Wenn Beton leichter wird: Carbonbeton als Alternative zum Stahlbeton
Carbonbeton ist ein neues Baumaterial, welches eine Alternative zum Stahlbeton darstellt. Es hat eine hohe Zugfestigkeit und kommt vor allem im Brückenbau zum Einsatz. Dennoch hat es der neue Baustoff derzeit noch etwas schwer, sich am Markt zu etablieren.
Quelle: Ulrich van Stipriaan, TU Dresden
Ein Pavillon aus Carbonbeton in Thüringen. Der Baustoff ermöglicht eine filigrane Architektur.
Er gilt als Baustoff der Zukunft: Carbonbeton. Bestehend aus
Beton und einer Bewehrung aus Kohlenstofffasern in Form von Matten und Stäben
soll er eine Alternative zum Stahlbeton, dem wichtigsten Baumaterial der Welt,
sein. Im Gegensatz zum Stahl hat Carbon aber einen grossen Vorteil: Er rostet
nicht. Während der Stahl mit einer dicken Betonschicht überdeckt werden muss,
damit keine Feuchtigkeit rankommt, reichen beim Carbon wenige Millimeter, da
die Carbonbewehrung nicht vor Korrosion geschützt werden muss.
Giess- oder Laminierverfahren
Die Herstellung von Carbonbeton erfolgt im Giess- oder
Laminierverfahren. Ersteres wird vor allem für die Produktion von Neubauteilen
verwendet. Hierbei wird die Bewehrung zunächst in einer senkrechten oder
waagerechten Schalung mit Hilfe von Abstandhaltern angeordnet. Anschliessend
wird das Bauteil in einem Arbeitsschritt betoniert. Dieses Verfahren ist
bereits aus der Stahlbetonherstellung bekannt. Das Laminierverfahren wird
dagegen mehrheitlich bei der Verstärkung von Bauwerken eingesetzt.
Die ersten Anwendungen von Carbonbewehrungen datieren aus den 1990er-Jahren. Unter anderem in Kanada und Japan wurden in Teilbereichen von Brücken stabförmige Carbonbewehrungen eingesetzt. Später wurden solche Bewehrungen auch im amerikanischen Brückenbau vermehrt verwendet. In Deutschland setzten sich dagegen mattenartige Bewehrungen aus Carbon durch.
Quelle: Pascale Boschung
Die «leichteste Betonbrücke» der Welt über der Eulach in Winterthur.
Potenzial «erkannt»
Auch die ZHAW in Winterthur forscht schon seit geraumer Zeit an Carbonbeton. «Wir haben früh das Potenzial von vor-gespanntem Carbonbeton erkannt», sagt Christian Lowiner, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachgruppe FVK an der ZHAW Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwissen. Mit der Forschung am Carbon-beton wollte man bei eigenen Projekten unter anderem auf Stahl verzichten.
Die ZHAW hat mittlerweile schon einige Projekte mit dem Baustoff realisiert. Beispielsweise die gemäss eigener Angabe «leichteste Betonbrücke» der Welt: Eine kleine Fahrradbrücke zwischen dem ZHAW Campus und der Kantonsschule in Winterthur. Dabei wurden CPC-Betonplatten (CPC steht für «carbon prestressed concrete») verwendet, die von der Fachgruppe FVK der ZHAW zusammen mit der Firma Silidur AG entwickelt wurden. Die Platten sind, mit vorgespanntem Carbon bewehrt, sehr leistungsfähig und dünn.
Eine einzige grosse Platte bildet dabei das Brückendeck. Fest mit einem darunterliegenden Tragrahmen verdübelt und verklebt, trägt sie das Geländer und alle Nutzlasten. Die Brücke hat ein Gesamtgewicht von 3200 Kilogramm. Wäre sie in Stahlbeton gebaut worden, hätte sie ein Gesamtgewicht von rund 15‘000 Kilogramm.
Die Brücke wiegt somit rund viermal weniger als eine konventionelle Stahlbetonbrücke und benötigt 30-mal weniger Armierung. Der Ressourcenverbrauch wird somit auf einen Fünftel einer konventionellen Brücke reduziert, schreibt die ZHAW im Projektbeschrieb. Auch für Lowiner ist der geringere Ressourcenverbrauch ein grosser Vorteil des Carbon-betons. «Zudem ist der Rückbau viel einfacher. Die Platten können problemlos gehexelt werden und es muss nicht erst noch das Bewehrungseisen vom Beton getrennt werden.»
Quelle: ZHAW Winterthur
Die «Bridge to the future» im Holcim-Werk in Hüntwangen.
Die Brücke der Zukunft
Als spannendstes Projekt nennt Lowiner jedoch die «Bridge to the future». «Bei diesem Projekt haben wir in die Höhe gebaut und die Grenzen des Möglichen ausge-lotet.» Hierbei handelt es sich um eine Plattform für die Annahme von Aushubmaterial im Holcim-Werk in Hüntwangen. Holcim entwickelte dafür einen Beton, bei dem erstmals ein klinkerfreier Zement eingesetzt wurde, der im Vergleich zu einem herkömmlichen Zement 63 Prozent weniger CO2-Emissionen aufweist.
Dieser Beton könnte mit konventioneller Bewehrung nicht eingesetzt werden, da der Korrosionsschutz nicht gegeben ist. Aus diesem hochfesten Beton wurden mithilfe der CPC-Technologie Platten hergestellt, die gerade mal sechs Zentimeter dick, aber dennoch hoch belastbar und mit dünnen vorgespannten Carbondrähten bewehrt sind. Da Carbon eine sehr hohe Zugfestigkeit aufweist und nicht korrodiert, könne gänzlich auf Korrosionsschutz verzichtet werden, wie er im klassischen Stahlbetonbau erforderlich ist.
Die Fachgruppe FVK erarbeitete mittels Machbarkeits- und Traglastversuchen die ingenieurtechnischen Randbedingungen für die Herstellung der Platten, die materialtechnischen Grundlagendaten für die statische Dimensionierung und den gestalterischen Entwurf der Brücke.
Quelle: ZHAW Winterthur
Der Carbonbeton ermöglicht eine filigrane Architektur.
Viel Überzeugungsarbeit nötig
Ob sich der Carbonbeton einst gegen den Stahlbeton durchsetzen wird, wird die Zeit zeigen. Christian Lowiner würde es sich wünschen, dennoch sagt er. «Es ist immer die Frage, wie die Bauherren den Baustoff bei neuen Projekten aufnehmen.» Dies benötige jeweils viel Überzeugungsarbeit. «Carbonbeton ist ein neues Produkt und hat sich in der breiten Masse noch nicht etabliert.»
Ein Punkt dabei stellen auch die Kosten dar, da Bauwerke in Carbonbeton infolge einer neuen Bauweise gegenüber dem konventionellen Stahlbetonbau derzeit noch etwas teurer ist. «Man kann das Produkt am Anfang nicht mit einer bereits eingespielten Bauweise vergleichen», sagt Lowiner.