Unklare Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt
„Risiko-Management“ war das Schwerpunkt-Thema am fünften Schweizer Immobilien-Kongress in Bern, der vom Zürcher Immobilienberatungs-Unternehmen IAZI AG organisiert worden ist. Die erhöhte Risiken im Immobilienmarkt Schweiz und die Schwierigkeit, die zukünftige Entwicklung abzuschätzen, wurden bei allen hochkarätigen Referenten thematisiert.
Quelle: zvg
Günstigere Mieten für Familien: Die Stadt Zürich engagiert sich für den genossenschaftlichen Wohnungsbau.
Aus der Sicht der Immobilieninvestoren sieht Donato Scognamiglio, Professor für Real Estate an der Universität Bern und CEO der IAZI AG, erhöhte Risiken vor allem im Bereich der Rendite-Immobilien. Er vergleicht die Preisentwicklung in diesem Segment schweizweit mit dem Stand vom Ende der 1980er Jahre. Damals hatte sich vor allem bei den Büro- und Gewerbeimmobilien eine Preisblase entwickelt. Die Ursachen sind jedoch nur bedingt mit der heutigen Zeit vergleichbar. Damals entstand die Blase durch eine spekulativ ausgerichtete Bautätigkeit, die auch auf den Mietwohnungs-Bereich überschwappte. Vor allem "die Verlockung des schnell verdienten Geldes" war die Ursache. Heute sieht Prof. Scognamigliodie Ursachen der aktuell hohen Preise in einem durch Zuwanderung getriebenen starken Bevölkerungs-Wachstum sowie den Anlagenotstand von institutionellen und privaten Investoren. Solange die Produktion hinter der Nachfrage zurückbleibt, ist es schwierig von einer Blase zu reden. Aber die Situation ist heute nicht einfach zu beurteilen.
Mögliche Szenarien
"Die Wahrscheinlichkeit, dass die Preise demnächst erst recht durch die Decke gehen, ist mindestens genau so hoch, wie der umgekehrte Fall, und das macht es den Märkten so schwierig." Würde die Wirtschaft, ausgelöst durch die europäische Staatsschuldenkrise, in eine länger andauernde Depression gleiten, so würde die Zuwanderung rasch gestoppt und die Immobilienpreise drohten durch ein Überangebot an Mietwohnungen zu zerfallen, ohne dass je eine Spekulationsblase bestanden hätte. Würde die Wohnungsproduktion jedoch gedrosselt um einen eventuellen bevorstehenden Preisrückgang zu entschärfen, könnten bei Eintritt des gegenteiligen Wirtschaftsszenarios die Wohnungen unbezahlbar werden. Verhältnisse wie in Monaco wären die Folge.
Ein weiteres Moment der Verunsicherung aus der Sicht von Prof. Scognamiglio sind allfällige politische Eingriffe, wie etwa die durch die Organisation Ecopop Initiative zur Beschränkung der Zuwanderung.
Erste Hinweise auf eine Beruhigung?
Favorisiert wird gemäss IAZI das Szenario, dass sich die Marktlage bei den Renditeimmobilien aufgrund der Wirtschaftsentwicklung beruhigen wird. Ein erstes Indiz liefert der «SWX IAZI Investment Real Estate Index». Dieser hat im 3. Quartal eine Preisreduktion von 1.3 % ausgewiesen, wobei übers Jahr betrachtet noch immer eine Erhöhung der Preise um 5.4 % zu verzeichnen ist.
Auf Grund der starken Bevölkerungsentwicklung, angetrieben durch die andauernde Zuwanderung gut ausgebildeter Fachkräfte sind die Mieten in der Schweiz seit 2004 kontinuierlich gestiegen. Die rückläufige Entwicklung des Hypothekarzinses und die nur schwach ausgeprägte Inflation – zurzeit wird gar eine leichte Defl ation verzeichnet – vermochte diesen Trend nicht zu verhindern. Und der im Jahre 2008 eingeführteReferenzzinssatz, welcher im Oktober 2010 zwecks Verhinderung von Ungleichgewichtenrevidiert worden ist, sind die dadurch erwarteten Mietzinssenkungen nicht eingetreten.
Unterschiedliche Mietzinsentwicklungen in den Kantonen
Die steigenden Mieteinnahmen der Eigentümer sind vor allem auf die Kantone Neuenburg(8.0 %), Wallis (6.9 %), Freiburg (6.0 %), Solothurn (5.8 %), Genf (4.7 %) undWaadt (3.9 %) zurückzuführen, während die Mehrzahl der Kantone im gleichen Zeitraumeine stabile Entwicklung ausweisen mit Raten von -1.1 % (Tessin) und -0.5 % (Aargau) bis+3.4 % (Bern) und +3.5 % (Basel-Stadt). Im bevölkerungsreichen Kanton Zürich stiegen dieMieteinnahmen seit 2009 lediglich um 1.5 %.
Weniger Wohnungswechsel
Seit letztem Jahr berechnet die IAZI AG zudem den sogenannten «IAZI Fidelity Index».Dieser spiegelt die Entwicklung jener Mietverhältnisse, die in den letzten zwölf Jahren keinenMieterwechseln unterworfen waren. Der Index zeigt seit 2011 leicht sinkende Tendenz.
Die Euro-Risiken für die Schweiz
Aymo Brunetti, früherer Chefökonom des Bundes, heute Wirtschaftsprofessor an der Universität Bern, sieht die künftige Entwicklung der Schweiz als stark von der Situation im Euro-Raum geprägt. Für den Euro-Raum sieht er drei mögliche Szenarien: 1. Austritt Griechenlands aus der Eurozone, was er als gefährlich nicht nur für die Griechen sondern auch für die übrigen Euro-Länder erachtet. 2. Die Verlagerung der Finanz- und Wirtschaftspolitik nach Brüssel. Angesichts der Heterogenität der Euro-Länder würde dies auch zu einer Schwächung der starken Euro-Länder führen. 3. Weiteres Durchwursteln, wie wir es nun seit Jahren erleben.
Brunetti sieht den Euro zwar als "Fehlkonstruktion". Ein Übungsabbruch wäre aber so teuer, dass eine Entwicklung in Richtung einer gemeinsamen Wirtschafts- und Finanzpolitik als das kleinere aller Übel erscheint. Die wirtschaftlichen Ungleichgewichte der einzelnen Euro-Länder bezeichnet er als eines der grössten Probleme. Seit dem Jahr 2000 sind die Lohnstück-Kosten in Griechenland, Italien und Spanien um ca. 30 bis 40 Prozent gestiegen, in Deutschland dagegen nur um ca. 7 Prozent. In der Schweiz werden die Steigerungen in Franken gerechnet auf 15 bis 20 Prozent geschätzt, in Euro umgerechnet sind es jedoch etwa 50 Prozent. Das sind für den Export und für die Wirtschaftsentwicklung der Schweiz schwierige Voraussetzungen. Würde die Inflation im EU-Raum weiterhin um 3 Prozentpunkte höher liegen als in der Schweiz, wäre der Franken mit 1.20 pro Euro in wenigen Jahren nicht mehr signifikant überbewertet. Die Aufhebung der Kursgrenze der SNB betrachtet er auch dann als knifflig, angesichts eines erneut zunehmenden Drucks auf den "sicheren" Franken.
Wie aus der Analyse Brunettis hervorgeht, dürfte die Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz wohl durchzogen verlaufen. Inwieweit dies die Zuwanderung und Bevölkerungsentwicklung und letzten Endes auch den Bedarf an Wohnraum beeinflussen wird, kann noch kaum abgeschätzt werden. (mai/mgt)