Wenn sich Erdkrusten verschieben…
Das Erdbeben in Haiti erinnert auf tragische Weise daran, dass sich in tektonisch sensiblen Gebieten immer wieder Erdbeben ereignen können. Neben der Karibik besteht auch anderswo jederzeit die Gefahr grosser Erdbeben. Besonders gefährdet ist laut der Zeitschrift “Nature Geosience” die diesjährige Kulturhaupstadt Istanbul.
Quelle: Adriana Zehbaruaskas/Polaris für Save the Children
Hilfswerke haben in Haiti alle Hände voll zu tun.
Ein Beben von haitianischen Ausmassen erwartet der Wissenschaftler John McCloskey von der Universität Ulster auch im Westen von Sumatra (Indonesien), denn es liegt im Grenzbereich der indischen und asiatischen Platte liegt. Dort habe sich in den letzten 200 Jahren sehr viel tektonische Energie aufgebaut. McCloskey vergleicht die Situation mit einem gespannten Bogen: Über Jahrhunderte werde in diesen Platten Energie gespeichert, indem sie sich verbiegen und verformen. Eine solche Spannungsenergie In Sekundenschnelle könne eine solche Spannungsenergie in Form eines massiven Erdbebens oder eines Tsunamis freisetzen.
Notfallplan für Istanbul
Ein Erdbebengebiet, das immer wieder von sich Reden macht, ist das Grenzgebiet der anatolischen und eurasischen Platte. Davon betroffen ist hauptsächlich der Nordrand der Türkei. Seit etwa 70 Jahren bebt die Erde dort immer wieder. Das letzte schwere Ereignis, das Izmit-Beben mit einer Stärke von 7,5 M am 17. August 1999, forderte 18'000 Tote, das sind sechs Prozent der insgesamt 300'000 Einwohnern der Stadt Izmit. 15 Prozent wurden verletzt. Die Gegend gilt auch heute noch als stark Erdbeben gefährdet. - Nach Aussage des Geophysikers Tobias Hegert vom Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology am Karlsruher Institut für Technologie wäre in der Kette der Erdbeben das Gebiet westlich von Izmit, südlich von Istanbul "an der Reihe". Würden sich hier die tektonischen Energien in einem grossen Beben entladen, bedeutete dies eine extreme Gefahr für die Metropole am Bosporus.
Wahrscheinlich sind auch mehrere kleinere heftige Beben, die, wie in Haiti, die Magnitude von sieben erreichen oder übertreffen können. Da die hochsensible Verwerfungszone nur etwa 20 Kilometer von der Stadtgrenze Istanbuls entfernt liegt, sind Vorsorgemassnahmen von höchster Dringlichkeit. Wie Hegert weiss, hat in der Stadtverwaltung Istanbuls die Erarbeitung eines Notfallplans hohe Priorität.
Erdbeben sind vorhersehbar, aber nicht vorhersagbar. Dies ist für Tobias Hegert eine Tatsache. Angesichts der vielen tektonisch gefährdeten Regionen lässt sich nicht sagen, wo die Erde als nächstes beben wird. Deshalb sei es sinnvoll, vor allem jenen problematischen Gebieten höchste Aufmerksamkeit zu schenken, in denen grosse Ballungszentren liegen. Dazu gehören zum Beispiel auch Neu Delhi, Katmandu, Teheran, Tokio, San Francisco oder Los Angeles. Dass es in für Erdbeben anfällige Gebieten durchaus Chancen gibt, den Ernstfall einigermassen glimpflich zu überstehen, zeigen die Beispiele von Städten und Ländern, in denen schon früh, über Jahrzehnte hinweg Erdbeben tauglich gebaut worden ist; das gilt etwa für Japan.
Erdbeben in der Schweiz?
Das stärkste bekannte Erdbeben, das die Schweiz erlebt hat, war das Erdbeben von Basel im Jahr 1356 von dem man heute annimmt, dass die Magnitude zwischen 6,2 und 6,9 lag. Seit der Installation des flächendeckenden Erdbeben-Netzwerkes beim Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH, 1975, war das stärkste registrierte Erdbeben jenes von Vaz in Graubünden 1991 mit einer Magnitude von 5. Als Gebiete mit der höchsten seismischen Aktivität in der Schweiz gelten der Rheingraben bei Basel, das Wallis, das Bündnerland, der St. Galler Rheingraben und die Zentralschweiz. Aktive Bruchstellen sind in der Schweiz allerdings keine sichtbar, in den erwähnten Gebieten gibt es jedoch teilweise Anzeichen von ausgedehnten, aktiven Brüchen in der Tiefe.
