Verkehrssituation Nordwestschweiz: Milliarden für die Mobilität
Zusätzlich zum Herzstück prüft der Bund in Basel auch einen
Tiefbahnhof – Kosten: neun Milliarden Franken. Mit einem vierten Gleis in
Liestal wollen die SBB einen Viertelstundentakt der S-Bahn ermöglichen. Im
Kanton Solothurn erhitzt die Umfahrungsstrasse in der Balsthaler Klus die
Gemüter.
Quelle: Stefan Gyr
Für den Vierspurausbau im Baselbieter Kantonshauptort Liestal geben die SBB rund 380 Millionen Franken aus.
Seit über 20 Jahren wälzen die beiden Basel Pläne für das
sogenannte Herzstück: eine unterirdische Verbindung zwischen dem Badischen und
dem SBB-Bahnhof, die zugleich die Erschliessung des Stadtzentrums mit der
S-Bahn ermöglichen würde. Im Jahr 2030 wollten Basel-Stadt und Baselland das
Herzstück für 3,3 Milliarden Franken fertiggestellt haben. Doch das Megaprojekt
kam jahrelang nicht richtig vom Fleck. 2019 nahm der Bund Projektierungskosten
von 100 Millionen Franken für das Herzstück in den Bahnausbauschritt Step 2035
auf. Die Freude in der Region Basel war gross.
Das Bundesamt für Verkehr (BAV) legte aber im vergangenen
Sommer nach ersten Abklärungen neue Pläne für den Ausbau des Bahnknotens Basel
vor: Zusätzlich zum Herzstück soll auch ein Tiefbahnhof geprüft werden. Dieser
ist laut dem BAV für einen Ausbau des Regional-, Fern- und
Güterverkehrsangebots über die beschlossenen Ausbauschritte hinaus auf lange
Frist nötig. Ein ebenerdiger Ausbau sei aus Platzgründen kaum machbar.
Langer Zeithorizont
Die Kosten liegen «nach ersten groben Schätzungen in der
Grössenordnung von neun Milliarden Franken». Voraussetzung für eine
Realisierung sei «eine zufriedenstellende Wirtschaftlichkeit». Die Ausbauten
würden sich gemäss dem Bundesamt «über mehrere Jahrzehnte» erstrecken und sich
«über mehrere Ausbauschritte des Bundes» verteilen. Die Träume von einer
raschen Umsetzung sind also geplatzt. Und: Angesichts des langen Zeithorizonts
für den allfälligen Bau des Herzstücks und des Tiefbahnhofs sind gemäss dem BAV
«auch Teilelemente oder alternative Massnahmen zu prüfen».
Als Nächstes wird von den SBB und dem deutschen
Bundeseisenbahnvermögen eine Vorstudie erstellt, um noch offene Fragen
abzuklären. Über die Realisierung werden die eidgenössischen Räte im Rahmen
künftiger Bahn-Ausbauschritte entscheiden. Die lokalen Behörden bejubelten
diesen Vorentscheid des BAV, obwohl sie mit ihren Plänen beinahe auf Feld eins
zurückgeworfen wurden. Er bedeute einen «Meilenstein» für die Entwicklung der
trinationalen S-Bahn.
Basler Bahnhof wird aufgerüstet
Bis 2025 wollen die SBB aber den Basler Bahnhof aufrüsten.
Damit soll die Zeit überbrückt werden, bis Basel allenfalls einen Tiefbahnhof
beziehungsweise ein S-Bahn-System mit dem Herzstück erhält. Eine provisorische
zweite Passerelle und zwei neue Gleise sollen die Leitungsfähigkeit des
Bahnhofs Basel SBB steigern. Rund 180 Millionen Franken wollen die SBB dafür
verbauen. Mit den zwei neuen Gleisen erhöht sich die Kapazität des Bahnhofs um
einen Drittel von heute 67 An- und Abfahren pro Stunde auf 90.
