Urbanes Leben auf Sizilien vor 2600 Jahren
Vor etwa 2600 Jahren war Himera eine der grössten griechischen Kolonien auf Sizilien. Erste Ausgrabungen vor hundert Jahren brachten die Ruinen eines Tempels ans zu Tage sowie Begräbnisstätten und Reste von Wohnsiedlungen. Praktisch unberührt blieb das darüber liegende Hochplateau. Dieses erforschen Berner Archäologen und gelangten zu ersten wichtigten Erkenntnissen.
Federführend ist die Abteilung Archäologie des Mittelmeerraumes der Uni Bern, die das interdisziplinäre Stadtforschungs-Projekt betreut. Erste Ergebnisse sind viel versprechend und deuten darauf hin, dass das etwa 50 Kilomater östlich von Palermo liegende Himera an der Nordküste Siziliens vor 2500 Jahren eine der grössten griechischen Städte der Insel war.
Als einzige grosse griechische Koloniestadt an der Nordküste Siziliens wurde Himera 649 v. Chr. gegründet. Als Handels- und Handwerker-Stadt lag sie an der Grenze des Einflussgebietes von Phöniziern und Karthagern auf Sizilien. Dass diese griechische Kolonie prosperierte, lässt sich aus den bereits früher ausgegrabenen Ruinen schliessen. Die neuen Erkenntnisse über die Grösse des Stadtgebietes scheinen dies zu bestätigen. Der damit verbundene Wohlstand und der wachsende Einfluss Himeras vertrug sich aber nicht mit den Expansionsgelüsten der Phönizier und Karthager. In einer Schlacht gegen die Karthager um 480 v. Chr. vermochte sich die Stadt noch zu behaupten, um 71 Jahre später, 409 v.Chr. von den Karthagern zerstört zu werden. Himera wurde nie mehr aufgebaut.
Ein vergessenes Wohnviertel als Glücksfall
Über dem bereits bekannten antiken Himera befindet sich der Piano del Tamburino, ein Hochplateau von 120'000 Quadratmetern. Die Berner Forscher vermuten, dass diese Fläche, 90 Meter über der bekannten Stadt, ein intensiv besiedelter Teil der antiken Kolonie war. „Wenn sich die Vermutung bestätigen sollten, ist dies nicht nur für das Verständnis der Stadt von essenzieller Bedeutung. Himera würde damit zu einer der flächenmässig grössten griechischen Kolonien auf Sizilien avancieren“, erklärt dazu Projektleiterin Elena Mango. Bei der Erforschung des Plateaus gelangen verschiedenste Methoden zum Einsatz. Neben der Grabungen liefern frühe historische Reiseberichte, Luft- und Satellitenbilder sowie grossflächige geophysikalische Prospektionen.
Erste Funde
Bereits fanden die Forscher klare Hinweise auf eine Urbanisierung des Hochplateaus. So kamen neben dem Zerstörungsschutt von der Schlacht im Jahre 409 v. Chr. verschiedene Keramik- und Bronze-Funde zum Vorschein. Bedeutend stufen die Wissenschaftler rund einen Meter starke Mauerfundamente ein. In ihrer sorgfältigen Qualität unterscheiden sie sich von den meisten bisher bekannten Fundamenten Himeras. Dabei könnte es sich um die Basis von weiteren öffentlichen Gebäuden oder Tempeln handeln.
Die Erforschung eines seit mehr als 2000 Jahre unberührten Siedlungsraumes birgt die Chance, auch dank einem interdisziplinären Vorgehen, neue Erkenntnisse über das städtische Leben und seine bauliche Organisation zu gewinnen. Zudem ist das Himera-Projekt laut Projektleiterin Mango für die schweizerische archäologische Forschung eine Chance, sich im von internationalen Institutionen dominierten Feld der Kolonisationsforschung besser zu positionieren. (mai/mgt)