Amtshaus Walche in Zürich: Alles Neu hinter historischer Fassade
Knapp 80 Meter lang und fünf Stockwerke hoch ist das Amtshaus Walche in Zürich, das im kommunalen Inventar der Denkmalpflege figuriert. Mit viel Sorgfalt wird das 1933 eröffnete Verwaltungsgebäude deshalb saniert. Zudem wird das Gebäude aufgestockt – und wird so für die nächsten dreissig Jahre 400 Arbeitsplätze in einem 2000-Watt-konformen Umfeld bereitstellen.
Quelle: Juliet Haller
Blick hinters Baugerüst: Das oberste Geschoss des Amtshauses Walche wird für die Aufstockung vorbereitet.
Stadt
und Kanton Zürich erlebten in den 1920er-Jahren ein bedeutendes Wachstum.
Allein die Einwohnerzahl der Stadt stieg zwischen 1923 und 1933 um rund 60 000
Menschen. Um diesem Zuwachs organisatorisch zu begegnen, wurde im Zentrum der
Stadt ein Verwaltungsgebäude errichtet, unmittelbar am Ufer der Limmat und
gegenüber dem Platzspitz.
Im
Jahr 1933 wurde das imposante, rund 80 Meter lange Amtshaus Walche eingeweiht.
Erbaut worden war es nach Plänen der Architekten Otto und Werner Pfister (siehe
Artikel unten «Brüderpaar prägt Zürich»). Darin befinden sich
Büros der kantonalen Verwaltung wie auch ein Stützpunkt von «Schutz &
Rettung Zürich» (SRZ) mit Rettungsfahrzeugen.
Nach
rund 90 Jahren Betrieb muss das Gebäude nun umfassend saniert werden, in zwei
Etappen und teilweise sogar unter Betrieb. Die aufgelaufenen notwendigen
Massnahmen für den Substanzerhalt, Anpassungen an neue behördliche Auflagen,
energetische wie betriebliche Verbesserungen, Anforderungen der Denkmalpflege
sowie Ausschöpfen der baurechtlichen Reserve sollen in einer
Gesamtinstandsetzung und einer Aufstockung des Gebäudes umgesetzt werden.
Für
diese Arbeiten bewilligte der Stadtrat gebundene Ausgaben von rund 87 Millionen
Franken, wovon 14,6 Millionen für die Aufstockung und weitere Massnahmen
vorgesehen sind.
Fehlende Erdbebensicherheit
Im
Einzelnen muss das Tragwerk an die aktuellen Tragwerks- und Erdbebennormen der
SIA angepasst werden. Auch Installationen und Einrichtungen wiesen keine
Erdbebensicherheit auf. Dazu kamen Mankos wie eine veraltete Haustechnik,
fehlende Wärmedämmung, verbaute Gebäudeschadstoffe, eine ungünstige Anordnung
der technischen Anlagen auf dem Dach und mehrere betriebliche Mängel.
Zugleich
beschloss man, im Zuge der nötigen Komplettsanierung eine Aufstockung von fünf
auf sechs Geschosse. Dadurch und mit dem neuen Arbeitsplatzkonzept
worksmart@zuerich können mehr Büroarbeitsplätze geschaffen werden. Konkret
erhöht sich die Zahl von 300 auf 400.
Quelle: Juliet Haller
Das Amtshaus von der Walchestrasse aus: Über die Nebenstrasse wird die ganze Logistik abgewickelt.
Energetische Optimierung
Aktuell
stehen die umfangreichen Massnahmen der Instandsetzung an. Diese umfassen unter
anderem die energetische Verbesserung der Gebäudehülle und den Ersatz der Heiz-
und Lüftungsanlagen sowie der Elektroinstallationen. Weiter müssen neue
Sanitäranlagen eingebaut und eine Notstromversorgung eingerichtet werden. Die
Räume im ersten Untergeschoss werden für den Betrieb der SRZ komplett neu
strukturiert.
Zwei
neue barrierefreie Lifte ersetzen bestehende Modelle. Die Räume im 1. UG werden
für den Betrieb von Schutz & Rettung neu strukturiert. Die Raumstruktur der
Obergeschosse mit umlaufendem Bürokranz und innenliegendem Korridor wird
weitgehend beibehalten. Jedoch verbaut man weniger Zwischenwände. Für die
Aufstockung wurde in den Bestandsgeschossen eine Stützenverstärkung mittels
Stahlfachwerk montiert.
