15:29 BAUBRANCHE

Verkehr in Nordwestschweiz: Kantone planen Grosses auf der Schiene

Geschrieben von: Claudia Porchet (cet)
Teaserbild-Quelle: Thomas Zwyssig/ETH-Bilderarchiv Zürich/CC BY 4.0 DEED/Wikimedia Commons

In den beiden Basler Kantonen sind unter anderem unterirdische Bahnhöfe, ein weitverzweigtes S-Bahnnetz und damit die Erschliessung des Dreiländerecks vorgesehen. Auch der Kanton Solothurn rüstet bahntechnisch auf.

Stadt Basel

Quelle: M. Strīķis/CC BY-SA 3.0 DEED/Wikimedia Commons

Zur Entlastung der verstopften Strassen in der Stadt Basel plant der Bund den «Rheintunnel», eine neue unterirdische Autobahnverbindung zwischen Muttenz und Basel-Nord.

Die Basler Infrastruktur ist vollkommen überlastet: verstopfte Strassen, überfüllte Trams und eine S-Bahn, die sich auf einem viel zu knappen Schienennetz von Station zu Station quält, beschreibt die «bz Basel» die aktuelle Verkehrslage. 

Um die Situation zu entschärfen, werden das Bundesamt für Strassen (Astra) mit den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft den Rheintunnel realisieren: Zwei Tunnel von je rund vier Kilometern Länge verschwinden bei der A2 in Birsfelden langsam unter der Erde, um dann den Rhein 18 Meter unter dem Flussgrund zu unterqueren und im Basler Quartier Kleinhüningen wieder an die Oberfläche zu kommen, beschreibt das Astra das Grossprojekt. 

Problemzone Osttangente

«Der Nord-Süd-Hauptverkehrsachse A2 Osttangente Basel, die mitten durch die Stadt führt, ist der Flaschenhals in Basel Nord», bringt es die «bz Basel» auf den Punkt. Sie sei einer der meistbefahrenen Abschnitte der Schweiz – insbesondere zu Stosszeiten. «Ein grosser Teil des Agglomerations- und Durchgangsverkehrs auf der heutigen Osttangente wird durch den Rheintunnel entlastet» beruhigt der Astra-Direktor Jürg Röthlisberger in einem Interview mit dem Gewerbeverband Basel-Stadt dessen Leserschaft.

Das Verkehrsaufkommen auf dem chronisch verstopften Strassenabschnitt könne dank dem Rheintunnel um rund 30 Prozent sinken», fügt der Astra-Direktor gegenüber der «Basler Zeitung an.

Rheintunnel Osttangente

Quelle: Astra

Die Nord-Süd-Hauptverkehrsachse A2 Osttangente Basel ist eine der am stärksten befahrenen Autobahnen der Schweiz.

Ausführungsprojekt abgeschlossen

Das Projekt zieht sich seit Ewigkeiten hin, es gab unzählige Diskussionen, Interessengruppen, Einsprachen, Referenden und Petitionen. Die Zeitungen aus dem Raum Basel haben seitenweise darüber geschrieben. Doch die grundsätzlichen Fragen zur unterirdischen Autobahn zwischen Muttenz und Basel-Nord sind trotz hitziger Kontroversen inzwischen geklärt: Die Arbeiten am Ausführungsprojekt sind abgeschlossen. Vom 15. November bis zum 14. Dezember 2023 findet in Muttenz BL die öffentliche Planauflage statt. 

Der Rheintunnel kostet voraussichtlich 2,6 Milliarden Franken. Die Bauarbeiten beginnen 2029 und dauern mindestens zehn Jahre. Mit der Inbetriebnahme der ­unterirdischen Autobahn rechnet man frühestens 2040. 

Es gibt allerdings noch eine Schattenseite. Dem Strassenausbau fallen sämtliche Schrebergärten auf der Anlage Scheuerrain in Muttenz zum Opfer. Ein Teil der betroffenen Fläche wird aufgeforstet – was mit dem Rest passiert, ist ebenso unklar wie eine mögliche Kompensation der Pächter, gibt die «Basler Zeitung» zu bedenken.

Das Projekt «Herzstück» BS / BL 

Die «bz Basel» sagt klipp und klar: «Ja, wir brauchen den Rheintunnel, und wir brauchen den Tiefbahnhof Basel SBB. Wir brauchen den S-Bahnausbau und vor allem das ‹Herzstück›!» 

