Wie geht es weiter auf dem grössten Bauplatz der Welt?
Dubai steht für Superlative – ganz besonders beim Bauen. Die globale Wirtschaftskrise hat dem Finanzzentrum jedoch arg zugesetzt. Innerhalb der vergangenen zwölf Monate sind zahlreiche Projekte auf Eis gelegt oder gar vollständig gestoppt worden. Trotzdem wird in der Golfmetropole weiterhin mehr gebaut als irgendwo sonst auf der Welt.
Nach mehrmaliger Verschiebung soll am 4. Januar 2010 der «Burj Dubai», der mit 818 Meter höchste Wolkenkratzer der Welt, eingeweiht werden. Im Vergleich zu diesem Giganten erscheinen die übrigen Hochhäuser Dubais schon fast wie Spielzeuge – dies, obwohl einige von ihnen ebenfalls zu den weltweit höchsten Bauwerken zählen. Die etwa 1,7 Millionen Einwohner zählende Metropole am Persischen Golf weist mittlerweile mehr als 50 über 200 Meter hohe Gebäude auf. 30 weitere sollen bis Ende 2011 dazu kommen, womit Dubai die bisherigen Wolkenkratzer-Rekordhalter New York und Hongkong endgültig in den Schatten stellen würde. Ob es gar so schnell dazu kommen wird, scheint heute allerdings fraglich, denn die globale Finanzkrise hat Dubais wirtschaftlichen und baulichen Höhenflug jäh gestoppt.
Dubais bauliche Dynamik während der vergangenen zehn Jahre war grösstenteils mit internationalen Anleihen finanziert worden. Weil im Zuge der Finanzkrise viele Investoren ihr Geld abzogen, kam es zur Kreditklemme. Die Nachfrage nach Immobilien ging schlagartig zurück und plötzlich türmte sich in Dubai ein riesiger Schuldenberg auf. Der Bau- und Immobilienmarkt reagierte postwendend. Gemäss einer Studie des Immobilienberatungsbüros Colliers International büssten die Immobilien im Vergleich zum Höchststand des letzten Jahres bis August 2009 fast die Hälfte ihres Wertes ein. Die einstige Boomregion wurde quasi über Nacht eines der grössten Opfer der Wirtschaftskrise.
Zwar hat sich der Preisverfall inzwischen verlangsamt. Dennoch erholte sich der Markt bisher kaum. Den Experten von Colliers zufolge wird es noch längere Zeit dauern, bis die Nachfrage wieder steigen wird. Die ins Ausland abgeflossenen Milliarden dürften kaum so schnell zurückkehren. Ein vor wenigen Wochen veröffentlichtes Umfrageergebnis deutet auf wenig Optimismus in der Branche hin. Sieben von zehn Bauunternehmern glaubten zu diesem Zeitpunkt, die Immobilienpreise würden weiter fallen. Weil die noch in Realisierung stehenden Objekte die verfügbaren Büroflächen im kommenden Jahr nochmals erheblich in die Höhe treiben werden, dürften vor allem die Preise in diesem Segment erneut deutlich zurückgehen.
Neun von zehn Einwohnern des Emirats sind Ausländer. Ihr Aufenthalt in Dubai ist grösstenteils von ihrer Beschäftigung am Ort abhängig. Fast die Hälfte von ihnen arbeitet auf dem Bau. Im laufenden Jahr wurden bisher aber etwa 60 Prozent der 2008 noch geplanten Bauvorhaben verschoben oder ganz gestrichen. Dadurch gingen Tausende, wenn nicht Zehntausende von Arbeitsplätzen verloren. Die Folge: Viele Beschäftigte mussten Dubai verlassen. Die Bevölkerung nahm 2009 bisher um etwa acht Prozent ab, und auch für das kommende Jahr wir nochmals mit einem Rückgang von etwa zwei Prozent gerechnet. Dieser Exodus senkt die Immobiliennachfrage weiter und verzögert den Aufschwung zusätzlich. Eine baldige Rückkehr auf das Topniveau des Vorjahrs erscheint unter diesen Vorzeichen jedenfalls höchst unwahrscheinlich.
Ein Viertel aller Wohnungen leer
Immerhin zeigt sich seit einigen Wochen ein gewisser Silberstreifen am Horizont. Einem Bericht der englischen Fachzeitschrift «Building» zufolge sind in den vergangenen Wochen die Bauarbeiten an mehreren vorübergehend eingestellten Grossprojekten wieder aufgenommen worden. Zurückgeführt wird dies auf die seit einigen Monaten wieder etwas positivere Beurteilung der Weltwirtschaft und auf den deutlich gestiegenen Ölpreis.
Eines scheint dennoch festzustehen: Für die Projektentwickler und Bauunternehmen Dubais dürften die goldenen Zeiten vorerst vorbei sein. Viele von ihnen versuchen sich nun neu zu positionieren. Statt auf prestigeträchtige Wolkenkratzer setzen sie vermehrt auf den Bau von Krankenhäusern, Schulen und Hotels. Zwar werden wohl die meisten bereits begonnenen Grossprojekte fertig gestellt werden. Dann aber wird man sich notgedrungen anderen Aufgaben zuwenden müssen. Insbesondere in der Vergabe öffentlicher Projekte und in Bauten für den Tourismus sehen viele neue Wachstumschancen, um die Krise zu überwinden. Ein erster Hoffnungsschimmer ist die von der Regierung und der Zentralbank in Abu Dhabi beschlossene Finanzspritze für die im Zuge der Krise ins Wanken geratenen Finanzinstitute Dubais im Ausmass von rund 33 Milliarden Dollar. Dennoch: Der Boom der vergangenen Jahre wird auf Dubais Bau- und Immobilienwirtschaft noch lange seine Schatten werfen.
Übrige Emirate weniger betroffen
Von den sieben Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) am Persischen Golf ist Dubai von der Baukrise am stärksten betroffen. In den übrigen Emiraten sieht es etwas besser aus. Das in Dubai ansässige Beratungsunternehmen Proleads beziffert den Anteil der in den VAE insgesamt noch immer aktiven Projekte auf 69 Prozent, dies im Vergleich mit den vor Jahresfrist geplanten Objekten. Insgesamt wurden im Herbst 2009 noch 1845 Projekte im Wert von umgerechnet immerhin rund 657 Milliarden US-Dollar erfasst – dies bei einer Gesamtbevölkerung von lediglich etwa sechs Millionen Einwohnern. In Abu Dhabi sind vor kurzem mehrere Grossprojekte, die infolge der Kreditklemme vorübergehend eingestellt worden waren, wieder aufgenommen worden. Dazu gehören die Tameer Towers, ein Vorhaben mit 800 000 Quadratmeter Nutzfläche, dessen Baukosten auf umgerechnet etwa 1,9 Milliarden Franken veranschlagt sind. Auch am geplanten neuen Sitz der Regierung von Abu Dhabi kann inzwischen weiter gebaut werden. (Robert Stadler)