08:33 BAUBRANCHE

Zollfreilager Zürich AG: Im Strudel der Zeiten

Geschrieben von: Claudia Porchet (cet)
Teaserbild-Quelle: Heinrich Wolf-Bender/Baugeschichtliches Archiv Zürich

Die Zürcher Freilager AG wurde 1923 gegründet, um in Zürich-Albisrieden ein Zollfreilager zu bauen und zu betreiben. Während vieler Jahrzehnte war die Anlage eines der grössten Zentren für Warenlagerung und Transithandel in der Schweiz.

Zollfreilager Zürich 1927

Quelle: Heinrich Wolf-Bender/Baugeschichtliches Archiv Zürich

So sah das Eidgenössische Zollamt, das Zollfreilager Zürich 1927 aus.

Dass in Zollfreilagern eine zeitlich unbeschränkte Einlagerung möglich war, kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Rund 100 Jahre sind vergangen, seitdem die Zürcher Freilager AG ins Leben gerufen wurde. Dazu ist ein Buch erschienen, in der die bewegte Geschichte des Unternehmens samt Wirtschaftskrisen, neuen Gesetzen sowie eine Änderung hin zu einem modernen beziehungsweise zukunftsträchtigen Denken vielseitig dargestellt wird.

Spannende Texte, tolle Bilder

Für den Band: «100 Jahre Zürcher Freilager AG, 50 Jahre Embraport» hat der  Betrieb hat keinen Aufwand gescheut, um darin seine bewegte Geschichte und seine Neuausrichtung zu veranschaulichen. Die Basis dafür bilden umfangreiche Recherchen unter anderem in Zeitungs- und Bildarchiven sowie Forschungsarbeiten. Die Texte sind in eine Vielfalt von unterschiedlichen Formen aufgefächert. Wir finden Expertenberichte aus diversen Branchen, Interviews, kleine Geschichten oder auch Infoboxen, welche die Lektüre abwechslungsreich machen. Zudem wird die Zürcher Freilager AG aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Allein die vielen tollen, teils grossaufgezogenen Fotos bilden eine eigene Historie. Die Entwicklung der drei Standorte in Zürich-Albisrieden, Kloten und Embrach lässt sich so auch visuell prima nachvollziehen.

Während der Lektüre wird einem bewusst, dass sich in der Veränderung und Entwicklung des Zürcher Freilagers die Zeitgeschichte widerspiegelt. So erfahren wir, dass bedeutende wirtschaftsliberale Kräfte sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg auf die Entstehung von Zollfreilagern auswirkten. Waren liessen sich so zeitlich unbeschränkt unverzollt einlagern, was den Transithandel förderte. Allerdings wurden infolge der Grenzschliessung der Schweiz während dieser Zeit Zollschranken erstellt.

Die Zollfreilager der Schweiz sind die Schatzkammern von Sammlern und Händlern sowie Drehscheiben für ein internationales Geschäft.

NZZ, Februar 2000

Ein neues Stadtquartier

Auch der Schwarze Freitag an der Börse in New York 1929 beziehungsweise die Wirtschaftskrise wirkten sich negativ auf die Zürcher Freilager AG in Zürich-Albisrieden aus. Die USA führten deutlich weniger amerikanische Autos ein, was den Umsatz sinken liess. In den folgenden Jahren diente die Firma immer weniger als Freilager, sondern vielmehr als Lagerhalle. Dass ausgerechnet der Teppichhandel während der Kriegsjahre einen Aufschwung erfuhr, erstaunt doch sehr.

Der vorliegende Band vermittelt weiter ein Stück der Zürcher Stadtgeschichte: Die Zürcher Freilager AG wirtschaftete in Zürich-Albisrieden – damals noch ein Vorort der Stadt Zürich. Das Gebiet entwickelte sich während der Sechzigerjahre zum städtischen, «praktisch flächendeckend überbauten» Quartier, schreibt der HSG-Professor Wolfgang Stölzle. Damit wurde Land an zentralen Lagen immer teurer, was Investoren anzog. Entscheidende Treiberin dieser Entwicklung war die neue Hauptaktionärin AXA Winterthur.

