Wollishofen ist auch Seefeld
Das Zürcher Quartier Wollishofen liegt gegenüber dem mittlerweile noblen Seefeld. Nun scheint den Stadtteil am linken Zürichseeufer ein ähnliches Schicksal wie sein Vis-à-Vis zu ereilen: Neubauprojekte und hohe Mieten vertreiben die alteingesessenen Bewohner.
Wollishofen liegt perfekt: Es gibt viel Grün, das Quartier befindet sich direkt am See und in der Nähe des Stadtzentrums. Kein Wunder, ist hier das Bauland äusserst begehrt. So plant dort zurzeit etwa die UBS eine neue Siedlung mit 56 Wohnungen „mit hochwertigem Wohnkomfort und an bester Hanglage“. Sie verfügen alle über eine Fläche zwischen 100 und 200 Quadratmetern. Den luxuriösen Wohnungen müssen teils sanierungsbedürftige Mehrfamilienhäuser aus den 50er Jahren weichen. Gut möglich, dass kaum Mieter, die derzeit in den alten Häusern wohnen, im Neubauprojekt einzieht. Zu hoch werden die Mieten wohl voraussichtlich sein. Gegenüber dem „Tages-Anzeiger“ erklärte die Firma Livit, die für die Verwaltung der Häuser zuständig ist und zur UBS gehört, dass man die Mieter bei der Suche nach einer neuen Wohnung unterstützen wolle.
Was hier geschieht, mag symptomatisch für das mittlerweile begehrte Quartier sein. Im Zürcher Seefeldquartier, das genau vis-à-vis von Wollishofen auf der anderen Seeseite liegt, spielt sich Ähnliches schon seit Jahren ab. Wohnungen für den Mittelstand werden immer rarer. Und wo einst kleine Läden für den täglichen Bedarf waren, finden sich trendige Bars und teure Boutiquen. Nun spricht man in Wollishofen von einer Seefeldisierung.
Hochhäuser und Weststrasse
Diese Entwicklung betrachtet Hanspeter Hongler, Professor für Soziale Arbeit an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, mit Besorgnis. In einem Interview mit der Online-Ausgabe des „Tages-Anzeigers“ erklärt er, weshalb. Natürlich seien Veränderungen in einer Stadt wichtig, selbst wenn da und dort teure Wohnungen entstünden, räumt er ein. Das eingangs erwähnte Projekt der UBS findet Hongler allerdings insofern bedenklich, als dass dort alteingesessene Bewohner leben und es ein über Jahrzehnte gewachsenes Quartier ist. Dieses soziale Gefüge werde dadurch zerstört.
Die stärksten Veränderungen in der Stadt Zürich ortet er allerdings im Bau der Hochhäuser. Die Hochhäuser trügen zwar zur Urbanität bei, man müsse aber gleichzeitig aufpassen, dass dort nicht nach und nach „geschlossene Communitys“ entstünden. Einen weiteren Brennpunkt sieht er in der Weststrasse, im Stadtteil Wiedikon. Nachdem sie von der Kantonsstrasse zur Quartiersstrasse abgewertet worden sei, sei sie damit als Wohnquartier wieder aufgewertet worden. Bisher habe sie gerade wegen des starken Verkehrs Studenten und Migranten und ihren Familien günstigen Wohnraum geboten.
Das die Politik für die Lösung solcher Zustände besorgt sein muss, stimmt für Hongler allerdings nur bedingt. Es sei falsch, dieses Problem einfach der Politik in die Schuhe zu schieben. Letztlich liegt es laut Honger auch an den Investoren, die ihre Verantwortung wahrnehmen sollten. Die UBS hätte es in der Hand, eine Überbauung zu entwerfen, die nicht nur energetisch nachhaltig sei, sondern auch sozialpolitisch, sagt Hongler bezugnehmend auf das Wollishofer Projekt der UBS. Die Bank habe dem Staat viel zu verdanken und hätte hier eine hervorragende Gelegenheit, der Allgemeinheit jetzt auch etwas zurückzugeben. (mai)