17:30 BAUBRANCHE

Umfassende Solidarhaftung in der Baubranche

Um Lohndumping zum bekämpfen, spricht sich der Ständerat für eine umfassende Solidarhaftung im Baugewerbe aus. Dies hat die kleine Kammer heute Dienstag mit 22 zu 18 Stimmen beschlossen. Während die Unia zufrieden mit dem Entscheid des Ständerats ist, hagelt es vom Schweizerischen Baumeisterverband heftige Kritik.

Bei der vorgeschlagenen Variante kann sich ein Unternehmen von der Solidarhaftung befreien, wenn es nachweisen kann, dass die Einhaltung von Lohn- und Arbeitsbedingungen überprüft wurden. Allerdings betrifft die Solidarhaftung nur das Baugewerbe und die Lohnbedingungen. Zur Diskussion stand auch eine abgeschwächte Variante aus den Reihen der Bürgerlichen: Nach dieser hätte ein Erstunternehmer für Lohnmissbräuche seines Subunternehmers nur gehaftet, sofern er sich nicht vertraglich abgesichert hat, dass der Subunternehmer die Lohnbedingungen einhält. Dieser Vorschlag war von der vorberatenden Kommission unterstützt worden. Er lasse sich einfach und leicht umsetzen, begründete dies Konrad Graber (cvp., Luzern) im Namen der Kommission. Ein grosser Teil der Mängel liesse sich damit beseitigen. Die Linke und der Bundesrat sahen es anders: Diese Befreiung von einer Haftung wäre aus ihrer Sicht zu einfach gewesen. „Ein polnischer Plättlileger wird gar nicht verstehen, was er unterschreibt“, sagte Roberto Zanetti (sp., Solothurn).

Auch Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann hielt die abgeschwächte Variante für nicht wirkungsvoll. Dagegen könne die strengere Solidarhaftung den „Lohnunterbietungen einen Riegel schieben“. Bei einer Vernehmlassung habe diese eine Mehrheit erhalten. Griffige Massnahmen gegen Lohndumping dienten direkt der Akzeptanz der Personenfreizügigkeit, sagte Christian Levrat (sp., Freiburg),. Jede Medienmeldung über Arbeiter aus Osteuropa, die für weniger als zehn Euro in der Stunde in der Schweiz arbeiteten, verkleinere die Unterstützung.

Bedrohung für Schweizer KMU?

Die Befürworter der Solidarhaftung stellten das Lohndumping-Problem auch als Bedrohung für Schweizer KMU dar: Die Solidarhaftung diene dazu, dass anständige Subunternehmer, welche die Lohnbedingungen einhalten, gegenüber unanständigen Subunternehmern nicht benachteiligt würden, sagte Zanetti. Dieses Argument zog auch bei einigen Bürgerlichen. Der kleine Schweizer Gewerbler erhalte keine Aufträge mehr, weil er Schweizer Recht einhalte, sagte Pirmin Bischof (cvp., Solothurn). Solidarhaftungen seien im Schweizer Recht zudem bereits bekannt. Nachbarländer hätten ähnliche oder sogar strengere Bestimmungen.

„Unvorstellbare Bürokratie-Maschinerie“

Die Solidarhaftung setze eine „unvorstellbare Bürokratie-Maschinerie in Bewegung“, sagte Peter Föhn (svp., Schwyz). Er und weitere SVP- und FDP-Vertreter traten für die abgeschwächte Variante ein. Wenn der Erstunternehmer sämtliche Risiken übernehmen müsse, werde das beispielsweise auch Bankkredite für Bauunternehmer verteuern. Dies gefährde Arbeitsplätze. „Es herrscht primär ein Vollzugsproblem“, so Karin Keller-Sutter (fdp., St. Gallen). Eine einheitliche Umsetzung der Kontrollen und Sanktionen zu Arbeitsbedingungen wäre angezeigt. Daran arbeite die Konferenz der kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren aber bereits. Die Regelung zur Haftung für Lohnmissbräuche lagerten die Räte aus einer umfassenderen Vorlage zur Verschärfung der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit aus. Dabei hiess das Parlament schon in der Sommersession Massnahmen zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit gut. ¬Das Geschäft geht nun in den Nationalrat. (mai/sda)

Unia und SBV zur Solidarhaftung

Unia: Korrektur eines Fehlentscheids

Die Löhne auf dem Bau und im Ausbaugewerbe seien unter Druck. Schuld daran seien skrupellose Subunternehmen, die sich nicht um die geltenden Verträge kümmerten und skandalös tiefe Löhne zahlten, schreibt die Unia in ihrer Stellungnahme. Darunter litten Arbeitnehmer und Firmen, die sich an die Verträge halten und faire Löhne zahlen. Deshalb begrüsst die Unia begrüsst den Entscheid des Ständerates, eine verbindliche Solidarhaftung einzuführen. Die heute beschlossene Variante schafft laut Unia die nötige Grundlage, damit die Sozialpartner die Einhaltung dieser Normen effektiv kontrollieren und auch durchsetzen können.

Der Ständerat korrigiere damit den Fehlentscheid der vorberatenden Kommission, welche lediglich kosmetische Korrekturen am unbefriedigenden Status Quo vorgesehen hatte, heisst es weiter. Die Unia fordert den Nationalrat auf, sich dem Ständerat anzuschliessen und eine „effektive Kontrolle“ des Lohndumpings zu ermöglichen.

Schweizerischer Baumeisterverband: Misstrauen und Schnüffelei

Der Schweizerische Baumeisteverband ist entsetzt über den Entscheid des Ständerats zur Einführung einer integralen Solidarhaftung ausschliesslich für das Baugewerbe, schreibt der SBV in seiner Stellungnahme. Der Ständerat installiere damit Misstrauen und Schnüffelei als Wirtschaftsprinzip und kriminalisiere eine ganze Branche.

Bauunternehmer müssten die Firmen zuerst kontrollieren, bevor sie ihnen Unteraufträge weitergeben, schreibt der Schweizerischen Baumeisterverband in seiner Stellungnahme. Damit wir gemäss SBV eine ganze Branche verdächtigt, das Gesetz zu brechen. Die wenigen Firmen dies tatsächlich tun, haben dagegen laut SBV nichts zu befürchten: „Für sie müssen ja am Ende andere geradestehen. Das ist unerhört.“ Zudem befürchtet der SBV das die Einführung einer Solidarhaftung einen enormen bürokratischen Aufwand mit sich bringt. Viele Firmen würden dann weniger oder überhaupt keine Unteraufträge herausgeben. Laut SBV bezahlen kleinere Firmen die Kosten dafür, weil viele von ihnen fast ausschliesslich von Unteraufträgen lebten. Die Solidarhaftung sei eine diametrale Abkehr vom schweizerischen Rechtsgrundsatz, wonach jede Person nur für ihr eigenes Handeln zur Verantwortung gezogen werden könne. Diese fundamentale rechtsstaatliche Umorientierung nur einer Branche aufzuzwingen, verstosse gegen das in der Verfassung verankerte Gleichbehandlungsgebot.

Dass es die Baubranche mit der Solidarhaftung trifft erachtet der SBV als „ in hohem Masse unfair“. Gemäss Seco bewege sich das Lohndumping im Bauhauptgewerbe im Promillebereich; zudem seien im vergangenen Jahr 41 Prozent aller Firmen kontrolliert worden. Das sei einMehrfaches der andern Branchen mit GAV. Schliesslich habe das Bauhauptgewerbe die mit Abstand höchsten Mindestlöhne aller handwerklichen Branchen. (mai/mgt)

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