Der neue Fussgängerübergang führt von der Rückseite des
Elsässertors über die Gleise der französischen Bahn und das gesamte Gleisfeld
auf 146 Metern zur Meret-Oppenheim-Strasse im Quartier Gundeldingen.
Shoppingmöglichkeiten werden auf der zehn Meter breiten Gleisüberquerung keine
geschaffen. Daneben wird die Margarethenbrücke beim Bahnhof auf der ganzen
Länge verbreitert, um Platz für direkte Zugänge zu allen Perrons zu schaffen.
Dem öffentlichen Verkehr in der Region Basel neuen Schwung
verleihen sollen die Pläne für das «Tramnetz 2030». Besonders auf den Strecken
in der Basler Innenstadt seien die Trams «furchtbar langsam», sagt Andreas
Büttiker, Direktor der Baselland Transport AG (BLT). Das Problem: Zu viele
Linien nutzen dieselben Teilstrecken und blockieren sich gegenseitig. Die
beiden Basel wollen daher zusammen mit den Basler Verkehrs-Betrieben (BVB) und
der BLT das Tramnetz entflechten. Um die Innenstadt zu entlasten, sollen ab
2030 nur noch fünf statt sieben Linien auf der zentralen Achse zwischen der
Schifflände und dem Barfüsserplatz verkehren.
Möglich machen sollen dies eine Reihe neuer Tramgleise, etwa
durch den Claragraben und den Petersgraben, eine neue Verbindung durchs Klybeck
und die Margarethenverbindung – Kostenpunkt: jeweils ein zweistelliger
Millionenbetrag. Für den Architekten Jacques Herzog geht dies allerdings zu
wenig weit: «Ein paar Linien weniger bringt nichts. Man muss die Trams aus der
Innenstadt rausnehmen.» Im Baselbiet soll ein Express-Tram die Fahrzeit vom
Leimental bis zum Basler SBB-Bahnhof stark verkürzen und die Linie 8 bis zum
Gewerbegebiet Letten in Allschwil verlängert werden. Vorgesehen war auch die Verlängerung
der Tramlinie 14 nach Salina Raurica und Augst, die aber beim Stimmvolk
durchfiel.
Rheintunnel in Basel: Baubeginn 2029
Auf dem Basler Strassennetz rückt die Entlastung der
verstopften Osttangente näher: Ab 2029 soll der neue Rheintunnel gebaut werden.
Der Bundesrat hat für die Erweiterung des Autobahnabschnitts grünes Licht
erteilt. Die Kosten liegen bei rund 2,36 Milliarden Franken. Die Bauarbeiten
sollen zehn Jahre dauern. Der Rheintunnel umfasst je eine zweispurige Röhre in
zwei Richtungen. Die Röhre in Fahrtrichtung Frankreich und Deutschland soll
beim Anschluss Birsfelden beginnen. Beim Autobahnzubringer Birsfelden soll
dabei je ein zusätzlicher Fahrstreifen erstellt werden. Enden soll der Tunnel
nördlich des Badischen Bahnhofs.
Als Anschluss an den Rheintunnel soll vom Autobahnabschnitt
Nordtangente her die Ausfahrt Klybeck genutzt werden. Diese Ausfahrt wurde zwar
beim Bau der Nordtangente erstellt, aber nie in Betrieb genommen, um dem Basler
Klybeck-Quartier eine Verkehrsschwemme zu ersparen. Von Deutschland her soll
eine neue Ausfahrtsrampe an der bestehenden Grenzbrücke der A2-Osttangente
gebaut werden. Das Projekt sieht zudem vor, den Lärmschutz mit
«schallabsorbierenden Verkleidungen und einem lärmarmen Belag» zu verbessern.
Vierspurausbau in Liestal schreitet voran
Im Baselbieter Kantonshauptort Liestal schreiten der Vierspurausbau und der Bau eines Wendegleises für die S-Bahn im Bahnhof voran. Bis zum Fahrplanwechsel Ende 2025 wollen die SBB die Bauarbeiten abschliessen. Die Kosten belaufen sich auf rund 380 Millionen Franken. Mit der Eröffnung der neuen Seltisbergerbrücke wurde Mitte Oktober laut den Verantwortlichen ein «Meilenstein» erreicht.
