Umwelthistoriker setzt BKW unter Druck
Der Streit zwischen dem Berner Energiekonzern BKW um die Hochwassersicherheit des AKW Mühleberg und Umwelthistoriker Christian Pfister hat sich am Wochenende verschärft: Mit einem neuen wissenschaftlichen Beitrag erhöhte Pfister den Druck.
Pfister gehört zu einem Team, das Mitte Juli eine Rekonstruktion der grösstenHochwasser publizierte, das die Stadt Basel seit dem Jahr 1268 heimgesucht haben. In der Folge forderte der Berner Wissenschaftler, die BKW müsse diese Daten in ihre Berechnungen für die Hochwassersicherheit des AKW Mühleberg einbeziehen. - Die Studie befasse sich ja mit Hochwassern in Basel, winkte die BKW ab. Die Erkenntnisse liessen sich nicht auf Mühleberg übertragen.
In der Folge sichtete Pfister mit seinem Forscherkollegen Oliver Wetter innerhalb eines Monats noch einmal die gemeinsamen Erkenntnisse zu den westlichen Zuflüssen des Rheins nochmals und fassten diese in einem zehnseitigen Beitrag zusammen. Diese Weiterführung der Rhein-Studie wurde am späten Samstagabend auf derInternetseite der "Berner Zeitschrift für Geschichte" aufgeschaltet und gestern von der "SonntagsZeitung" thematisiert. Im Beitrag steht, dass beim verheerenden Hochwasser von 1480 in Basel die grössten Regenmengen im westlichen Alpenraum und Mittelland niedergingen und dass darum die Aare und etwa auch die Saane extrem hohe Pegel hatten. "Die 'Sündflut des Rheins' von 1480 stammte zur Hauptsache aus dem Einzugsgebiet derAare", schreiben Wetter und Pfister.
Für Pfister ist deshalb klar: Die BKW muss weitere Abklärungen machen.BKW-Sprecher Antonio Sommavilla sagte gestern auf Anfrage, sein Konzernwerde den neuen Beitrag studieren - bisher habe man noch keine Kenntnis davon."Wenn relevante Aussagen drin stehen, werden wir das sicher berücksichtigen",sagte Sommavilla weiter. Zudem werde das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) den neuen Beitrag von Pfister und Wetter ebenfalls prüfen und wenn nötig entsprechende Vorgaben machen, so Sommavilla.
Kritik nicht nur seitens Pfister
Bis Ende Juni musste die BKW dem ENSI einen Bericht zum Nachweis der Hochwassersicherheit der Mühleberger Anlage abliefern. Sie stützt sich dabei auf eine 2007 herausgegebene Studie des Berner Ingenieurunternehmens geo7 zu Extremhochwassern im Einzugsgebiet der Aare. Darin untersuchten die Autoren unter anderem die Auswirkungen eines zwei- bis dreitägigen Intensivniederschlags im Einzugsgebiet der Aare kombiniert mit hohem Seestand im Berner Oberland, wie auf der Internetseite des Ingenieurbüros nachzulesen ist. Das Pikante an der Sache: Auch einer der Autoren dieser Studie kritisierte Mitte Juli die BKW. Die in der Studie genannten Abflusszahlen dürften nicht einfach mit einem alle 10'000Jahre einmal vorkommenden Extremhochwaser gleichgesetzt werden. Vielmehr müssedie BKW auch andere mögliche Ereignisse wie etwa Hangrutsche mitberücksichtigen.
Laut Sommavilla hätte sich die BKW gern einmal mit Pfister an einen Tischgesetzt, doch sei ein Gespräch nie zustande gekommen. Wie Pfister sagt, hat er abervon der BKW nie ein Mail und auch nie einen Anruf erhalten. (mai/sda)