Voller Lohn bei schlechtem Wetter
Vor den Verhandlungen für einen neuen Gesamtarbeitsvertrag haben die Gewerkschaften über 16'000 Bauarbeiter befragt, wo sie den grössten Handlungsbedarf sehen. Dabei zeigte sich, dass die Teilnehmer der Umfrage vor allem mehr Schutz wollen was Lohn, Gesundheit und Kündigungen betrifft.
Am wichtigsten ist den befragten gut 16'000 Bauarbeitern ein Ausbau des sozialen und gesundheitlichen Schutzes. Dies geht aus einer Mitteilung der Gewerkschaften Unia und Syna hervor. Die Ergebnisse dieser bislang einzigartig breiten Umfrage überraschten, sagt Hansuelei Scheidegger, Unia-Sektorleiter Bau. Zunächst hatten die Gewerkschafter mit ihren rund tausend Vertrauensleuten auf dem Bau aus 77 genannten Problemen sechs Hauptanliegen heraus kristallisiert. Von diesen konnten die Bauarbeiter die Umfrageteilnehmer jeweils drei ankreuzen. Am meisten Zuspruch erhielt mit 68,2 Prozent die Forderung nach voller Lohnfortzahlung bei unverschuldeten Ausfallstunden wegen Krankheit, Unfall oder schlechtem Wetter. Heute werden in der Regel nur 80 Prozent gewährt, bei Krankheiten wird am ersten Tag gar kein Lohn entrichtet.
Weniger Risiken
Wenig dahinter folgt mit 65,8 Prozent der Nennungen eine klare Regelung, wann Bauleute ihre Arbeit bei Kälte, Nässe oder Hitze einstellen können, um ihre Gesundheit zu schützen. Schlechtwetter ist laut Unia ein wesentlicher Grund dafür, dass jedes Jahr einer von fünf Bauarbeitern verunfallt. Wegen drohender Lohnausfälle würden zu oft Risiken eingegangen. 55,1 Prozent der Bauleute sprachen sich zudem für einen verbesserten Kündigungsschutz ab 50 Jahren und für gewerkschaftlich aktive Bauleute aus. Die drei weiteren Anliegen wurden als weniger dringlich taxiert: Höhere Zuschläge und Spesen sowie mehr Ferien und Feiertage wurden von rund einem Drittel genannt. 27,6 Prozent machten eines von drei Kreuzen bei „Klar geregelte Arbeitszeiten“.
Die Gewerkschaft Syna will ergänzend auf eine Beschränkung von Akkord- und Temporärarbeit pochen. Es brauche Quoten für Temporärarbeiten im Verhältnis zu den Festangestellten, sagte Syna-Branchenleiter Ernst Zülle. Denn sich gegenseitig unterbietende Akkordfirmen seien ein wesentlicher Grund für die von den Baumeistern als ungenügend bezeichnete Ertragslage.
„Schlechtes Vorzeichen“
Mit dem Hinweis darauf hatte der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) die Lohnverhandlungen für 2011 abgebrochen und seinen Mitgliedern eine Lohnerhöhung um 1 Prozent empfohlen. Die Gewerkschaften hatten 2,7 Prozent gefordert. Scheidegger bezeichnet dies als „schlechtes Vorzeichen“ für die GAV-Verhandlungen. Die Gewerkschaften wollten aber dennoch offen und lösungsorientiert in die Verhandlungen steigen, für die erste vorbereitende Gespräche im Februar stattfinden sollen.
In der Vergangenheit ist es auf dem Bau mehrfach zu Streiks gekommen, bis mit dem Auslaufen des bestehenden GAV Ende Jahr besteht aber die Friedenspflicht. Der Landesmantelvertrag genannte GAV regelt die Arbeitsbedingungen von rund 100'000 Bauarbeitern und ist einer der wichtigsten Gesamtarbeitsverträge der Schweiz. (mai/sda)