10:56 BAUBRANCHE

Zwei Bauten, die sich gegenseitig bedingen

Teaserbild-Quelle: zvg

Bossard Arena und Uptown sind siamesische Zwillinge. Der eine Bau kann ohne den andern nicht sein. Das kommt auch in der Architektur zum Ausdruck. Architekt Andi Scheitlin erklärt die dahinter stehenden Zusammenhänge.

Interview Robert Stadler

ZugUp!: Herr Scheitlin, am Anfang stand ein Investorenwettbewerb für das Gebiet Herti. Drängte sich dieser Wettbewerb vor allem aufgrund der Projektgrösse auf?

Andi Scheitlin: Nein, das war nicht entscheidend. Den Grund dafür bildete in erster Linie die spezielle Aufgabenstellung. Es ging hier ja nicht nur um drei ganz unterschiedliche Bauvorhaben, sondern auch um einen zwingend damit verbundenen Landverkauf. Der Landpreis wurde aufgrund der Einnahmen festgelegt, die der Investor mit dem Projekt erwarten konnte. Der Wettbewerb hatte also zwei Ziele: Einerseits – und das stand sicher im Vordergrund – wollte man damit eine städtebaulich hohe Projektqualität sicherstellen, andererseits einen festen Kostenrahmen für die Realisierung erhalten.

Mit dem man dann vor die Stimmbürgerschaft treten konnte …

Ja. Die Aufgabenstellung war ziemlich delikat, das Geschäft politisch entsprechend umstritten. Zwar reduzierte der Landverkauf den städtischen Aufwand für den Bau der Eishockeyhalle erheblich. Andererseits wurden damit auch gewisse Abhängigkeiten generiert. Das stiess nicht überall auf Gegenliebe. Viele Zugerinnen und Zuger waren zwar für den Bau eines neuen Stadions, nicht unbedingt aber in diesem Doppelpaket. Andererseits hätte sich die Stadt Zug ohne den Landverkauf ein über 60 Millionen Franken teures Stadion nicht leisten können. Diese Erkenntnis hat sich schliesslich auch durchgesetzt – zu Recht, wie ich meine.

Was sehen Sie als Hauptgrund, weshalb gerade das Gesamtpaket Ihres Teams das Rennen gemacht hat?

An der Projektierung beteiligten sich namhafte Planungs- und Architekturbüros, etwa Diener & Diener aus Basel, Theo Hotz aus Zürich, ein bekanntes finnisches Büro und andere mehr – immer an der Seite eines Investors und zusammen mit anderen Planern. Die städtebaulichen Kriterien, vor allem unsere besondere Komposition zwischen den verschiedenen Teilprojekten, waren für den Juryentscheid zu unseren Gunsten sicher ein wesentlicher Faktor.

Wie kamen Sie auf die jetzt realisierte Formensprache?

Zunächst möchte ich klar festhalten: Wenn ich hier von der ersten Projektierungsphase spreche, dann meine ich mit «wir» und «uns» immer unsere damalige Architektengemeinschaft, bestehend aus dem Büro Leutwyler+Partner aus Zug, und unserem eigenen Büro Scheitlin-Syfrig aus Luzern. Man kann unser Projekt, unsere Komposition bestehend aus Eishalle, Hochhaus und Wohnsiedlung, in drei verschiedenen Massstäben lesen. Da ist zunächst der grosse städtebauliche Massstab. Standort der drei Baukomplexe ist der westliche Zuger Stadtrand. Östlich davon liegen zahlreiche grossmassstäbliche Bauten, teils öffentliche, teils private, die dem Zuger Stadtzentrum vorgelagert sind. In westlicher Richtung finden wir kleinmassstäbliche Häuser und dahinter das Siedlungsgebiet von Cham. Das Hertiquartier bildet also einen Übergang zwischen grossmassstäblichen zu kleinmassstäblichen Siedlungsstrukturen. Eishockeyhalle, Hochhaus und Wohnüberbauung definieren in der von uns gewählten Form eine Nahtstelle, wo das Grossmassstäbliche gewissermassen aufläuft und überleitet zum Kleinmassstäblichen. Das quer zur Hauptstrasse Richtung Cham ausgerichtete Hochhaus Uptown bildet dabei eine Art Riegel.

… einen Stadtabschluss gewissermassen.

