Verkehr und Energie in der Bauregion Zentralschweiz: Umfahrungen haben es schwer
Zwei Luzerner Nachbargemeinden kämpfen gegen eine Milliarden teure Autobahnumfahrung, in Zug wurden zwei Umfahrungs-Projekte bachab geschickt und im Kanton Schwyz geht an der Axenstrasse die Post ab. Uri und Nidwalden bemühen sich um eine nachhaltige Energieversorgung, und Obwalden arbeitet an einem neuen Planungs- und Baugesetz.
Quelle: Swiss Interactive AG Aarau
70 Millionen waren für die Umfahrung Beromünster schon bewilligt – doch nun ist das Projekt verschoben, weil der Kanton Luzern zuerst neue, anderweitige Verpflichtungen erfüllen muss.
Seit Kurzem liegt die Baubewilligung für die Luzerner Autobahnumfahrung Bypass vor. Kernstück des 1,8-Milliarden-Projekts sind zwei neue Tunnelröhren zwischen Emmen und Kriens. Das Vorhaben stiess auf heftigen Widerstand einiger Luzerner Gemeinden und Umweltorganisationen: Sie wollten möglichst grosse Teile der A2 überdacht haben, doch ihre Einwände und Vorschläge wurden vom eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation fast allesamt abgelehnt. Kein Wunder, wird die Baubewilligung nun beim Bundesverwaltungsgericht angefochten: Die Städte Kriens und Luzern haben beschlossen, den Rechtsweg zu beschreiten. Das Bundesamt für Strassen geht deshalb von einem Baubeginn frühestens Mitte 2026 aus.
Zu Verzögerungen kommt es im Strassenbauprogramm des Kantons, aufgrund von Verschiebungen bei den Investitionen. Diese wurden schon letztes Jahr angekündigt, doch hat niemand den 374 Seiten starken Aufgaben- und Finanzplan gründlich genug gelesen. Darum sind einige Gemeinden jetzt ernüchtert. So Beromünster, für dessen Ortsumfahrung bis 2026 nicht mehr 24 Millionen eingeplant sind, sondern gerade noch 1,25 Millionen. Bei der Lammschlucht sind es noch 210'000 Franken, anstatt 3 Millionen. Heisst im Klartext: Diese Projekte werden noch Jahre warten müssen.
Anderweitige Verpflichtungen
Ein Grund für die Verzögerungen im Strassenbau sind anderweitige Verpflichtungen, die Luzern übernommen hat: Mit dem neuen Wasserbaugesetz gingen zahlreiche Schutzbauten in die Verantwortung des Kantons über, in Zahlen 45'000. Einige davon waren von den Gemeinden vernachlässigt worden, so der Bericht zum Massnahmenprogramm. Bei 22'000, also fast der Hälfte, sei der Zustand «schadhaft» oder «alarmierend». Fazit des Berichts: «Diese Bauwerke erfüllen ihre vorgesehene Schutzfunktion aktuell nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr.»
Der Kanton will deshalb künftig 35 bis 40 Millionen Franken pro Jahr in den Hochwasserschutz investieren. Allerdings muss man erst die Projekte erarbeiten, bevor Geld fliessen kann. Dies war zuvor ein grösseres Problem: 2020 zum Beispiel standen 43 Millionen im Budget, investiert werden konnten aber gerade mal 13 Millionen. Einsprachen führen immer wieder zu Verzögerungen, desgleichen der Fachkräftemangel bei den spezialisierten Planungsbüros. Trotzdem konnten 48 laufende Projekte ins neue Massnahmenprogramm übertragen werden, und dazu noch 36 neue.
Quelle: Kanton Zug
Im Jahr 2037 soll die Umfahrung Cham abgeschlossen sein, für den stolzen Preis von 237 Millionen Franken.
Quelle: Tiefbauamt Kanton Schwyz
Grafik zur neuen Strassenführung der H8 zwischen Dritte Altmatt Nord, Höli und Biberbrugg.
Zwei Umfahrungen abgelehnt
Im Kanton Zug laufen inzwischen die Arbeiten an der Umfahrung Cham, die 2037 eröffnet werden und stolze 237 Millionen Franken kosten soll. Eine Summe, die im reichsten Schweizer Kanton indes kein Kopfzerbrechen bereitet. Trotzdem zeigte sich das Zuger Stimmvolk dieses Frühjahr wenig ausgabenfreudig: Sowohl die Umfahrung Zug als auch die Umfahrung Unterägeri wurden abgelehnt, und damit Investitionen von rund einer Milliarde Franken. Tunnel haben in Zug sowieso einen schweren Stand: 2015 hatten alle 11 Gemeinden im Kanton einen Zuger Stadttunnel abgelehnt.