Die Basler stellen sich zur Verkehrsentlastung ein Jahrhundertprojekt vor: Unter dem Bahnknoten Basel sollen Tiefbahnhöfe und ein weitverzweigtes Bahnnetz entstehen. Der Zusammenschluss des Bahnhofs Basel SBB mit dem Badischen Bahnhof und der Station St. Johann könnte die Innenstadt endlich ans S-Bahn-Netz anschliessen. Der Ausbau des trinationalen S-Bahnnetzes ergäbe direkte Verbindungen nach Deutschland und Frankreich. Mit dem Anschluss des Euro-Airports ans Schienennetz schliesslich wären direkte Fahrten im Viertelstundentakt zum Flughafen möglich.

Herzstück S-Bahn-Ausbau Basel SBB

Quelle: SBB CFF FFS

Gleise des Bahnhofs Basel SBB aus der Luft: Unter der Anlage könnte ein neuer Tiefbahnhof mit einem unterirdischen Bahnnetz entstehen.

Realisierung dauert Jahrzehnte 

Mit diesem Plan geben die Stadt und Region dem Bund ein deutliches Zeichen. Doch das «Herzstück» zieht sich dahin. Seit Jahrzehnten schon spricht man darüber, manche glauben gar, dass das Riesenprojekt niemals umgesetzt werden wird, beschreibt das neue Onlinemagazin für die Region Basel, «Bajour», die Stimmung in Stadt und Land. 

Die Skepsis ist verständlich, denn die Regierungen beider Kantone inklusive Bundesparlamentarier haben geschlafen. Die Planung des «Herzstücks» und damit des Ausbaus der regionalen S-Bahn kam in der Vergangenheit nur schleppend voran, kritisiert die «bz Basel». Der Zeitung ist aber auch aufgefallen, dass die Politiker nun aufs Gaspedal drücken wollen. 

Die SBB hingegen treten auf die Bremse und halten fest, «dass das ‹Herzstück› nur über mehrere Jahrzehnte und Schritt für Schritt» realisiert werden könne. Zudem müsse man auf dem Weg zum vollausgebauten Projekt zuerst zwingend ein «umfassendes Ertüchtigungspaket im Umfeld des Bahnhofs Basel SBB» umsetzen.

Bundesentscheid erst 2026 

Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hat immerhin den Auftrag erteilt, zwischen 2022 und 2024 im Rahmen der Vorstudie «Kapazitätsausbau Knoten Basel» die besten Varianten für die Projekte eines neuen Tiefbahnhofs und des «Herzstücks» zu erarbeiten. 

Noch ist nichts in trockenen Tüchern: Vorstudien sind sehr frühe Phasen der ­Planung von Bahnprojekten, aber sie bilden immerhin die Grundlage für spätere Projektierungsarbeiten im Rahmen der ­Planungsphasen, erklären die SBB. Ob dieses Ertüchtigungspaket Teil des nächsten Ausbauschritts des Bundes wird, entscheiden Bund und Parlament voraussichtlich im Jahr 2026.

Doppelspurausbau im Laufental BL

Die S-Bahnstrecke zwischen Delémont, Laufen und Basel verläuft grösstenteils einspurig. Während den Hauptverkehrszeiten werden wegen Überlastung Verstärkungswagen eingesetzt. Zudem donnern Fernverkehrszüge durch die Jura-Landschaft: Die Bahnstrecke ist überlastet. Kreuzungsmöglichkeiten gibt es keine, weshalb man den Takt nicht verdichten kann. 

Ein Ausbau ist dringend nötig, deshalb erteilte das BAV die Baubewilligung für den Doppelspurausbau zwischen Grellingen und Duggingen. Damit ist das Bahnprojekt rechtskräftig. Der Bund, die Kantone und die SBB haben einen weiteren Meilenstein im öffentlichen Fernverkehr erreicht, teilen die SBB in einem Pressecommuniqué mit.

Doppelspurausbau im Laufental BL

Quelle: SBB CFF FFS

Die Doppelspur zwischen Grellingen und Duggingen verlängert einen Abschnitt, auf dem sich Züge kreuzen können. Fernverkehrszüge werden Ende 2025 im Halbstundentakt verkehren.

Arbeiten auf engstem Raum 

Der Bau eines durchgehenden zweiten Gleises zwischen den Ortschaften Grellingen und Duggingen schafft einen insgesamt vier Kilometer langen Doppelspurabschnitt, auf dem sich Züge kreuzen können. Damit verkehren die Fernverkehrszüge auf der Linie Basel–Laufen–Delémont–Biel gegen Ende 2025 künftig im Halbstundentakt. Zudem wird jede zweite Verbindung bis nach Lausanne verlängert. So erhält der Jura wieder eine umsteigefreie Fernverkehrsverbindung zwischen Delémont und dem Genfersee­becken, so die SBB. 

