Zweitwohnungen: Nationalrat will Beschränkungen lockern
Der Nationalrat will die Beschränkungen des Wohnungsbaus in Gemeinden mit vielen Zweitwohnungen lockern. Wohngebäude, die vor dem Ja zur Zweitwohnungsinitiative gebaut worden sind, sollen bei einem Abbruch und Wiederaufbau neu erweitert werden dürfen.
Quelle: Patrick Rober Doyle, Unsplash
Blick auf Flims GR. (Symbolbild)
Mit 105 zu 80 Stimmen bei acht Enthaltungen und gegen den Willen von SP, GLP und Grünen hiess die grosse Kammer am Dienstag eine Vorlage ihrer Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek-N) gut. Gemeinden mit über zwanzig Prozent Zweitwohnungen sollen altrechtliche Wohnhäuser leichter umbauen und neu nutzen können.
Konkret geht es um Gebäude, die vor dem Ja zur Zweitwohnungsinitiative im März 2012 gebaut worden sind. in Gemeinden mit über zwanzig Prozent Zweitwohnungen dürfen solche Bauten heute nur beschränkt neu genutzt werden.
Verdichtungen in Bergregionen ermöglichen
Der Nationalrat folgte der Mehrheit der Urek-N, die mit der Lockerung Verdichtungen und Entwicklungen in Bergregionen ermöglichen will, wie Pierre-André Page (SVP/FR) ausführte. Und für Einheimische sollten moderne Wohnungen entstehen können.
Ein altrechtlich erstelltes Wohnhaus soll gemäss Vorlage vergrössert und neu auch unterteilt werden können, so dass zusätzliche Wohnungen Platz haben. Eine solche Unterteilung bedeute nicht zwingend mehr Zweitwohnungen, sagte Nicolò Paganini (Mitte/SG) für die Urek-N.
Eine Missachtung des Volkswillens sei das nicht, fügte Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP/SG) an, denn die Zweitwohnungsinitiative wolle die Zersiedelung stoppen. Eigentümer in den 342 betroffenen Gemeinden könnten heute nicht frei entscheiden, wie sie Gebäude neu nutzen wollten, doppelte Christine Bulliard-Marbach (Mitte/FR) nach.
Widerspruch zur Verfassung
Eine rot-grüne Minderheit wollte die Lockerung nicht, unterlag aber mit ihrem Antrag auf Nichteintreten. Jede Entwicklung, die zu mehr Zweitwohnungs-Flächen führe, laufe dem Verfassungsartikel zuwider, die Zahl der gefragten Zweitwohnungen zu begrenzen, sagte Gabriela Suter (SP/AG). Schon das geltende Zweitwohnungsgesetz schwäche den Verfassungsartikel ab.
Einheimische kämen mit der Änderung des Zweitwohnungsgesetzes noch mehr unter Druck, sagte Suter. Kurt Egger (Grüne/SG) sprach von einer gefährlichen Entwicklung. Die beantragte Änderung schaffe einen Anreiz für Abbrüche und Neubauten. Altbauten enthielten aber oft preisgünstige Wohnungen für Einheimische.
Der Bundesrat und eine Minderheit beantragten in der Detailberatung vergebens, bei Abbrüchen, Wiederaufbauten und Erweiterungen entstehende zusätzliche Wohnungen zu Erstwohnungen zu machen. Umweltminister Albert Rösti führte verfassungsrechtliche Bedenken an und verwies auf die Zweitwohnungsinitiative.
Beat Flach (GLP/AG) warnte, die Öffnung der Regelung tue der einheimischen Bevölkerung der Berggemeinden keinen Gefallen und übe Druck auf Erstwohnungen aus. Mit Rücksicht auf Einwohner und deren Familien plädierte er für den vom Bundesrat vorgeschlagenen Weg. Der Antrag unterlag mit 88 gegen 101 Stimmen.
«Lauter Nichtbetroffene»
Michael Graber (SVP/VS) kritisierte, «dass lauter Nichtbetroffene Direktbetroffenen vorschreiben wollen, wie sie leben sollen». Auch die Eigentumsgarantie stehe in der Verfassung. Die Mehrheit der Urek-N wolle Wohnungen ohne Nutzungsbeschränkungen. Die Gemeinden könnten ja selbst strengere Vorgaben machen.
Christophe Clivaz (Grüne/VS) beantragte, dass Erweiterungen und zusätzliche Wohnungen nur in Gemeinden möglich sein sollten, die vom Kanton entsprechend bezeichnet worden sind. Sein Minderheitsantrag scheiterte indes deutlich.
Altrechtliche Wohnungen als Zweitwohnungen zu verkaufen oder zu vermieten, sei äusserst lukrativ, sagte Martina Munz (SP/SH). Sie beantragte, dass die Hälfte aller Wohnungen in einer neu errichteten und erweiterten Baute Erstwohnungen sein müssen. Diesen Antrag unterstützte der Rat mit 87 zu 78 Stimmen, hauptsächlich von SP und SVP. Von den 28 Enthaltungen kamen die meisten von den Grünen.
Den Anstoss zu der Vorlage gegeben hatte Nationalrat Martin Candinas (Mitte/GR). Sie geht nun an den Ständerat. (sda/pb)