Zu reden gibt auch der neue Hauptstützpunkt der Zugerland-Verkehrsbetriebe: Dieser soll ab 2027 gebaut und 2031 fertig sein – sofern keine Einsprachen erfolgen. So oder so muss für die ZVB vorab ein Provisorium errichtet werden, für 21 Millionen Franken. Die Kosten für den neuen Hauptsitz werden mit 190 Millionen beziffert.
Schwyz macht vorwärts
Im Kanton Schwyz verkündete Landammann André Rüegsegger, Vorsteher Baudepartement: «Wir haben mehr als genug Arbeit für die nächsten Jahre.» Generell will man den wachsenden Verkehr auf die Autobahn bekommen und das lokale Strassennetz entlasten. Zum Beispiel durch den Autobahnanschluss und Zubringer Freienbach, dessen Vorprojekt Ende Sommer abgeschlossen wird. Der Baubeginn soll 2030 erfolgen. Oder den Autobahnanschluss und Zubringer Wangen Ost. Hier wurden die Planungsarbeiten wegen Ressourcenknappheit noch nicht begonnen, obwohl schon Ende 2021 der Entscheid gefallen war, die neue Zubringerstrasse mit einem Tagbautunnel zu realisieren. Baubeginn ist nicht vor 2032.
Etwas weiter sind die Sanierung und der Ausbau der Hauptstrasse H8 bei Biberbrugg. Der Kantonsrat hat 123 Millionen Franken für das Vorhaben bewilligt, nun sollen die Vorarbeiten diesen Herbst 2024 erfolgen. Nach vier Jahren Bauzeit ist die Inbetriebnahme der Teilstrecke Höli – Biberbrugg geplant, nach drei weiteren Jahren der vollständige Abschluss.
Quelle: Tiefbauamt Schwyz
Die umfangreichen Vorarbeiten für die beiden Tunnel der neuen Axenstrasse A4 laufen unter schwierigen Bedingungen. 700 Millionen Franken sind dafür budgetiert.
Quelle: axen.ch
Visualisierung einer der Vorarbeiten an der neuen Axenstrassen: Diese Galerie wird dereinst den Anschluss Gumpisch zum Sisikoner Tunnel vor Steinschlag schützen.
Dauerbrenner Axenstrasse
Praktisch abgeschlossen ist das erweiterte Vorprojekt für das neue Polizei- und Justizzentrum Biberbrugg, dem zweiten kantonalen Verwaltungsschwerpunkt im Rahmen der Zweistandortstrategie: Hier sollen alle nicht ortsgebundenen Einheiten der Kapo, alle Abteilungen der Staatsanwaltschaft, das Amt für Justizvollzug sowie das Amt für Migration inklusive Passbüro unterkommen. Erhoffter Baubeginn: 2026. Frühestmöglicher Bezug: 2029. Kosten: 139 Millionen Franken.
Die mit Abstand «langlebigste» Baustelle, deren erster Auftrag bis 1970 zurückreicht, ist der Neubau der Axenstrasse, die Schwyz zusammen mit dem Nachbarkanton Uri realisiert. Letztes Jahr erfolgten 13 Submissionen mit einem Gesamtvolumen von 700 Millionen Franken, was nun sichtbar wird: «An der Axenstrasse geht 2024 die Post ab», so die Projekthomepage salopp. Etwas präziser: Heuer nehmen zahlreiche Grossbaustellen beim Projekt «A4 Neue Axenstrasse» den Betrieb auf. Sie betreffen vor allem Massnahmen gegen Naturgefahren und Vorbereitungsarbeiten, damit ab 2026 der Hauptvortrieb des Morschacher und des Sisikoner Tunnels begonnen werden kann. Wird das Projekt nach Plan realisiert, geht die neue Axenstrasse 2033 in Betrieb.
Kantonsteile sicher verbinden
Der Kanton Schwyz will den Strassenabschnitt Lustnau bei Sattel bis Biberegg bei Rothenthurm sanieren, da die Strasse bereits seit längerem Schäden aufweist, sodass die Verkehrssicherheit bei den Knoten und der Fussgängerführung ungenügend ist. Geplant sind eine Erneuerung von Belag und Entwässerung sowie die Instandsetzung der Stützmauer Rohr / Underi. Zudem soll beidseitig ein Velostreifen erstellt und im Raum Biberegg einseitig ein Trottoir realisiert werden. Weiter sind laut der Staatskanzlei Schwyz die Bushaltestellen behindertengerecht auszubauen. Entlang der Steineraa ist talseitig eine Stützmauer geplant, bergseitig ein neuer Wildtierzaun, um die Tiere über den Tunnel der Südostbahn zu leiten. Der Baustart der einzigen leistungsfähigen Verbindung zwischen den Kantonsteilen Inner- und Ausserschwyz ist für den Sommer 2025 vorgesehen. Für das Projekt beantragt die Regierung beim Kantonsrat eine Ausgabenbewilligung von rund 23 Millionen Franken.
