Wenn das ewige Eis Schätze frei gibt
Während sich in den Alpen die Gletscher zurückziehen, werden in der Arktis die Meereisflächen kleiner. Unter dem schwindenden Eis finden sich nicht nur ergiebige Fischgründe, sondern auch Bodenschätze. Dies könnte einen Ausbeutungs-Wettlauf auslösen, der die Machtverhältnisse rund um die Arktis verändert.
In den vergangenen 40 Jahren verkleinerte sich die arktische Sommereis-Fläche um 50 Prozent. Während diese Entwicklung für die an der Eisunterseite lebenden Kleinlebewesen sowie Vögel, Eisbären und Roben lebensbedrohlich ist, hat dieser Trend auch teilweisen positive Seiten: Seit 2008 ist die Nordostpassage nördlich Sibiriens sowie die Nordwestpassage zwischen Grönland und Kanada für die Schifffahrt im Sommer frei. Dieser Umstand eröffnet neue Möglichkeiten, an Ressourcen heranzukommen. So kann an bisher unzugänglichen Orten nach Öl gebohrt werden, etwa an den Küsten Grönlands und in Alaskas. Damit wächst auch die Bevölkerung im arktischen Raum: Das sibirische Gebiet zählt bereits vier Millionen Einwohner. In früheren Permafrost-Gebieten werden immer mehr Siedlungen hochgezogen auch für Menschen, die in Ressourcen-Projekten beschäftig sind.
Arktischer Rat unter Druck
Bereits 1997 wurde der Arktische Rat gegründet, um sich Fragen der Ökologie und der Nachhaltigkeit in dieser Region zu widmen. Ihm gehören nicht nur die arktischen Anrainer Staaten Kanada, USA, Russland, Dänemark, die skandinavischen Länder sowie die in dieser Zone lebenden Inuit-Völker an. Auch Frankreich, Deutschland, die Niederlande, Polen, Spanien und Grossbritannien sind mit von der Partie. Neuerdings wollen auch Länder wie Indien, China und Brasilien in diesen Rat. Unter dem Titel "Verantwortung für die Welt" wollen auch sie den Fuss in der Türe haben, wenn es um die Verteilung von Ressourcen geht.
Immer dringlicher stellt sich nun die Frage, wie dieser Nordische Rat künftig mit Kompetenzen ausgestattet werden soll, und wer überhaupt dazu gehören darf. Kanada als wichtigster Anrainer-Staat fordert für das Jahr 2013 eine Konferenz in Toronto, an der über das weitere Schicksal dieses Rates entschieden wird. Zur Sprache kommen dabei die politische Sicherheit des riesigen Gebietes, Schutz und Einbindung der indigenen Völker, Sicherheit der Umwelt, Ernährung und Kultur. Zudem soll es darum gehen, ob Beschlüsse bindend sein sollen. Schon heute zeichnet sich ab, dass Kanada und Russland gegen die Einbindung weiterer nicht arktischer Staaten oder gar einer "UNOisierung" sind.
Die arktischen Staaten sind hier in der Pflicht. Es ist sozusagen fünf vor zwölf. Schafft es der arktische Rat nicht, geschlossen aufzutreten, bindende Bestimmungen für das Gebiet aufzustellen, droht diesem Gebiet nach Meinung von Experten eine Art "Wildwestisierung" bei der die Ureinwohner, die Umwelt und die Sicherheit auf der Strecke bleiben zugunsten einer ungezügelten Ausbeutung ohne Umwelt- und Sicherheitsstandards. (mai/pd)