Wachsen im Wochentakt
Was sich beim Bau des Zürcher Prime Tower bewährt hat, wird nun auch beim Luzerner Projekt «Hochzwei» angewendet: Eine Kernkletterschalung und ein hydrau-lisches Schutzschild über drei Stockwerke, ergänzt durch ein neues Tischhubsystem. Damit lässt sich für den Rohbau bei minimalem Personalaufwand ein Takt von vier Tagen pro Geschoss erreichen. Dank der rationellen Bautechnik konnte das 88 Meter hohe erste Gebäude mit Vorsprung auf das Bauprogramm erstellt werden.
Quelle: zvg
Im Wochentakt sind die 31 Geschosse des ersten Wohngebäudes in die Höhe gewachsen.
Das konstruktive Konzept der Wohnhochhäuser auf der Luzerner Allmend beruht auf dem klassischen Skelettbau-Tragwerk in Stahlbeton. Nach dem Projekt der Bauingenieure BlessHess AG Luzern spannen sich die symmetrischen Flachdecken in Ortbeton über sieben Meter und weisen eine Stärke von 26 Zentimetern auf. Die Vertikallasten werden durch einen quadratischen Betonkern von 9 mal 9 mal 0,5 Metern sowie zwölf Stützen hinter der Fassade abgetragen. Diese Tragelemente laufen bis ins erste Untergeschoss durch, wobei die Stützen nach oben im Querschnitt verjüngt werden.
Die Gründung wird statisch durch einen zweigeschossigen Kastenträger gebildet. Dieser wird aus der durchlaufend über das zweite Untergeschoss gehenden Bodenplatte, den aussteifenden Wandscheiben in Kombination mit der Decke geformt. Die Lasten aus den Kernwänden und den Stützen werden durch diesen Träger auf die grosskalibrigen, im Fels eingebundenen Bohrpfähle von bis zu 1,5 Metern Durchmesser verteilt. Bei dieser Konstruktionsart hat die eigentliche Bodenplatte nur 50 Zentimeter Stärke. Die Stabilisierung der Hochhäuser gegen Wind und Erdbeben wird nach Angaben im Ingenieurbericht mit einer klar definierten Kernzone aus hochfestem Beton C50/60 gewährleistet. Die Türstürze, geschwächt durch die vielen Haustechnikdurchdringungen, verbinden die einzelnen Kernwandabschnitte zu einem statisch wirkenden Rohr. Für die Ermittlung der Wind- und Erdbebenkräfte wurden für den Standort Allmend spezielle standortspezifische Windkanalversuche und Erdbebenanalysen durchgeführt.
Dem Auftrieb infolge Grundwasser musste die nötige Aufmerksamkeit ¬geschenkt werden, wobei als Massnahme gegen das Aufschwimmen die beiden nicht überbauten Quadranten des zweiten Untergeschosses im Zusammenspiel mit permanenten Auftriebsankern und Bohrpfählen gesichert wurden. Im Alltagszustand spannen die Zuganker die Bohrpfähle vor, sodass diese leicht unter Druck stehen und dadurch den Korrosionsschutz gewährleisten. Im seltenen Hochwasserfall wirken sowohl Anker als auch Bohrpfähle auf Zug. Dieses starre System hält die Vertikalverformungen auch bei schwankendem Grundwasserspiegel minimal, heisst es von den Ingenieuren weiter.
Um die beiden Betonkerne und die Geschossdecken der insgesamt 58 Stockwerke des Hochhaus-Zwillingspaares rationell ausführen zu können, entschied sich die Arge Allmend der Bauunternehmung Anliker AG in Absprache mit der Totalunternehmung Halter/Eberli für die von der Holzco-Doka Schalungstechnik AG vorgeschlagene Schalungsvariante. Diese besteht aus einer Kletterschalung und einem Windschutzschild. Dabei werden die jeweils drei obersten Deckengeschosse durch ein Windschild, das aus 19 Einzelelementen besteht, umhüllt. Dieses weist eine Abwicklungslänge von 106 Metern auf. Am oberen Ende des Schilds befindet sich eine Auskragung von 1,5 Meter, welche als Arbeitsraum dient.
Als Novum ist im umlaufenden Windschild ein Tischhub-System von Doka integriert, das über vier Stockwerke reicht und als Aussenlift selber mit klettert. Die komplette Einrichtung wird geschossweise hydraulisch um 2.74 Meter umgesetzt. Das Versetzen erfolgt in Hüben von etwa 30 Zentimetern, wozu ein halber Arbeitstag benötigt wird. Die Tischhub-Einrichtung wird vorgängig hochgestossen, damit sie zu Beginn des Schalungstages bereits wieder zur Verfügung steht. Dank dem in dieser Art weltweit erstmals eingesetzten Gerät können die Deckentische ohne Kraneinsatz und unabhängig von der Wettersituation sicher und rationell versetzt werden.
Innovative Schalungslösung
Bei der eingesetzten Kernschalung handelt es sich um eine Grossflächenschalung, die stark verschraubt ist. Es kommen 16 Selbstkletterautomaten für die Betonverteilung zum Einsatz. Dabei werden hohe Sicherheitsstandards durch das Geländersystem von zwei Metern Höhe erreicht. Zudem sind ein Umsetzen grosser Bühnenverbände sowie komfortables Justieren der Schalung möglich. Bei den Decken mit Kleeblattgrundriss werden sowohl Normtische als auch objektbezogene Tische eingesetzt. Die Deckentische werden mittels elektrisch betriebenen Tischwagen versetzt, wobei die vier Deckenspriesse am Tisch dran bleiben. Dank diesem sehr wendigen und flexiblen Gerät kann die Umsetzung der Deckenschalung durch nur einen Mann erfolgen. Für die Schalungsarbeiten am Kern werden drei bis vier Mann benötigt, für die Decke sind fünf Mann eingesetzt plus zusätzlich zwei weitere für die Nacharbeiten Der Einbau des Kernbetons erfolgte bis zum zehnten Geschoss in 30 Zentimeter Höhe durch Pumpen. Für die darüber liegenden Geschosse wird ein Kran mit zwei Kubikmeter-Kübel und Schlauch eingesetzt.
Für jede der 625 Quadratmeter Fläche aufweisenden Decken sind 132,5 Kubikmeter Beton einzubauen, für jede Kernetappe 52,5 Kubikmeter. C50/60, teilweise selbstverdichtend, wird aus dem Transportbetonwerk Luzern aus Horw angeliefert und jeweils Mittwoch und Freitag eingebracht. Die pro Geschoss benötigten zwölf Schleuderbetonstützen werden jeweils just-in-time vom Werk der Alphabeton AG angeliefert. Bei den für die beiden Wohnhochhäuser eingesetzten Kranen handelt es sich um einen Typ 250 EC-B 12 Litronic mit einer Ausladung von 60 Metern und einer Hakenhöhe von 87,5 Metern von Liebherr und einen 200 EB-B 10 mit 35 Metern Ausladung und 75 Metern Höhe, die auf dieser Höhe freistehend sind. Bei der für den obersten Turmteil notwendigen Erhöhung auf 106 ¬beziehungsweise 96 Meter Hakenhöhe erfolgt dann eine Abspannung. (Curt C. Mayer)