Das Bahnunternehmen startete diesen März mit den Vorarbeiten. Gearbeitet wird auf engstem Raum. Damit die Teams ein zweites Gleis verlegen können, müssen sie zuerst die Fläche des Trassees verbreitern und die bestehende Spur Richtung Hang verschieben. Die neue Strecke wird teils auf Wander- und Velowegen verlaufen, beschreibt die «Aargauer Zeitung» die Lage vor Ort.

Die BAV-Vizedirektorin Anna Barbara Remund unterstrich in einer Ansprache die verkehrstechnische und symbolische Bedeutung des Doppelspurausbaus Laufental: «Mit diesem Ausbau werden die wirtschaftlichen Zentren und die Sprachregionen besser miteinander verknüpft», schreibt die «Aargauer Zeitung».

Die Kosten für das Projekt betragen 133 Millionen Franken. Auftraggeber und Financier ist der Bund, das Geld fliesst dank des Ausbauschritts 2035. Die Kantone Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Jura und Solothurn haben die Planung und Projektierung im Vorfeld mitfinanziert.

Ausbau Bahnhof Lohn-Lüterkofen SO 

Um die wachsende Zahl von Fahrgästen bewältigen zu können, plant der Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS) den Ausbau des Bahnhofs Lohn-Lüterkofen. Das Fahrgastaufkommen auf der Bahnlinie zwischen Bern und Solothurn steige seit Jahren und werde gemäss den aktuellen Prognosen bis 2030 um weitere 30 Prozent wachsen, teilte der RBS mit. 

Die Regierungsrätin Sandra Kolly, Vorsteherin des Bau- und Justizdepartements des Kantons Solothurn, betonte die Wichtigkeit des Umsteigeknotens Lohn-Lüterkofen für den öffentlichen Verkehr in der Region (unter dem Bahnhof Bern ist ein neuer RBS-Bahnhof bereits im Bau, auch in Solothurn und entlang der Strecke wird gebaut). 

ÖV-Drehscheibe der Agglomeration 

Im regionalen Bahnnetz lassen sich keine weiteren Züge mehr einsetzen. Dafür werden infolge steigender Passagierzahlen längere, nämlich 180 Meter lange Züge, auf den Schienen verkehren, so der RBS. Demzufolge müsse man die Perrons verlängern. Zudem wird der Bahnhof  behinderten­gerecht angepasst. Neugestalten will man ebenso den Busbereich und Bahnhofsplatz. E-Bikern, Auto-, Velo-, Mofa-, oder Motorradfahrern  stehen zusätzliche Veloabstellplätze und Autoparkplätze zur Verfügung. Das historische Bahnhofgebäude aus dem Jahr 1916 bleibt erhalten. 

Die drei Projektpartner, der RBS, der Kanton Solothurn und die Gemeinde Lohn-Ammannsegg, wollen die Anlage zukunftsfähig und attraktiver gestalten. Die Kombination von Bus und Bahn soll den Bahnhof zu einer zentralen ÖV-Drehscheibe in der Agglomeration machen. «Der Ausbau des Bahnhofes liegt mir und dem Gemeinderat ganz besonders am Herzen» bekräftigte Sandra Kolly. «Mit dem neuen Bahnhofsareal erhält die Gemeinde die Visitenkarte, die sie verdient.»

Visualisierung neuer Bahnhof Lohn-Lueterkofen

Quelle: RBS

Der neue Bahnhof Lohn-Lüterkofen soll zur ÖV-Drehscheibe der Agglomeration werden.

Ausbau verzögert sich

Bisher sollte das Vorzeigeprojekt 2025 starten. Doch die Bearbeitungsfristen dauerten bei der Bewilligungsbehörde länger als geplant. Die öffentliche Planauflage finde später statt, ein genauer Termin sei noch nicht bekannt. Mit dem Bau könne man frühestens 2026 beginnen, eröffnet werden soll der neue Bahnhof 2028, teilte der RBS mit. Detailtermine des Bewilligungsverfahrens sowie des Bauprogramms würden publiziert, sobald diese bekannt seien, schreibt die «Solothurner Zeitung». 

Für das Gesamtprojekt sind etwa 55 Millionen Franken budgetiert, wovon der Bund rund 90 Prozent übernehmen wird, zum Teil mit Geld aus dem Agglomerationsprogramm. Wie der RBS weiter mitteilte, beträgt der Anteil der Gemeinde rund 3,4 Millionen Franken – die Gemeindeversammlung in Lohn-Ammannsegg stimmte dem Investitionskredit Ende Juni einstimmig zu. Auf den Kanton entfallen 2,5 Millionen Franken. 

