Zürcher Westtangente: Ruhe nach dem Lärm
Nach einer intensiven Bauphase entlang der früheren Westtangente wird das neue Gesicht des einst dicht befahrenen Quartiers sichtbar: Alleen, Plätze zum Verweilen und fussgängerfreundliche Strassen. Doch die Ruhe hat auch Schattenseiten.
Quelle: zvg
Für den Bullingerplatz wünschten sich die Anwohner ein Schachspiel und Bänke.
Seit rund einem Jahr herrscht Ruhe: Die Zürcher Weststrasse oder vielmehr der einstige „Auspuff der Nation“ ist verkehrsberuhigt. Grund für diesen Umstand ist der neue Üetlibergtunnel und die 2009 eröffnete Westumfahrung; der Transitverkehr umfährt die Stadt auf der A3 durch den Zürcher Hausberg. In der Folge ging der Verkehr in der Stadt in den in diesem Zusammenhang neuralgischen Gebieten deutlich zurückgegangen.
Parallel dazu wurden entlang der früheren Transitachse Bullinger-,/Sihlfeld-/Weststrasse flankierende Massnahmen ergriffen, die für mehr Ruhe und noch weniger Verkehr sorgen. Im November sollen die in diesem Rahmen noch laufenden Bauarbeiten beendet sein. Bereits heute gilt dort Tempo 30, so dass die Quartierstrassen nun auch für Velofahrer attraktiv sind und bestehende Routen nicht mehr im Nichts enden. Die Sihlfeld- und die Weststrasse sind durchgängig befahrbar, Querungen sind einfacher geworden. Jetzt gebe es mehrheitlich Ziel-/Quellverkehr, sagte Jürg Christen, Chef der Verkehrssteuerung Zürich am Dienstag vor den Medien. Der Durchgangsverkehr wird über die Hohl-/Seebahnstrasse geleitet. Diese Verkehrsführung habe sich bewährt. Eine Schlussbilanz kann jedoch erst Ende des Jahres gezogen werden. Denn Ende Oktober werden zwei Grossbaustellen geschlossen und der Verkehr läuft wieder auf der sanierten Hardbrücke und der umgebauten Pfingstweidstrasse.
Nur Friede und Freude hat zumindest die Beruhigung der Weststrasse aber nicht gebracht: Viele Anwohner oder vielmehr Mieter sind ausgezogen, weil ihre ehemals günstigen Wohnungen ausgebaut und saniert werden und wurden, damit sie sich danach teurer an den künftige Mieter oder Eigentümer bringen lassen. Wie Felicitas Huggenberger vom Stadtzürcher Mieterverband vor rund zwei Wochen gegenüber dem „Tages-Anzeiger“ erklärte, beschäftigen seit Jahren viele Fälle um die Weststrasse.
Anny Klawa lässt grüssen
Im Quartier Aussersihl-Hard bieten zwei neu geschaffene Plätze Freiräume für die Anwohner. Der 2200 Quadratmeter grosse Platz im mittleren Abschnitt der Sihlfeldstrasse ist nach der Arbeiterin und Sozialistin Anny Klawa benannt, die sich für bessere Lebensbedingungen der Arbeiter und die Rechte der Frauen eingesetzt hat. Auch die Namensgeber des 2000 Quadratmeter grossen Brupbacher-Platzes an der Verzweigung Sihlfeldstrasse/Weststrasse haben sich für die Rechte der Arbeiter eingesetzt. Der Arzt Fritz Brupbacher und seine Frau Paulette, ebenfalls Ärztin, setzten sich für die Bildung der Arbeiterschaft und Geburtenkontrolle ein. Beide Plätze werden, ebenso wie der Strassenraum, klar und übersichtlich gestaltet. Die zwei neuen Freiräume erhalten einen Kiesbelag und Sitzgelegenheiten. Der 5000 Quadratmeter grosse Bullingerplatz bleibt in seiner Struktur erhalten.
Der ganze Platz mit dem markanten Brunnen wird zu einer Begegnungszone. Hier gilt Tempo 20 und Fussgänger haben Vortritt vor Autos. Dies entspricht einem Wunsch der Anwohner. Ebenfalls nach ihrer Anregung entsteht im seitlichen Bereich ein gekiester Aufenthaltsbereich mit Bänken, einem Schachfeld und einem Trinkbrunnen. Noch fehlen auf den Plätzen und den umgestalten Strassen die rund 300 geplanten Bäume. Sie werden im Frühjahr 2012 gepflanzt. Eine Allee aus 60 Zerr-Eichen soll laut den Planern der Sihlfeldstrasse ein „Potenzial zur Flaniermeile“ verleihen.
Die Kosten für die flankierenden Massnahmen ohne Werkleitungen wurden auf 60 Millionen Franken budgetiert. Tatsächlich liegen die Kosten nur rund 15 Prozent tiefer. 16 Prozent davon trägt die Stadt, 24 Prozent übernimmt der Kanton und 60 Prozent der Bund. (mai/sda)