Provisorium im Fluss
Eine
spezielle Lösung wurde für den Betrieb von Schutz & Rettung Zürich nötig:
Während die Rettungsfahrzeuge über die gesamte Bauzeit in den Fahrzeughallen
des Amtshauses verbleiben können, mussten für die Arbeitsplätze, Garderoben,
Ruheräume und weiteres ein Provisorium errichtet werden. Diese dreistöckige
Konstruktion steht auf Pfählen in der Limmat, gegenüber der Fahrzeughalle. Über
einen Treppenturm und eine Passarelle gelangen die Einsatzkräfte bei einem
Einsatz rasch zu ihren Fahrzeugen, wofür sie gemäss Vorgaben nur gerade zwei
Minuten Zeit haben.
Die
Errichtung dieses Provisoriums bezeichnen die Verantwortlichen als eine der
Herausforderungen des Projekts. Die Erdbebenertüchtigung einer 90 Jahre alten
Bausubstanz auf die Anforderungen der Bauwerksklasse stellte eine weitere
anspruchsvolle Aufgabe dar. Die dritte, vielleicht kniffligste Vorgabe: Der Bau
befindet sich im kommunalen Inventar der Denkmalpflege: Das Projekt muss also
aktuelle Bedürfnisse der Nutzenden und bauliche Normen mit den Aspekten der
Denkmalpflege unter einen Hut bringen.
Quelle: Juliet Haller
Regelgeschoss im Amtshaus: Bis auf den Rohbau musste die gesamte Substanz rückgebaut werden.
Quelle: Juliet Haller
Atrium für Tageslicht: Eines der gestalterischen Elemente, die unter Schutz stehen.
Denkmalschutz innen und aussen
Konkret
sind das auskragende Flachdach, die Fassaden mit Treppentürmen, bau-zeitliche
Öffnungen, die umlaufenden Sohlbank-Gesimse und die
Kunststeinplatten-Verkleidung des Gebäudesockels geschützt. Dazu die
Einfassung und Einteilung der Fenster und die Fenstergitter zum Neumühlequai.
Im
Inneren gilt der Denkmalschutz der Primärkonstruktion aus Eisenbeton und
Mauerwerk, den Lichthöfen mit ihren Öffnungen und der Grundrisskonzeption. Dazu
erstreckt sich der Schutz auf diverse Details in den Treppenhäusern, bei den
Eingängen und in einzelnen Büros, so zum Beispiel das Täferzimmer in einem
Eckbüro.
Komplexe Logistik
Auch
die Versorgung der Baustelle er-forderte ein ausgefeiltes Konzept: Das Gebäude
liegt am stark befahrenen Neumühlequai, sodass die Logistik quasi über den
Hintereingang, in der sehr engen Walchestrasse, abgewickelt wird. Hier erfolgt
der Materialumschlag in einem eigens abgesperrten Bereich. Bei grösseren
Anlieferungen sowie bei anstehenden Betonierarbeiten wird die Strasse temporär
abgesperrt und von der anderen Seite als Sackgasse geführt. Der reibungslose
Ablauf wird durch die Bauleitung sichergestellt.
Aktuell
sind beim Projekt der Stadt Zürich die letzten Roharbeiten im Gange. Parallel
werden nun die Haustechnikinstallationen erstellt sowie nachgelagert der
Innenausbau. Nach dem Abschluss des komplexen Umbaus ist das Amtshaus Walche
ein 2000-Watt-konformes, nutzungsneutrales Verwaltungsgebäude, das ausserdem
Minergie-ECO zertifiziert wird. Ende 2024 wird das Sanierungsprojekt
abgeschlossen sein, nach einer Bauzeit von 36 Monaten und einer Rückbauzeit von
weiteren drei Monaten.
Quelle: Juliet Haller
Einer der wichtigsten Eingriffe im Zuge der Sanierung ist die Erdbebenertücktigung durch den Einbau solcher Stahlstützen.