Ja, genau. Auf einer zweiten, kleinmassstäblicheren Ebene definieren die einzelnen Bauten einen städtischen Platz. Sie gehen eine kompositorische Beziehung ein zu der bereits vorher bestehenden Sporthalle und der Überbauung Schutzengel. Mit diesen zusammen sparen sie einen neuen Aussenraum aus. Die dritte Ebene schliesslich ist eine architektonisch-kompositorische. Die in ihrer Form ganz unterschiedlich gestalteten Bauten verstärken ihre je eigene Aussage durch ihre Gegensätzlichkeit noch zusätzlich. Ich meine damit vor allem die Gegensätzlichkeit zwischen dem flachen und tiefen Baukörper des Eisstadions und der flachen, hohen Scheibe des Uptown-Hochhauses. Diese Komposition hat auch noch einen anderen, konstruktiven Grund. Das Dach der Eishalle bildet zusammen mit dem Dach des offenen Eisfeldes eine gefaltete, den Kräftelinien folgende Konstruktion. Die Idee dahinter ist, dass sich das Hallendach irgendwann vom flachen Körper verabschiedet und in die Höhe zum Hochhaus steigt. Dieser kompositorische Zusammenhang ist letztlich ein Ausdruck für die Heirat der beiden Gebäude. Das eine bedingt das andere – konstruktiv, betrieblich, aber wie schon dargelegt, vor allem auch in Bezug auf die Finanzierung. Dies wollten wir in der Architektur zum Ausdruck bringen. Eishockeyhalle und Hochhaus hätten ohne das andere nicht entstehen können, und sie können auch jetzt nicht ohne das ­andere existieren. Eine wichtige positive Begleiterscheinung der abgewinkelten Situierung des Hochhauses besteht im Umstand, dass der Bau vom See her gesehen sehr schlank, fast wie eine Nadel, in Erscheinung tritt. Bei solch voluminösen Baukörpern an solch exponierten Standorten liegt die Messlatte in gestalterischer Hinsicht ja immer sehr hoch.

Trotzdem gab und gibt das Hochhaus in der Zuger Bevölkerung genug zu reden. Beispielsweise was die drei grossen durchbruchartigen Öffnungen in der Fassade des Hochhauses betrifft. Welche Idee haben Sie damit verfolgt?

Im ursprünglichen Wettbewerbsprojekt waren diese Durchbrüche ein wesentlicher Bestandteil des gestalterischen Gesamtkonzeptes und trugen, wie ich meine, wesentlich zur besonderen Attraktivität des Projekts bei. Die Idee war, eine gewisse Störung, eine gewisse Irritation in Bezug auf das gleichmässige Fassadenmuster und gleichzeitig auch eine gewisse Leichtigkeit und Transparenz zu erzeugen. Die Durchbrüche waren zunächst als durchgehende und begrünte halböffentliche Räume gedacht, die als Aufenthaltszonen allen Bewohnern und sonstigen Nutzern des Hochhauses offen gestanden wären. Als dann das Projekt – schon bald nach Abschluss des Wettbewerbs – an die CS als Bauherrin überging, veränderten sich aber Situation und Interessen. Auch stellte sich heraus, dass es sehr schwierig und auch recht teuer gewesen wäre, solche Gemeinschaftsräume zu unterhalten.

Wir als Architekten hätten auch gut damit leben können, wenn man aufgrund dieser und anderer Erkenntnisse auf die Durchbrüche ganz verzichtet hätte. Sie waren aber Teil des Abstimmungsprojekts, so dass es schwierig war, sie ganz aus dem Projekt zu kippen. Wir haben schliesslich aus den ursprünglich zwei grossen Durchbrüchen deren drei – dafür kleinere – gestaltet. Sie sind nur noch partiell durchlässig, weil die beiden Gebäudekerne mit Treppen- und Lifthaus durch diese Räume stossen. Rein konzeptionell könnte man kritisieren, dass die Durchbrüche so nicht mehr dem ursprünglichen Entwurf entsprechen. Dies auch deshalb, weil es sich nicht mehr um halböffentliche, sondern um private Räume handelt, von welchen jetzt nur noch vier Wohnungen profitieren können.

Umstritten war auch die Farbgebung. Weshalb?

