. «Der Aussichtsturm hat dadurch in seinem äusseren Erscheinungsbild optisch aber auch dazu gewonnen», wie Pfaller betont. Darüber hinaus kam es zusätzlich neben der Teuerung auch zu vereinzelten Mehraufwendungen. «Aus meiner Sicht ist der Aussichtsturm aber ein gelungenes Gemeinschaftsprojekt der Hardwald Gemeinden, der nicht nur wegen der Aussicht sondern auch wegen seinem skulpturalen Erscheinungsbild einen Ausflug wert ist», schliesst der Bassersdorfer Gemeindepräsident.
Quelle: Pascale Boschung
Ursprünglich war der Turm mit einer geschlossenen Hülle geplant. Diese wurde nach der Eingabe des Bauprojekts aber noch angepasst und um 50 Prozent geöffnet.
Bau des Jahres 2022
Seit letzten Juli steht der Turmbau nun im Hardwald – und erfreut sich grosser Beliebtheit bei Jung und Alt. Durch den Standort, der sich praktisch mitten im Herzen des Waldes befindet, müssen Besucher je nach Startpunkt einen zehn bis zwanzigminütigen Spaziergang auf sich nehmen. Nach dem Aufstieg über die insgesamt 209 Stufen erreicht man den Gipfel des Bauwerks, das je nach Windverhältnissen leicht schwanken kann und wird mit einem Rundumpanorama über die Waldgrenzen hinaus ins Glattal belohnt.
Auch nach bald über einem Jahr seit seiner Eröffnung ist der Turm gut besucht. Diese Beliebtheit spiegelte sich auch in anderer Form wider: Der Hardwald-Turm wurde in einer Publikums-Abstimmung der Branchenplattform «Swiss Architects» zum «Bau des Jahres 2022» gewählt. «Wir freuen uns riesig über die Auszeichnung», sagt Frei. Bereits beim Entwurf sei das Ziel gewesen, dass der Turm mehr bieten soll, als «nur» die Aussicht aufs Tal. «Dass er dann aber von der Öffentlichkeit auf so grosse und positive Resonanz stösst, freut uns natürlich besonders!»
Verbaute Holzarten
Holzherkunft: 100 Prozent Holz aus dem Hardwald
Menge: 380 m3
Tragkonstruktion: Fichte / Tanne 301,6 m3
Fassade: Föhre 38,0 m3
Treppe / Plattformen: Esche 35 m3
Unterkonstruktion oberste Plattform: Akazie 0,3 m3
Oberste Plattform: Lärche 2,7 m3
Simse: Douglasie 2,2 m3
Möblierung Umgebung: Eiche
Verankerung: 16 Mikropfähle, je 20 Meter
Höhe: 41,5 Meter
Projektbeteiligte
Quelle: Pascale Boschung
Im Abstand von 10, 20, 30 und 40 Metern entstehen durch jeweils zwei aneinandergeschobene Dreiecke rautenförmige Plattformen.
Quelle: Pascale Boschung
Die einzelnen Elemente des Turms sind bis auf das Haupttragwerk nicht verleimt. Die Bretter können nach Ende ihrer Lebensdauer somit einfach im Wald bleiben.