11:06 BAUBRANCHE

«Wir wollen begleiten – nicht befehlen!»

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Minergie ist heute in aller Munde. An der Spitze von Minergie Schweiz steht ein Zuger, nämlich Heinz Tännler, Regierungsrat und kantonaler Baudirektor. Im Gespräch mit «ZugUp!» verteidigt er Minergie gegen Kritiker. Und nebenbei glaubt der frühere Platzspeaker beim EV Zug auch zu wissen, wer Schweizer Eishockey-Meister 2011/2012 wird.

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Heinz Tännler war einmal beim EVZ Stadionsprecher.

Interview: Robert Stadler

Herr Tännler, wann kamen Sie erstmals mit Minergie in Kontakt?

Heinz Tännler: Zwar war mir der Minergie-Standard schon vor meiner regierungsrätlichen Zeit ein Begriff. Damit konkret zu tun habe ich aber erst seit dem Antritt meines Regierungsratsmandats vor bald fünf Jahren. Da es Tradition ist, dass ein Regierungsrat das Präsidium innehat, wurde ich von meinem Vorgänger, dem Aargauer Regierungsrat Peter Beyeler, angesprochen.

Minergie geniesst in der Bevölkerung eine breite Akzeptanz. Es gibt aber auch Skeptiker, welche Minergie-Bauten als überisolierte und aus diesem Grund ungesunde Häuser betrachten. Zitat aus einem Internet-Beitrag: «Minergie heisst Energie verschleudern, Geld vergeuden und Gesundheit ruinieren!» Was antworten Sie solchen Kritikern?

Minergie setzt sich zum Ziel, das bessere Planen und Bauen zu fördern. Was verstehen wir darunter? Eine gute Gebäudehülle steigert die Behaglichkeit für die Bewohner, reduziert den Energieverbrauch und ist dank der Komfortlüftung auch aus gesundheitlicher Sicht eine Verbesserung. Die Lüftung erzeugt keinen Durchzug wie offene Fenster es tun. Pollen, Feinstaub und Lärm bleiben draussen beziehungsweise im Filter der Lüftung. Feuchtigkeitsprobleme kennt man im Minergie-Haus nicht.

Und von wegen Geld verschleudern: Das Geld, das in die bessere Gebäudehülle investiert wird, amortisiert sich bekanntlich innert nützlicher Frist. Den Kritikern kann überdies entgegengehalten werden, dass in den vergangenen 13 Jahren gegen 24 000 Gebäude im In- und Ausland nach Minergie zertifiziert werden konnten – das ist doch ein beeindruckender Leistungsausweis!

Wie hat sich die Mitgliederzahl von Minergie in den letzten Jahren entwickelt?

Unser Verein zählt heute 509 Mitglieder und 1389 Fachpartner. Sowohl die Anzahl der Mitglieder wie auch der Fachpartner hat sich in den letzten paar Jahren erfolgreich entwickelt. Das reflektiert auf eindrückliche Art und Weise die Akzeptanz, die Minergie sowohl bei den Behörden als auch in der Industrie und dem Gewerbe geniesst.

Hat Minergie durch Fukushima noch an Aktualität gewonnen? Spüren Sie ein zusätzliches Interesse?

Fukushima hat sehr vieles ausgelöst. Und sicher hat das Ereignis viele Hausbesitzer und Bauherrschaften zum Überdenken ihres Energieverbrauchs veranlasst. Das Energie-Thema als ganzes hat dadurch in der Politik, Wirtschaft und auch bei der Bevölkerung an Aktualität gewonnen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass das Interesse an Minergie grundsätzlich höher ist als noch vor kurzem. Das zeigen auch die Zahlen der ausgestellten Zertifikate.

Halten Sie es für sinnvoll, dass jedes Land einen anderen Standard definiert? Wäre hier nicht eine vermehrte europäische Zusammenarbeit angezeigt?

Das wäre sicher sehr sinnvoll – nur eben: Wer macht den Anfang? Minergie ist heute in Relation zur Bautätigkeit und Bevölkerung international gesehen mit Abstand der erfolgreichste Baustandard. Soll Minergie nun viel Energie und somit auch Geld in die Harmonisierung von Standards stecken oder ist es nicht gescheiter, unseren erfolgreichen Standard ins Ausland zu exportieren? In Frankreich werden Häuser von unserem französischen Lizenzpartner nach Minergie zertifiziert. Das Interesse aus dem Ausland ist sehr gross. Nur ist der Export eines Baustandards eine anspruchsvolle und zeitaufwendige Sache. Bisher haben uns für die aktive internationale Vermarktung von Minergie die finanziellen und personellen Kapazitäten gefehlt.

Zuerst gab es einfach den Minergie-Standard; heute sind es mit Minergie-P, Minergie-Eco und Minergie-P-Eco insgesamt schon deren vier. Was ist als nächstes geplant?