Ein Wettbewerb ist immer nur eine Momentaufnahme. Und jede Projektierung ist ein Prozess, der mit fortschreitender Bearbeitung Veränderungen mit sich bringt. In unserem Fall war auch die Farbgebung davon betroffen. Anfänglich sollte die Farbe etwas mit dem Blauweiss Zugs zu tun haben. Auch das Projizieren von Lichtspielen, Bildern oder Filmen auf die Fassaden wurde diskutiert. Von beidem ist man wieder abgekommen. Gegen eine helle Farbe und gegen das ebenfalls vorgesehene unbehandelte Aluminium sprach unter anderem die Tatsache, dass das Stadion ausserhalb der Eishockey­saison oft leer steht. Die kühle Farbgebung hätte im Sommer den Eindruck der Unbelebtheit noch verstärkt. Es setzte sich schliesslich die Einsicht durch, dass die beiden Teile Bossard Arena und Uptown auch farblich eine gewisse Einheit bilden sollten. Aus all diesen Gründen kam man auf das jetzt gewählte bronzefarbige eloxierte Aluminium. Farbe und Materialisierung nehmen bei beiden Gebäuden aufeinander Bezug. Beim Stadion finden wir das Material in Gitterform, beim Hochhaus als glatte ­Fassadenplatten der durchgehenden Bänder zwischen den Fenstern. All dies wurde gegenüber den Behörden und der Öffentlichkeit auch immer offen kommuniziert.

Welchen Einfluss hatte die spezielle Trapezform des Uptown-Hochhauses auf die Grundrisse der Wohnungen und Büros?

Im Gegensatz zu den meisten Hochhäusern in der Schweiz – beispielsweise zu den zylindrischen Zwillingshochhäusern bei der Swisspor-Arena Luzern mit ihren allseitig ähnlichen oder gleichen Fassaden – ist Uptown ein klar gerichtetes Hochhaus. Es besitzt eine Stirnseite, zwei Seitenteile und eine schräge Hinterseite, die eigentlich mehr ein Dach als eine Fassade ist. Auf dem sich nach oben verjüngenden Grundriss konnte ein besonders breites Spektrum an Wohnungstypen realisiert werden. Das ist schon eine Besonderheit.

Sind die Zwischenwände flexibel?

Fix sind einzig die Wohnungstrennwände, sonst ist alles veränderbar. Wobei solche Flexibiliät in der Praxis ganz allgemein eher selten genutzt wird. Wir verstehen unter Flexibilität weniger die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt noch Wände umbauen oder verschieben zu können, als die Möglichkeit, während der Planungsphase möglichst lange anpassungsfähig zu bleiben. Auf diese Weise können wir auch spät noch auf neue Marktentwicklungen reagieren.

Hat sich beim Uptown in dieser Hinsicht während der Projektierung viel geändert?

Wir haben bereits über die Veränderungen in Bezug auf die Farbgebung und die Durchbrüche gesprochen. Und es gab noch andere Anpassungen. Generell möchte ich hier drum gerne noch etwas Weiteres zur Kritik sagen, das ausgeführte Hochhaus entspreche in einigen Punkten nicht dem in der Abstimmungsvorlage präsentierten Projekt.

Bitte!

Hängt die Umsetzung eines Projekts von einer Volksabstimmung ab, geht ein privater Investor immer das Risiko ein, dass sein Vorhaben möglicherweise nie ausgeführt werden kann. Er wird sein planerisches und finanzielles Engagement deshalb bis zur Abstimmung auf das unbedingt Notwendige beschränken. Das darf man ihm nicht verübeln. Daher sollte man auch akzeptieren können, dass ein Investor in dieser Phase noch keinen gigantischen Planungsaufwand betreibt und alles bis ins letzte Detail festlegt. Bei einer öffentlichen Bauherrschaft ist das etwas anders. Dort übernimmt die öffentliche Hand die Kosten eines allfälligen Scheiterns an der Urne. Kurz: Auch das Projekt in Zug befand sich zum Zeitpunkt der Abstimmung noch auf einem relativ groben Planungsstand. Das muss und darf man hier klar festhalten.

Aus Ihrer Sicht und aus der Sicht eines privaten Investors müssen in der Detailplanung also immer noch gewisse Projektänderungen möglich sein?

Ja, denn sonst bräuchte es – um es überspitzt zu sagen – auch gar keine Detailplanung. Viele Fragen, beispielsweise feuerpolizeilicher, energetischer und technischer Art werden in der ersten Planungsphase relativ rudimentär behandelt. Und ich möchte noch an einen weiteren Punkt erinnern, der zu beachten ist: Ursprünglich hätte das Hochhaus ein Jahr später gebaut werden sollen. Mit dem Verkauf des Uptown-Projekts an den Real Estate Fund Green Property der CS wurde die Planung massiv beschleunigt.

Sie traten zunächst mit dem Büro Leutwyler & Partner gemeinsam auf, später haben Sie sich getrennt. Während Sie die Projektierung und Ausführung von Bossard Arena und Uptown übernahmen, bearbeitete das Büro Leutwyler die Überbauung Schutzengel. War dies von Anfang an so vorgesehen?