Bei der Umfahrung Rothenturm wiederum will man das Vorprojekt erarbeiten, wofür aktuell Probebohrungen stattfinden. Allerdings rechnet der Kanton Schwyz mit Einsprachen, weshalb der Entscheid übers weitere Vorgehen frühestens in zwei Jahren erfolgen kann. Beim Halbanschluss Arth läuft das Vernehmlassungsverfahren, mit einer geplanten Realisierung 2030 bis 2031. Aus Kostengründen eingestellt wurde das Projekt «Südumfahrung Küssnacht Abschnitt 2».
Quelle: zvg
In Zug soll ein neuer Stützpunkt für die Zugerland Verkehrsbetriebe (ZVB) entstehen.
Quelle: zvg
Die Sanierung des 2220 Meter langen Projektperimeters soll im Sommer 2025 beginnen, gerechnet wird mit einer Bauzeit von dreieinhalb Jahren.
ENERGIE: Neues Gesetz in Kraft
Neue Bestimmungen gelten für Zuger Bauherrschaften seit Anfang Jahr: Beim Ersatz einer Heizung muss mindestens ein Fünftel des Wärmebedarfs über erneuerbare Energien gedeckt werden – oder die Effizienz in diesem Mass erhöht, etwa durch eine Wärmepumpe oder den Anschluss ans Fernwärmenetz. Wer weiter mit Öl oder Gas heizen will, kann sein Warmwasser über Solarthermie gewinnen oder die Dämmung des Daches verbessern. Neubauten wiederum müssen gemäss neuem Energiegesetz einen Teil ihres Strombedarfs selber erzeugen, zum Beispiel via Photovoltaik. Ansonsten ist eine Ersatzabgabe zu entrichten.
Immerhin: Der Kanton unterstützt Bauherrinnen und Bauherrn mit grosszügigen Beiträgen, im Rahmen des Förderprogramms Energie, das bis 2032 läuft. Auch eine kostenlose Beratung durch eine Fachperson stellt Zug zur Verfügung, und schliesslich das Geoportal, das alle nötigen Daten zur Nutzung von Erdwärme oder Grundwasser bereithält. Dieselben Informationen zur Sonnenenergie lassen sich auf dem kantonalen Solarkataster abrufen.
Grossunternehmen müssen sparen
Im Energiebereich setzt Schwyz aufs Sparen: Der Regierungsrat verpflichtet die ansässigen Grossunternehmen, bis 2035 ihren Verbrauch um 10 bis 15 Prozent zu senken. Der Beschluss betrifft alle Firmen, die pro Jahr 5 Gigawattstunden Wärmeenergie, umgerechnet 500'000 Liter Heizöl, oder 0,5 GWh Strom brauchen. Sie müssen alle noch dieses Jahr eine entsprechende Zielvereinbarung unterzeichnen, was aktuell schon 50 von ihnen vollzogen haben.Der Kanton selber geht mit gutem Beispiel voran: Er präsentierte im Frühling seine «Energiestrategie 2023+», die 42 Massnahmen auflistet, um die kantonale Verwaltung bis 2032 nachhaltiger aufzustellen. Alles Etappenziele auf dem Weg zum Fernziel Netto-Null, wie es der Bund für das ganze Land per 2050 gesetzt hat.
Uri polt um auf nachhaltig
Energie ist auch in Uri ein zentrales Thema, und es laufen diverse Aktivitäten, um die Versorgung nachhaltiger zu gestalten. So will die Energie Uri AG auf dem Gebiet der Gemeinde Göschenen zwei Windenergieanlagen errichten. Derzeit produzieren auf dem Gütsch in der Nachbargemeinde Andermatt vier Windräder Strom. Eins davon soll durch ein leistungsstärkeres Modell ersetzt und eine zusätzliche Anlage realisiert werden, um die Stromproduktion von 5,5 auf über 11 Gigawattstunden zu verdoppeln. Dazu sollen in Göschenen zwei Anlagen mit einer Jahresproduktion von 8,25 Gigawattstunden kommen.
Im Rahmen seiner Gesamtstrategie 2030 wird der Kanton auf eine nachhaltige Energieversorgung umgepolt, wie es das letztes Jahr vom Stimmvolk deutlich gutgeheissene Gesetz will. So soll Uri bei der Nutzung der Solarenergie jährlich eine Steigerung um den Faktor 3 erreichen, weshalb für Neu- und Umbauten eine Pflicht zur Nutzung dieser Energiequelle besteht. Dies gilt für Projekte ab 100 Quadratmeter Gebäudefläche, womit 72 Prozent aller Neubauten betroffen sind.
Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotografin: Hanna Gervasi
Auch Kleinkraftwerke machen Strom. Das Kraftwerk Kleintal im Isental, 1955 erbaut, wird durch den Einbau von zwei Pumpen zu einem Pumpspeicherkraftwerk umgenutzt.
Ausbau von Kleinkraftwerken
Auch an der Meienreuss kann Uri in Zukunft mehr Strom produzieren: Der Bundesrat hat den Schutz- und Nutzungsplan Meiental genehmigt, der eine Erhöhung der Produktion um 31,1 GWh vorsieht. Zugleich werden Nebengewässer für 80 Jahre unter Schutz gestellt. Nach der Erhöhung der Produktion wird das Kleinkraftwerk Strom für 6900 Haushalte liefern.
Im Isenthal schliesslich, einem weiteren der 13 kantonalen Kraftwerke, wird durch den Einbau zweier Pumpen das bestehende Kraftwerk zu einem Pumpspeicherwerk umgerüstet. Das 1955 erbaute Kraftwerk Kleintal, das im Winter 2008 /2009 umfassend saniert wurde, produziert pro Jahr 45 GWh Strom für rund 10'000 Haushalte. Mit der Erweiterung wird es Wasser vom Urnersee in den 326 Meter höher gelegenen Stausee transportieren können, was ab Anfang 2025 der Fall sein wird.
Der Kanton Obwalden bemüht sich, die Ziele aus seinem eigenen Energie- und Klimakonzept 2035 zu erfüllen, und setzt dabei auf den Abbau von Hindernissen: Per 1. Juli ist ein vereinfachtes Verfahren für den Bau von Solaranlagen und Luft-Wärmepumpen in Kraft. Neu ist keine Baubewilligung mehr nötig für Solaranlagen an Fassaden in Arbeitszonen, sowie für Luft-Wärmepumpen ausserhalb der Bauzone. Meldungen für Anlagen ausserhalb der Bauzonen, inklusive Beurteilung im Hinblick auf die Gestaltungsvorschriften, werden neu vom Kanton gratis bearbeitet. Zudem gibt es für die Erstellung einer Solaranlage 300 Franken Rabatt auf die Bewilligungsgebühr. Sofern überhaupt noch eine nötig ist.
Neues Planungs- und Baugesetz
Daneben hat der Regierungsrat den Entwurf für ein neues Planungs- und Baugesetz in die Vernehmlassung geschickt, die online noch bis diesen Herbst läuft. Es soll die Übersichtlichkeit und Nutzerfreundlichkeit erhöhen, bei der Planung Verfahren vereinfachen und somit Bauwillige schneller an ihr Ziel bringen. So müssen Anpassungen des Zonenplans oder des Bau- und Zonenreglements nicht mehr zwingend von der Stimmbevölkerung der Gemeinde beschlossen werden, sondern unterstehen nur noch dem fakultativen Referendum. Bei den Bauvorschriften liegt der Schwerpunkt auf der Flexibilisierung der Abstandsvorschriften.
Auf verkehrspolitischer Ebene ist Obwalden in Bundesbern vorstellig geworden. Der Kantonsrat nahm eine Motion einstimmig an, wonach der Regierungsrat eine Standesinitiative einreichen soll. Inhalt: Die rasche Realisierung des Durchgangsbahnhofs Luzern bis 2040. Dies hält man in Stans für entscheidend für die Verbesserung der Bahninfrastruktur in der Zentralschweiz. Somit sei der Ausbau des Bahnknotens Luzern für den Wirtschafts- und Tourismusstandort Obwalden von grosser Bedeutung, da der Anschluss der Zentralbahn an das SBB-Schienennetz wesentlich verbessert werde.
Der Kanton Nidwalden hat sich ein Leitbild 2025 gegeben, wonach 60 Prozent der lokal verbrauchten Energie nachhaltig und lokal produziert werden muss. Ein entsprechendes Schutz- und Nutzungskonzept für die Stromproduktion aus Erneuerbaren soll Investoren anziehen. Demnach wird der Kanton Flächen für Solaranlagen ausscheiden und daneben schützenswerte Landschaften und Gewässer bezeichnen. Hierbei stützt man sich auf die Nidwaldner GIS-Plattform, worauf das Kantonsgebiet in 3D aufgerastert ist und die Sonneneinstrahlung ermittelt werden kann, inklusive Angaben zu Produktionswerten.