Otto und Werner Pfister: Brüderpaar prägt Zürich
In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts führten die Brüder Otto und Werner Pfister ein Architekturbüro in Zürich, das mit seinen Bauten das Bild der Stadt bis heute mitprägt.
Quelle: Roland zh wikimedia CC BY-SA 3.0
Auch ein Werk der Pfisters: Die Walchebrücke, die über die Limmat zum Hauptbahnhof und zum Landesmuseum führt.
Gegründet wurde das Büro 1907 nach ersten Wettbewerbserfolgen, wobei das Brüderpaar eine spezifische Arbeitsteilung unterhielt: Otto Pfister war der Mann für die Ideen und die dazugehörigen Skizzen, Werner setzte die Ideen seines Bruders um und war bei der Ausführung der Projekte federführend. Erstaunlich für jene Zeit: Die Mitarbeiter des Architekturbüros hatten von Anfang an ein ausdrückliches Mitspracherecht bei den ausgearbeiteten Projekten.
Schulhäuser und Kraftwerke
Bis 1940, als das Büro im Krieg fast alle Mitarbeitenden entlassen musste, realisierten die Brüder Pfister zahlreiche Bauten in Stadt und Kanton Zürich, aber auch in der übrigen Schweiz. Sie bauten dabei nicht nur Ein- und Mehrfamilienhäuser, sondern vor allem auch öffentliche Bauten, von denen das Amtshaus Walche eines der prominenten Zürcher Beispiele darstellt. Die Pfisters errichteten aber auch Schulhäuser, Spitäler, Warenhäuser, Brücken und sogar Kraftwerke.
Die Architekturkritik ordnet das Werk der Brüder dabei anfangs der nationalen Romantik zu, einer Verschmelzung von Elementen des Jugendstils und typisch schweizerischen Bauelementen. In Zürich stehen hierfür die Geschäftshäuser Peter- und Leuenhof. Es folgte eine kurze Phase mit klassischen Bauformen, bekanntestes Beispiel hierfür ist das Gebäude der Nationalbank beim Bürkliplatz.
Unterschiedliche Rezeption
Ab den 1930er-Jahren hielt die Neue Sachlichkeit im Werk der Brüder Pfister Einzug, wofür das Amtshaus Walche ein gutes Exempel darstellt. Das sogenannte Neue Bauen findet in ihren Entwürfen aber nur partiell statt: Wie auch andere Zürcher Architekten dieser Zeit blieben ihre Projekte gemäss Architekturhistorikern geprägt durch «Verhaltenheit, Anpassung und Ambivalenz». Die Bauten von Otto und Werner Pfister waren nicht spektakulär modern, sondern stets pragmatisch und solide.
Entsprechend ambivalent ist auch die Rezeption ihrer Arbeiten: Die «Neue Zürcher Zeitung» nannte die Brüder Pfister in einem Artikel von 1960 «die bedeutendsten Privatarchitekten Zürichs in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts» und «Urheber von Bauten von durchwegs hoher Qualität». Der Architekt Karl Moser aber, der in Zürich das Uni-Hauptgebäude und das Kunsthaus realisierte, schrieb in einem Brief, ihr Werk erschöpfe sich in «Durchschnittlichkeit und Unzulänglichkeit». Ein vernichtendes Urteil, dem sich die moderne Architektur-Geschichtsschreibung und die Denkmalpflege aber keineswegs anschliessen. (bk)
Quelle: Roland zh wikimedia CC BY-SA 3.0
Für den Bahnhof Enge, 1927 eröffnet, wählten die Brüder Pfister Tessiner Granit aus Baustoff.
Quelle: Roland zh wikimedia CC BY-SA 3.0
Ein frühes Werk von 1913 ist das Geschäftshaus Peterhof, an der Bahnhofstrasse unmittelbar beim Paradeplatz gelegen.
Quelle: Stadt Zürich
Spätwerk: 1985 wurde der Pfister-Erweiterungsbau des Kunsthauses eröffnet, der sogenannte Bührle-Saal.
Quelle: Taxiarchos228 wikimedia CC BY-SA 3.0
Ein Pfister-Bau ausserhalb von Zürich: 21 Kilometer flussaufwärts von Basel liegt das Kraftwerk Ryburg-Schwörstadt, 1931 eingeweiht.