Das Areal wurde (wie unzählige andere Gelände in der Schweiz) zu einem neuen, lebendigen Stadtquartier mit rund 850 Mietwohnungen, rund 200 Zimmern für studentisches Wohnen sowie 18 '000 Quadratmetern Gewerbe- und Büroflächen. Im Quartier wohnen und arbeiten rund 2500 Personen. 2016 zogen die ersten Mieter ein. 

Marktgasse

Quelle: Severin Jakob

Blick in die Marktgasse: Umbau und Aufstockung von Marcel Meili und Markus Peter Architekten.

Drei Standorte gleichzeitig betrieben

Damit, so der Logistikmanagement-Experte, gab es für den Betrieb eines Zollfreilagers keine optimalen Standortbedingungen mehr.  Die schnelle Suche sowie das rasche Auffinden einer geeigneten Fläche zeigen auf, wie flexibel das Unternehmen reagieren konnte. Schon 1972 war eine neue Stelle ausfindig gemacht. Man entschied sich für Embrach, «einem logistisch günstig gelegenen Dorf in voller Entwicklung.» Jahrzehntelang wurden drei Zollfreilager, in Zürich-Albisrieden, Kloten und Embrach, parallel betrieben.

Spannend ist auch die erste massive Vergrösserung. 1960 realisierte die Zürcher Freilager AG 1960 in Kloten einen weiteren Standort. Die rund tausend Quadratmeter grossen Räumlichkeiten dienten «ausschliesslich der Lagerung unverzollter Güter aus dem Luftverkehr». Dies schlug ein wie Bombe. Und was da gelagert wurde! Aufbewahrt wurden Orientteppiche, Chemikalien, Blutplasmen, Seren, Textilien aller Art, Pelze, Tresoranlagen, ganze Kühlräume und Besichtigungskabinen. Die Kunden waren Grossbanken sowie der grösste Diamantenhändler der Welt. Das Zollfreilager Kloten wurde 2007 an eine Konkurrentin verkauft.

Elefanten Zollfreilager Zürich

Quelle: Andreas Wolfensberger / «Der Landbote»

Im Winter 2003/2004 beherbergte der Embraport zwei spezielle Gäste: Auch kleine «Ausflüge» gehörten zum Service.

Strategie «Embraport 2025»

Ender Sechzigerjahre brauchte man mehr Platz für den Camion- und Containerverkehr, erfährt man im Beitrag von Adrian Knoepfli. Mittels Container konnte man auf das arbeitsintensive Umladen von Stückgütern von einem Verkehrsmittel auf ein anderes verzichten, so der Wirtschaftshistoriker. zu vermeiden und durch Umsetzen ganzer Grossbehälter eine Die Zürcher Freilager AG wurde.

Heute sind die beiden Standorte in Zürich und Embrach nicht auf schnelle Gewinne ausgerichtet. Vielmehr setzt das Management auf langfristige Existenzsicherung des Unternehmens. Zu diesem Zweck werden neben den die Unternehmensführung betreffenden Kriterien (governance) auch gesellschaftliche (social) und ökologische (environmental) Faktoren in alle Entscheide und Investitionstätigkeiten miteinbezogen. Dabei steht die «grüne Dimension» im Zentrum.

«Der verantwortungsvolle Umgang mit natürlichen Ressourcen gehört zu den grundlegenden Werten der Unternehmenstätigkeit in Embrach», schreibt Wolgang Stölzle.

Auf den Dächern der Logistikgebäude werden PV-Anlagen den Strom produzieren, der auf dem Areal benötigt wird – für den Betrieb der Gebäude, aber auch für die E-Mobilität. Fossile Wärmeproduktionsanlagen werden durch CO2-neutrale Heizungssysteme ersetzt. (cet)

Buchtipp

Wohnen und Logistik im Einklang: 100 Jahre Zürcher Freilager AG.
Hrsg. von Zürich Freilager AG. Zürich: Scheidegger & Spiess, 2000.

Buchcover Freilager

Geschrieben von

Redaktorin Baublatt

Claudia Porchet ist Philologin und interessiert sich für Architekturgeschichte, Kunst am Bau und Design. Ebenso begeistern sie neue Forschungsresultate aus allen Bereichen. Zudem ist sie für die Kolumnen zuständig und steht deshalb in Kontakt mit allen grossen Verbänden.

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