Der Ausbau des Bahnhofs Liestal, der im Juni 2019 begann, soll zusammen mit Bauprojekten in Pratteln und Muttenz einen Viertelstundentakt der S-Bahn zwischen Liestal und Basel SBB ermöglichen und zu mehr Pünktlichkeit auf der Strecke Olten-Basel beitragen. Mit den zusätzlichen Gleisen wird die Möglichkeit geschaffen, Güter- und Personenverkehr stärker zu entflechten. Allein bis 2025 will der Bund rund eine Milliarde Franken in die Bahnanlagen in der Region Basel investieren. Noch im Baubewilligungsverfahren befindet sich das 133 Millionen Franken teure Projekt für den Doppelspur-Ausbau zwischen Duggingen und Grellingen im Laufental. Im Frühling 2023 möchten die SBB mit den Bauarbeiten beginnen.
Ein grosser Umbau wurde Ende März bei der Waldenburgerbahn
(WB) in Angriff genommen. Bauherrin ist die BLT, der die Bahn seit 2016 gehört.
Die 13 Kilometer lange Strecke zwischen Liestal und Waldenburg mit der
europaweit einzigartigen Spurweite von 75 Zentimetern wird bis Ende 2022 für
rund 300 Millionen Franken komplett umgebaut. Sie erhält unter anderem neue
Gleise und Haltestellen. Zudem werden die alten rot-weissen Wagen durch zehn
neue knallgelbe Niederflurzüge von Stadler Rail ersetzt. Diese fahren dann auf
der für Trams üblichen Meterspur. Die schmale Spurweite war seinerzeit gewählt
worden, um Geld zu sparen. Damit konnten die Züge im bereits vorhandenen
Strassenraum verkehren. Bis die Bauarbeiten abgeschlossen sind, verkehren auf
der Strecke Busse.
Für den Autoverkehr wird seit Ende 2019 der Vollanschluss
Aesch-Nord gebaut: eine Einfahrt auf die A18 Richtung Delémont und eine
Ausfahrt aus dieser Richtung. 56 Millionen Franken kostet das Vorhaben. Im
Frühjahr 2023 soll der Vollanschluss fertiggestellt sein. 2027 starten soll der
Bau des 370 Millionen Franken teuren unterirdischen Autobahnzubringers zum
boomenden Wirtschaftsgebiet Bachgraben in Allschwil. Baselland kommt gemäss
einer Vereinbarung zwischen den beiden Basel nicht nur für den Bau auf, sondern
auch für den Betrieb und Unterhalt während mindestens 15 Jahren.
Basel-Stadt übernimmt derweil die Kosten für die
Erschliessung des Bachgraben-Gebiets mit dem öffentlichen Verkehr. Im
Vordergrund stehen neue Tramverbindungen. Die Voraussetzung dafür ist aber die
Entlastung des Strassennetzes durch den Autobahnzubringer. Die ÖV-Linie kann
also erst gebaut werden, wenn die neue Strasse in Betrieb steht. Zudem muss
sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis als genügend erweisen.
Für 85 Millionen Franken will der Bund in den kommenden vier
Jahren den Nationalstrassenabschnitt zwischen Sissach und Eptingen erneuern.
Nach gut 50-jähriger Betriebsdauer entspricht das knapp zehn Kilometer lange
A2-Teilstück nicht mehr den heutigen gesetzlichen Vorgaben. Zum Projekt gehört
auch eine neue Wildtierüberführung in Tenniken. Im kommenden Sommer in Betrieb
gehen soll der 550 Millionen Franken teure Belchen-Sanierungstunnel auf der A2
bei Eptingen und Hägendorf.