Am 10. März 2011 haben wir mit Minergie-A einen Standard für so genannte Plusenergiehäuser eingeführt. Diese Gebäude produzieren die Energie für die Heizung und das Warmwasser selber. Mit Minergie-A sind wir gegenüber der EU voraus. Im europäischen Raum ist geplant, in den nächsten Jahren einen Standard für so genannte Fastnullenergie-Häuser einzuführen.

Besteht nicht die Gefahr, dass durch zu viele verschiedene Standards die Übersicht verloren geht?

Interessierte und engagierte Bauherrschaften begrüssen das Angebot an verschiedenen Baustandards. Für die interessierten Baufachleute sind die verschiedenen Minergie-Standards eine Chance zur Profilierung. Leider wird das noch nicht von allen Baufach­leuten erkannt und genutzt. Zudem gilt es zu bemerken, dass Minergie ein freiwilliger Baustandard ist und somit alle Bauherrschaften diesen anwenden können aber nicht müssen.

Wie fördern Sie als Zuger Baudirektor den Minergie-Standard in Ihrem Kanton?

Jedenfalls nicht mit Fördergeldern des Staates, wenn auch einzelne Einwohnergemeinden solche Prämien oder Subventionen ausrichten. Wir verfügen über einen guten Beratungsdienst, den ein Verein seit vielen Jahren in unserem Auftrag leistet. Dieser sowie aufgeschlossene Planer und Bauherren haben der Marke Minergie zu einem guten Renommee verholfen. Das vom Kantonsrat vor zwei Jahren beschlossene Energieförderprogramm schliesst die Subventionierung von Minergie-Bauten jedoch aus.

Die Bossard Arena ist das erste Minergie-Stadion der Schweiz. Haben Sie als Minergie-Präsident diese Zertifizierung persönlich vorangetrieben?

Heinz Tännler: Es ist dies ein städtisches Projekt, weshalb die Stadt Zug mit dem Bauunternehmer die treibende Kraft war – was ich aber selbstverständlich unterstützte.

Welche Aufgaben und Probleme beschäftigen Sie als Zuger Baudirektor gegenwärtig am meisten?

Verfassungsgemäss sind die Kantone in erster Linie für den Gebäudebereich zuständig. Hier wollen wir unsere Stärke, die Nähe zur Bevölkerung auch ausspielen. Wir wollen begleiten, nicht befehlen. Das kommt in den schlanken kantonalen Regelungen zum Ausdruck wie auch in der täglichen Verwaltungsarbeit oder bei den Rahmenkrediten für Fördermassnahmen. Problematisch ist zurzeit die neue Energiepolitik, von der zwar erste Konturen zu erkennen sind, die jedoch noch keine verbindliche Basis in der Bevölkerung gefunden hat. Ich werde tragfähige Lösungen unterstützen, wenn sie auch wirtschaftlich ausgewogen sind.

Ist Ihr eigenes Haus Minergie-zertifiziert?

Ja, und darauf bin ich stolz. Die Wohnqualität ist bestens.

Sie waren beim EV Zug einmal Stadionsprecher...

Ja, das war eine einmalige Zeit. Damals «hausten» wir als Speaker in einem kleinen Kabäuschen im alten Herti-Stadion. Der Komfort war natürlich in keiner Weise vergleichbar mit der heutigen, tollen Infrastruktur.

Übrigens: Wer wird Schweizer Eishockey-Meister 2011/2012?

Der HC Davos; die Mannschaft ist mit guten, erfahrenen Spielern besetzt, hat einen begeisterungsfähigen Coach und spielt konstant auf hohem Niveau. Aber natürlich hoffe auch ich auf den EVZ…

Informationen

Heinz Tännler (51) ist seit 2007 als Vertreter der SVP Zuger Regierungsrat und bekleidet das Amt als kantonaler Baudirektor. Nach Maturität und Lizenziat der Rechtswissenschaft erwarb er 1991 das Anwalts- und Notariatspatent. Von 1991–2003 war er Rechtsanwalt und Notar in Zug, von 2004–2007 Direktor der Rechtsabteilung des internationalen Fussballverbandes FIFA. Tännler ist dem Sport seit jeher verbunden. Er war Einzelrichter im Schweiz. Eishockeyverband, Präsident des Tennis-Clubs Zug und der Tennisvereinigung Zug. Seine politische Laufbahn begann er 1994 als Mitglied des Zuger Kantonsrates, wo er in verschiedenen Kommissionen (Präsident der Spitalkommission, Mitglied der engeren Staatswirtschaftskommission und der Strassenbaukommission) aktiv mitarbeitete. Seit 2007 ist er Regierungsrat. Er lebt in Partnerschaft mit Cornelia Schaub und hat drei Kinder. Als seine Hobbys nennt er Tennis, Velofahren, Sport allgemein und Lesen.

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