Die Wahrscheinlichkeit eines Erdbebens der Magnitude von 6,5 besteht in der Schweiz etwa tausend Jahre. Zum Vergleich: In Süditalien muss im Mittel alle hundert Jahre mit einem Erdbeben dieser Stärke erwartet werden. Die Wissenschaft rechnet zudem in der Schweiz im Schnitt mit jährlich einem Beben der Magnitude 4, bei dem nur geringe Schäden entstehen können. Trotz dieser relativ günstigen Situation ist erdbebensicheres Bauen auch in der Schweiz zunehmend ein Thema. So weiss die Schweizer Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik (SGEB) (Linktipp: http://sgeb.ch/), darauf hin, dass bei Neubauten mit geringem Mehraufwand eine sehr gute Erdbebensicherung erreicht werden kann. So wird unter anderem dazu geraten, dass in Gebäuden die Stützen stärker als die Decken und die horizontalen Riegel sind. Ausserdem empfiehlt die SGEB komplizierte Gebäudegrundrisse und weiche Geschosse zu vermeiden. (mai)
Veranstaltungstipp:
Eröffnung des Erdbeben-Simulators, Sonntag, 24.Januar
Im Turm im Lichthof der Zürcher ETH befindet sich seit letztem Frühling das Museum der erdwissenschaftlichen Abteilung der Hochschule. Seine Dauerastellung zeigt unter anderem die Entstehung des Sonnensystems, ausserdem sind Kristalle und Versteinerungen zu sehen und die Besucher erfahren dabei wie sie entstehen.
Zentrales Thema der Ausstellung ist auch die Erdbebengefährdung und –forschung. Deshalb wird diesen Sonntag (24. Januar) der Erdbebensimulator eröffnet, der neu zur permanenten Ausstellung gehört. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hatte den Erdbebensimulator vor einigen Jahren in den USA entwickeln und bauen lassen. Ziel dieses Projektes sei gewesen, Bauherren, Architekten, Ingenieure, Behörden und die Bevölkerung für Erdbebenvorsorge zu sensibilisieren heisst es dazu auf der Website der ETH. Im Herbst 2006 wurde der Simulator an der Foire du Valais erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt, von wo er bis anhin quer durch die Schweiz tourte. Nun hat er einen festen Platz in der Ausstellung.
Anlässlich der Eröffnung wartet das Museum mit einem besonderen Programm mit Vorträgen, Führungen, Experimenten und Kinderaktivitäten auf:
Besuch Erdbebensimulator (ganzer Tag)
(Der Besuch des Erdbebensimulators erfolgt auf eigene Gefahr. Eine Haftung durch die ETH Zürich wird abgelehnt. Für Kleinkinder, Personen mit Rücken- oder Nackenproblemen oder anderweitigen Gebrechen sowie Hochschwangere ist der Besuch des Simulators nicht geeignet.)
Vorträge
Der Erdbebensimulator
Raum D45, Dauer ca. 15 Minuten
10.15 Uhr / 10.45 Uhr / 11.15 Uhr / 11.45 Uhr / 12.15 Uhr / 12.45 Uhr / 13.15 Uhr / 13.45 Uhr / 14.15 Uhr / 14.45 Uhr / 15.15 Uhr / 15.45 Uhr
Die Erdbebenkatastrophe von Haiti – ist so etwas auch in der Schweiz möglich?
Raum C44, Dauer ca. 30 Minuten
10.30 Uhr / 12.30 Uhr / 14.30 Uhr / 11:30 Uhr / 13:30 Uhr / 15:30 Uhr
Was passiert bei Gebäuden im Erdbebenfall, und wie kann man sie vor Erdbebenschäden schützen?
11.30 Uhr / 13.30 Uhr / 15.30 Uhr
Raum C44, Dauer ca. 30 Minuten
Stündliche Themenführungen
11 Uhr / 12 Uhr / 13 Uhr / 14 Uhr / 15 Uhr
In der Ausstellung Focus Terra, Dauer ca. 15 Minuten
- Erdbeben (D-Stock bei der Erdbebenwand in der Ausstellung)
- Tsunamis (D-Stock beim Tsunami-Modell)
- Kristalle (E-Stock in der Ausstellung)
- Landschaft Zürich (F-Stock in der Ausstellung)
Akitivitäten für Klein und Gross (Ganzer Tag im Lichthof)
- Kinderrütteltisch, Seismopgraphen, Plattentektonik, Magnetik u.a.
- “Die Alpen” von Mike Audenhoeve
- Barbetrieb
Weitere Informationen unter: www.focusterra.ethz.ch
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Spenden für Kinder in Haiti
In Haiti kümmert sich unter anderem die Hilfsorganisation Save the Children um die vom Erdbeben betroffenen Kinder. In seinem Stützpunkt in Port-au-Prince verfügt Save the Children über Vorräte an Medikamenten und IV-Lösung. In Zusammenarbeit mit lokalen Partner hat es diese an 14 Notspitäler verteilt. Weitere Hilfsgüter treffen laufend per Lastwagen von Save the Children in der Dominikanischen Republik ein. In der Stadt Léogane, wo bis jetzt noch kaum Hilfe eingetroffen ist, hat die Organisation zwei mobile Kliniken aufgebaut.
Die akute Nothilfe soll der Anfang eines auf fünf Jahre angelegten Wiederaufbau-Plans sein. Nach dem "Build Back Better-Prinzip“ will Save the Children die zerstörte Infrastruktur nicht nur ersetzen, sondern stabiler und sicherer für den Fall einer erneuten Katastrophe wieder aufbauen. (mai/pd)
Möglichkeiten zur Spende und weiter Informationen gibt es unter diesem Link:
(Bild: Win McNamee/Gettiy Images für Save the Children)