Vom gescheiten Umgang mit den grauen Zellen
Wir wissen es aus unserer Schulzeit: Obwohl die Schweiz ein rohstoffarmes Land ist, haben wir es weit gebracht. Ich höre immer wieder, wie wir bewundert werden für unseren Wohlstand. Wir gehören zu den besten Maschinenbauern, unsere Banker gehören zu den kompetentesten ihres Faches, unsere Chemie ist eine Weltmacht und kaum ein Land zählt – gemessen an der Bevölkerungszahl – so viele Nobelpreisträger wie eben die Schweiz. Aber diese Bewunderung hat eine Kehrseite. Und ich stelle fest: Es herrscht mehr und mehr ein unerbittlicher Konkurrenzkampf, andere Länder wollen uns den Spitzenplatz streitig machen.
Dass wir es als Land ohne Bodenschätze dennoch an die Weltspitze gebracht haben, hat verschiedene Gründe. Sicher haben wir davon profitiert, nie in einen Krieg verwickelt gewesen zu sein. Sicher hat unsere Regierung über die Jahre eine kluge Handelspolitik betrieben, mit Verträgen, die uns in zahlreichen Ländern einen guten Marktzugang verschafft haben.
Im Kampf um die Spitzenplätze werden Mittel eingesetzt, die nicht gerade dem entsprechen, was wir als fair bezeichnen würden. Auch wenn mit der Globalisierung vordergründig der Welthandel liberalisiert wurde, wenn Handelsbarrieren abgebaut und Grenzen durchlässiger gemacht wurden, wirklich freier wurde der Welthandel nicht. Zahlreiche Staaten haben neue Paragraphen in ihre Gesetze und Verordnungen aufgenommen. Unter dem Deckmantel von «Schutz von Gesundheit und Umwelt» schirmen diese ihre Märkte heute zu oft mit Regulierungen ab statt mit Zöllen. Um hier Verbesserungen zu erreichen, muss die Politik eingreifen.
Aber wir Industriellen sind auch selber gefordert. Wir wären keine Unternehmer, wenn wir uns nicht auf schwierige Situationen einstellen könnten. So müssen wir alles tun, sparsamer mit unseren Rohstoffen umzugehen. Wir sind angehalten, diese mit Alternativen zu ersetzen, wo immer es geht. Wir sind gefordert, innovativ zu sein, innovativer und kreativer als unsere Konkurrenten.
Wir müssen also auch mit dem Rohstoff, der uns reich gemacht hat, noch besser umgehen, wir haben ihn noch besser zu nutzen. Wir wissen, dass wir lange nicht mehr die einzigen sind, welche die grauen Zellen als Entwicklungsmotor entdeckt haben. Auch auf dem Gebiet der Bildung, der Wissenschaft und der Forschung haben wir starke Konkurrenz erhalten. Doch hier können wir uns nur selber schlagen, beispielsweise indem wir darauf verzichten, die klügsten Köpfe in unser Land zu holen, die profiliertesten Wissenschafter an unseren Hochschulen lehren zu lassen, die geschicktesten Forscher in unseren Labors tüfteln zu lassen. Und genau das tun wir mit fremdenfeindlicher Politik.
Was wäre Brown ohne Boveri, was Oerlikon ohne Bührle? Der Beispiele gäbe es noch viele. Was wäre unsere Wirtschaft heute ohne die besten der Welt? Pflegen wir unseren Rohstoff «graue Zellen». Dazu gehört auch, so klug zu sein und die Besten bei uns willkommen zu heissen: Zum Beispiel an unserm Industrietag am kommenden 24. Juni in Zürich.
Johann Niklaus Schneider-Ammann, Präsident und Delegierter der Ammann Group Holding, Präsident Swissmem und Nationalrat FDP