Timbersportlerin Yolanda Hagmann: Mit Axt und Säge sehr behände
Yolanda Hagmann zerhackt und zersägt Baumstämme wie ein Weltmeister. Sie ist eine der schnellsten Sportholzfällerinnen weltweit. Sie möchte noch mehr Frauen für diesen Sport begeistern, bei welchem es auf Flinkheit und Technik genauso ankommt wie auf Kraft.
Quelle: J, Weber, Stuttgart
Beim «Stihl Stock Saw» werden mit der Motorsäge von einem waagerecht befestigten Holzstamm mit einem Abwärts- und einem Aufwärtsschnitt zwei Holzscheiben abgetrennt.
Yolanda Hagmann (36) hat schöne Hände. Es sind feminine Hände – schmal, nicht zu klein, nicht zu gross, mit einer makellosen, feinporigen Haut und gepflegten Nägeln. Am linken Ringfinger funkelt ein fein gearbeiteter, diamantbesetzter Weissgoldring. Die schweizerisch-kanadische Doppelbürgerin aus Ramsen (SH) ist weltweit eine der führenden Sportholzfällerinnen. Die 1,70 Meter grosse, schlanke Frau bringt den Beweis, dass nicht nur kräftige Männerpranken und muskelbepackte Hünen Baumstämme in Sekundenschnelle zu Kleinholz verarbeiten können. Immerhin wiegen die Gerätschaften – Äxte, Handsägen und Motorsägen – je nach Modell zwischen zwei bis sechs Kilogramm.
Weibliche Konkurrenz
Sportholzfällen ist ein Hochleistungssport. Bein-, Rumpf-, Arm- und Schultermuskulatur leisten beim Hacken und Sägen volle Arbeit. «Anders als bei den Berufswettkämpfen der Forst- und Holzarbeiter, geht es bei beim Sportholzfällen ausschliesslich um Geschwindigkeit und nicht um Präzision. Wer am schnellsten ist, gewinnt», sagt Yolanda Hagmann, die sich 2018 im polnischen Kattowitz in der Disziplin «Stock Saw» den Weltrekord in 11,51 Sekunden «ersägt» hat.
Beim «Stock Saw» müssen mit der Motorsäge aus einem waagrecht eingespannten Baumstamm innerhalb eines zehn Zentimeter breiten Abschnitts einmal von oben und einmal von unten her zwei Scheiben, sogenannte Cookies, herausgeschnitten werden. Wer über die Markierungslinie hinaussägt oder kein ganzes Cookie herausschneidet, ist disqualifiziert. Den Rekord hat ihr inzwischen eine Kollegin streitig gemacht, Yolanda Hagmann will ihn wieder brechen. Beim «Single Buck», wo man mit einer rund zwei Meter langen Einmannzugsäge einem horizontal liegenden Baumstamm zu Leibe rückt, ist sie bereits kurz davor, den Weltrekord aufzustellen.
Im Sportholzfällen seien Frauen aber immer noch die verschwindend kleine Minderheit, konstatiert Yolanda Hagmann mit Bedauern, es fehle ihr an den Wettkämpfen an ebenbürtiger weiblicher Konkurrenz. So kommt es, dass sie auch schon gegen Männer angetreten ist und den einen oder anderen Sportkollegen sogar besiegt hat. «Wo Männer von Natur aus hinsichtlich Kraft im Vorteil sind, in den Axtdisziplinen zum Beispiel, das mache ich in anderen Disziplinen mit Technik und Flinkheit wieder wett», erzählt die Landschaftsarchitektin im Pausenraum ihres Arbeitgebers, der Frei Thayngen AG im schaffhauserischen Thayngen.
Quelle: J, Weber, Stuttgart
Yolanda Hagmann hat sich 2018 im polnischen Kattowitz in der Disziplin «Stock Saw» den Weltrekord in 11,51 Sekunden «ersägt».