Nein, gewisse Sachen haben sich leider etwas unglücklich entwickelt; ich möchte hier aber nicht näher darauf eingehen. Nur so viel: Wer an einem Architekturwettbewerb teilnimmt, geht nicht gleich davon aus, dass er ihn auch gewinnt und mit der Ausführung beauftragt wird. Wir haben uns damals im Vorfeld wohl zu wenig darüber unterhalten, wie es weitergehen soll, wenn dieser Fall eintritt. Aber dies ist jetzt Vergangenheit und wir haben uns einigen können. Alles in allem war die Zusammenarbeit mit allen am Projekt Beteiligten, insbesondere auch mit den Investoren sowie mit den Behörden der Stadt Zug sehr professionell und äusserst angenehm.

Informationen

Unser Gesprächspartner

Andi Scheitlin (59) ist diplomierter Architekt ETH in Luzern. Zusammen mit Marc Syfrig (59) gründete er 1985 das Architekturbüro Scheitlin & Syfrig, das 2001 in die Scheitlin-Syfrig+Partner AG überging. Partner und Nachfolger sind heute François Guillermain, Paolo Janssen, Attilio Lavezzari und Tanja Temel. Das Unternehmen beschäftigt zurzeit rund dreissig Mitarbeitende und ist damit eines der grösseren auf dem Platz Luzern.

Neuere Projekte

  • Wohnüberbauung Westhang Rodtegg, Luzern
  • Wohnüberbauung Tribschenstadt, Luzern
  • Wohnüberbauung Wilenmatt, Sursee
  • Wohnüberbauung, Wald
  • Bäderprojekt, Oberägeri
  • Sport- und Kongresszentrum Tägerhard, Wettingen

Aktuelle Wettbewerbe

  • Aarau Torfeld Süd
  • Bürogebäude Z1, D4 Root
  • Bahnhofstrasse Lenzburg

www.scheitlin-syfrig.ch

Uptown in Kürze

Uptown ist ein längliches, relativ schmales Scheibenhochhaus. Im Erdgeschoss entstanden ein Restaurant und mehrere Geschäfte, in den darüber liegenden fünf ersten Obergeschossen befinden sich Büros mit einer Gesamtfläche von knapp 4700 Quadratmetern. In den Geschossen 6 bis 17 sind auf 8000 Quadratmetern 70 Zweieinhalb- bis Fünfeinhalb-Zimmer-Wohnungen angelegt. Im Dachgeschoss wurde auf 200 Quadratmetern die öffentlich zugängliche «Skylounge» eingerichtet. Deren öffentliche Nutzung war im Februar 2008 an einer Volksabstimmung entschieden worden, als das Projekt noch in den Händen der Stadt Zug lag. Nach der Abstimmung verkaufte die Stadt das Areal mit dem baubewilligten Projekt an die Anliker AG. Diese wiederum veräusserte es an den Immobilienfonds der Credit Suisse, die als Bauherrin auftrat.

Obwohl das Hochhaus Uptown und die Bossard Arena zwei völlig verschiedene Objekte sind, besteht zwischen ihnen eine bauliche Beziehung. Die blechverkleideten Stehfalzdächer der beiden Gebäude sind nämlich miteinander verbunden. Die grossen Fassadenflächen des Stadions sind zudem mit Streckmetall eingekleidet, sodass das Ganze schliesslich wie ein aufgespanntes Gitternetz wirkt. Auf diese Weise wird die Verwandtschaft der beiden Gebäude zusätzlich betont. Analog zum Gitternetz des Stadions bestehen die horizontalen Fassadenbrüstungsbänder und die sie verbindenden einzelnen vertikalen kurzen Wandstücke im Fensterbereich des Hochhauses aus glatten eloxierten Aluminiumplatten. So wird erreicht, dass die Fassade als eine die Glas- /  Fensterflächen überlagernde Gitter- / Netzstruktur wahrgenommen wird.

Die Erschliessung erfolgt über zwei Treppenhäuser und fünf rollstuhlgängige Personenaufzüge, die je zehn Personen oder eine Nutzlast von 800 Kilogramm fassen. Dazu kommt ein Feuerwehraufzug in jedem Treppenhaus mit einer Nutzlast von je 1275 Kilogramm. Die Aufzüge sind mit dem Untergeschoss und der Autoeinstellhalle mit ihren 165 Abstellplätzen verbunden.

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