Hauenstein-Basistunnel BL/SO 

Die SBB führten Ende November 2021 eine Ausschreibung für die Instandsetzung des Hauenstein-Basistunnels zwischen Olten und Basel durch. Aufgrund von drei Offerten beziehungsweise nach Abschluss des Verfahrens vergab das Unternehmen den Bauauftrag im Juni 2022 an die ausgewählten Teams. Einen Monat später legte ein unterlegener Mietbieter eine Beschwerde gegen die «ungerechte» Arbeitsvergabe an einen Konkurrenten ein. Der übergangene Bewerber stellte zudem ein Gesuch für eine aufschiebende Wirkung während des laufenden Verfahrens. Das Gesuch wurde im März 2023 vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen.

Auf Anfrage des Bundesverwaltungs­gerichts bestätigte der Verlierer, dass er eine Weiterführung seines Verfahrens wünsche. Gesuche für Schadenersatz reichte er jedoch keine ein, wie aus einem veröffentlichten Entscheid hervorgeht.

Südportal des Hauenstein-Basistunnels

Quelle: SBB CFF FFS

Die SBB müssen die Totalsanierung des Hauenstein-Basistunnels zwischen Olten und Basel verschieben.

Rechtsstreit abgeschlossen

Das Gericht hat den Fall nun abgeschrieben, weil an einem Entscheid weder ein praktisches noch ein aktuelles Interesse bestehe. Der Beschluss ist noch nicht endgültig und kann vor dem Bundesgericht angefochten werden.

Der Baustart für den rund acht Kilometer langen Jura-Durchstich zwischen Tecknau BL und Trimbach SO hatten die SBB auf Anfang 2023 festgelegt. Nun muss der Betrieb das Projekt auf den Herbst 2023 verschieben. Entsprechend offen seien auch die Dauer der Arbeiten sowie die genauen Termine der verschiedenen Gleissperren und Fahrplanänderungen. Und es könne auch nicht beziffert werden, wie hoch die Mehrkosten sein werden, welche die Verschiebung verursachen wird, meldet die SDA.

Neues SBB-Werk Olten SO 

Oberflächenbehandlungen von Wagenkasten sind für einen zuverlässigen Bahnbetrieb unerlässlich. In Olten, im grössten SBB-Werk der Schweiz, werden Eisenbahnwagen instandgehalten und modernisiert. Hier wird geschweisst, gehämmert und ­lackiert; auf separaten Fahrbahnen düsen unzählige Gabelstapler herum. Insgesamt 1100 Personen sorgen auf dem 18 Hektaren grossen Areal mit Verve dafür, dass der Bundesbetrieb seine Fahrzeugflotte in Schuss halten kann, beschreibt das «Oltner Tagblatt» die Stimmung im Werk. 

Doch es sind immer mehr Züge unterwegs, und die steigende Menge der Eisenbahnwagen muss laufend instandgehalten werden. Das bestehende Werk reicht für künftige Wartungsarbeiten jedoch nicht mehr aus.  Aus diesem Grund bauen die SBB auf dem Areal einen neuen Hallenanbau. Auf sechs zusätzlichen Plätzen werden Wagenkasten bearbeitet. Zwei Schienen sind für klimatisierte Lackierkabinen vorgesehen, ein Gleis dient der Sandstrahlanlage. Auf drei weiteren  Bahnen wird Sand gestrahlt und geklebt.

Neues Werk Olten

Quelle: SBB CFF FFS

Das Bahnangebot wird grösser und die Fahrpläne dichter. Mit dem neuen Hallenanbau in Olten sind die SBB auf den Anstieg der Eisenbahnwagen sowie deren künftigen Instandhaltung und Modernisierung vorbereitet.

Parallel zum Neubau der Halle werde das Werk Olten auch andernorts weiterentwickelt: Von 2024 bis 2025 entstehe ein neues automatisiertes Kompaktlager für Drehgestelle und grössere Komponenten wie Radsätze, Kompressoren oder Wechselrichter. Die Anzahl Drehgestelle werde in den nächsten fünf bis zehn Jahren zunehmen, da sich die SBB-Flotten, unter anderem einstöckige Regionalverkehrs-Triebzüge, vergrössern würden. Man sei bereits daran, das gesamte Werk­areal mit Behörden und Experten auf die mittel- und langfristigen Bedürfnisse auszurichten, so die SBB. 

Die neue, 46 Millionen teure Halle soll im Lauf des Jahres 2025 in Betrieb gehen, wie die SBB schreiben. Die Baubewilligung sei am 31. August vom BAV erteilt worden.

Geschrieben von

Redaktorin Baublatt

Claudia Porchet ist Philologin und interessiert sich für Architekturgeschichte, Kunst am Bau und Design. Ebenso begeistern sie neue Forschungsresultate aus allen Bereichen. Zudem ist sie für die Kolumnen zuständig und steht deshalb in Kontakt mit allen grossen Verbänden.

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