Zürich träumt vom Meer
Früher wurden die Limmatschiffe vor allem an Ringen festgemacht. An Hochseehäfen erfüllen schwere Poller diesen Zweck. Ein solcher findet sich seit kurzem an der Limmat. Er bildet den Auftakt zu einer ausgefallenen Kunstaktion, die zum Nachdenken über die Gestaltung des Platzes bei der alten Fleischhalle anregen soll.
Seit gestern findet sich ein rostiges, rundes Objekte an der :Schiffsanlagestelle, nahe der Zürcher Wasserkirche: ein Hafenpoller. Das klobige Ding wiegt 300 Kilogramm und bildet als erster von insgesamt fünf Hafenpollern den Auftakt zur Kunstaktion „Zürich Transit Maritim“. Sie findet ihren Höhepunkt in einem Hafenkran, der bei der ehemaligen Fleischalle zu stehen kommen soll. Voraussichtlich wird es ein echter Kran aufgestellt werden. „Es kann ein Kran sein, der seine Tage hinter sich hat. Die ganzen Motoren und Steuergeräte, die sehr teuer sind, brauchen wir nicht”, führte dazu Mitinitiant des Projektes Jan Morgenthaler zu Beginn des Jahres in einem Interview mit der “Neuen Zürcher Zeitung” aus. Es solle nur das „Skelett“ eines Krans sein. - Das zeitlich befristete Projekt will den Traum von der Stadt am Meer thematisieren. Daneben soll das Projekt laut Mitteilung des Zürcher Hochbaudepartements zur Diskussion über die künftige Gestaltung des Platzes beitragen.
Gestern hat die Aktion offiziell angefangen: Jan Morgenthaler setzte den Poller als freigelegtes Fundstück in Szene. Es werfe Fragen auf, erklärte er und zog dabei Fachleute zu Rate: Andreas Motschi von der Stadtarchäologie Zürich und Wilfried Winkler vom Geologischen Institut der Zürcher ETH. Motschi erklärte die wichtige Bedeutung des Zürcher Hafens und untermauerte dies mit wissenschaftlichen Daten. Das mag zwar stimmen, passt aber nicht hundertprozentig: Der Poller ist viel zu gross für einen Binnenhafen, normalerweise finden sich solche Poller nur in Hochseehäfen. Dass Zürich dennoch einen Bezug zum Meer hat, belegte Wilfried Winkler vom Geologischen Institut der ETH: In der jüngsten Erdgeschichte war das Gebiet der Stadt bereits zwei Mal vom Meer überflutet; Haie, Rochen, Seekühe, Delfine, Wale und Muscheln waren hier einst zu Hause, wenn auch das letzte Mal vor 17 Millionen Jahren.
Die Kunstaktion soll insgesamt fünf Jahre dauern. Im Jahr 2011 wird der Hafenkran errichtet. Seit Bekanntwerden der Aktion sorgt der Hafenkran für Diskussionen. Und noch immer stösst er auf Kritik. „Wo bleibt der gesunde Menschenverstand?“ fragen die Gegner des Projektes auf ihrer Website hochseekran.ch und monieren unter anderem die Verschwendung von Steuergeldern in Krisenzeiten. Auch wenn Jan Morgenthaler in der NZZ erklärte: „Der Kran wird, kaum ist er da, schon wieder abgebaut sein.” (mai)