In Laufen plant der Baselbieter Regierungsrat den Bau einer
Entlastungsstrasse für rund 100 Millionen Franken. Heute donnern mehr als 1000
Lastwagen täglich über den engen Laufner Vorstadtplatz. Das Kernstück dieses
Strassenprojekts ist ein Tunnel unter dem Bahnhofsgebiet. Angedacht ist auch
eine Umfahrung von Laufen und Zwingen. Dieses Grossvorhaben liegt aber in der
Verantwortung des Bundes. Auf diese Umfahrungsstrasse muss Laufen nach der
Einschätzung der Regierung wohl noch 20 bis 30 Jahre warten. Die
Entlastungsstrasse könnte unabhängig davon bald gebaut werden.
Im Kanton Solothurn erhitzen die Ausbaupläne für die A1
zwischen Luterbach und Härkingen die Gemüter. Der Autobahnabschnitt soll für
886 Millionen Franken von vier auf sechs Spuren erweitert werden. Der
Kantonsrat hat die Regierung beauftragt, mit dem Bund über Tunnel- und
Einhausungslösungen sowie höhere Lärmschutzwände zu verhandeln. Damit
würde sich Projekt um 150 bis 230 Millionen verteuern. Daran müsste sich der
Kanton mit 60 bis 90 Millionen beteiligen. Das letzte Wort würde das Stimmvolk
sprechen.
Quelle: zvg
Modell der umstrittenen Umfahrungsstrasse in der Balsthaler Klus.
Zu reden geben am Jurasüdfuss auch die Pläne des Kantons für
eine 74 Millionen Franken teure Umfahrungsstrasse in der Balsthaler Klus. Die
Solothurner Stimmberechtigten genehmigten im September den Verpflichtungskredit
für die sogenannte Verkehrsanbindung Thal mit einem klarem Mehr. Das ummauerte
Städtchen Klus, das zur Gemeinde Balsthal gehört, soll damit vom
Durchgangsverkehr befreit werden. Mit der Entlastungssstrasse wird nach der
Meinung der Befürworter auch die Erreichbarkeit der Region massiv verbessert
und der Bezirk Thal insgesamt gestärkt.
Streit um Ortsbildschutz
Allerdings ist noch überhaupt nicht sicher, ob das Projekt
mit der Bundesgesetzgebung für den Ortsbildschutz vereinbar und somit
bewilligungsfähig ist. Ein gemeinsames Gutachten der eidgenössischen Natur- und
Heimatschutz- sowie der Denkmalschutzkommission hat dies klar verneint: Die
Umfahrungsstrasse führe zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des national
bedeutenden Ortsbilds des Städtchens Klus. Ein Dorn im Auge ist den
Ortsbildschützern besonders der rund 300 Meter lange Viadukt, der von Oensingen
her die Bahngleise, die Dünnern und das Industriegebiet Klus überqueren soll.
Und der ist ein Kernstück des ganzen Projekts. Die Kantonsregierung sieht
dagegen die Anforderungen für den Ortsbild- und Landschaftsschutz
«vollumfänglich erfüllt». Die noch ungeklärte Frage ist beim Solothurner
Verwaltungsgericht hängig, und am Ende wird wohl das Bundesgericht entscheiden
müssen.
Für 140 Millionen Franken wollen die SBB den
Hauenstein-Basistunnel komplett erneuern. Rund 100 Güter- und 320 Personenzüge
fahren täglich durch den 8,1 Kilometer langen zweispurigen Tunnel auf der
Strecke Basel-Olten. 40 Jahre nach der letzten Sanierung müssen das
Tunnelgewölbe, die Gleise, Kabel und Gleisentwässerung instand gesetzt werden.
Neben der Sanierung der Grundausstattung werden auch die technischen Anlagen
verbessert. In den beiden Tunneldörfern Tecknau und Trimbach werden zudem
Störfallbecken gebaut. Damit kann mehr Schmutzwasser zurückgehalten werden als
bisher. Die Bauarbeiten sollen 2023 beginnen. Gearbeitet wird hauptsächlich
nachts. Die Bauarbeiten werden deshalb voraussichtlich erst 2027 beendet sein.