Obwohl sie nicht mehr im Gartenbau, sondern mehrheitlich planerisch tätig ist, trägt sie die praktische Berufsbekleidung der Landschaftsgärtner: Dunkle Faserpelzjacke, feste Schuhe, olivgrüne Cargohosen, aus deren schmaler Seitentasche ein Zollstock herausragt. Pumps, Kleider und Jupes bleiben dem Privaten vorbehalten. Mit Schubladendenken und gängigen Geschlechter-stereotypen kann sie nicht viel anfangen.
Yolanda Hagmann ist auf eine entspannte Art sich selbst und tut, was ihr Spass macht: «Ich beschäftige mich einfach gerne mit ganz verschiedenen Dingen und bin von Maschinen fasziniert.» Die zierliche Brünette hat übrigens in Kanada einen Führerschein für Lastwagen erworben und als Lastwagenfahrerin gearbeitet. In den harten Wintermonaten notabene.
Verschiedene Organisatoren
Die Wettkämpfe, in der Schweiz sind es zirka sechs pro Jahr, werden von verschiedenen Verbänden wie Eurojack, lokalen Vereinen oder von Privaten mit je eigenen Regeln und Disziplinen organisiert. Das Nonplusultra und die Königsklasse sind allerdings die renommierten «Stihl Timbersport Series», die von der Firma Stihl, die motorbetriebene Geräte für die Forstwirtschaft herstellt, in den sechs attraktivsten Disziplinen ausgerichtet werden. Bei anderen Organisatoren gibt es noch mehr Wettbewerbskategorien, wie zum Beispiel das Baumklettern, wo Yolanda Hagmann so flink und schnell wie ein Eichhörnchen ist.
Stihl ist seit 2001 europaweit die profilierteste und breitenwirksamste Promotorin des Sportholzfällens, nachdem die Firma seit 1985 dem Sport in den USA in Kooperation mit dem Sport-TV-Kanal ESPN zu medialer Aufmerksamkeit verholfen hat. Stihl ist es auch, die den Sport weiter professionalisieren und vereinheitlichen möchte. Bei den «Stihl Timbersport Series» wird nach Geschlechtern getrennt gekämpft, damit die Wettbewerbsbedingungen fair sind. Noch führt das Unternehmen aufgrund des Mangels an Athletinnen keine Weltmeisterschaften für Frauen durch.
Quelle: J.Weber, Stuttgart
Beim «Underhand Chop» muss ein senkrecht verankerter Holzblock von beiden Seiten schnellstmöglich durchschlagen werden.
Umso mehr möchte Yolanda Hagmann Frauen für diesen Sport begeistern: «Jedermann, ganz unabhängig vom Geschlecht, kann diesen Sport ausüben: In jedem Alter, egal ob klein, gross, dünn oder dick!» Sie erinnert sich an eine deutsche Kollegin, die erst mit 46 Jahren das Sportholzfällen für sich entdeckt hat: «Sie war sogar richtig gut, musste den Sport jedoch wegen einer beruflichen Neuorientierung aufgeben. Ein anderer Sportkollege von Eurojack ist sogar 72 Jahre alt.»
Am College vom Holzfällen angefixt
Ursprünglich komme das Sportholzfällen aus Neuseeland, Australien und Nordamerika, so Yolanda Hagmann. Auch in den USA und gewissen Regionen Kanadas sei der Sport sehr populär, wie in der östlichen Provinz Nova Scotia mit der Hauptstadt Halifax, wohin die Familie Hagmann anfangs der 1990er-Jahre ausgewandert ist. Dort hat sich die damals Achtjährige für viele Jahre dem Eiskunstlauf und dem Eispaartanz verschrieben, bevor sie am Ende ihrer Collegejahre das Sportholz-fällen für sich entdeckt hat.
Aufgewachsen ist Hagmann mit drei Geschwistern in ländlicher Abgeschiedenheit auf einem Bauernhof mit vielen Tieren. Und so war es naheliegend, dass sie auf ein College für Tier- und Pflanzenwissenschaft ging, in Kanada die in erster Linie auf theoretisches Wissen ausgerichtete Form der hiesigen Bauernlehre. Da eine Universitätsausbildung dort sehr viel teurer ist als in der Schweiz, reichten die Mittel der sechsköpfigen Familie für ein Zoologiestudium ihrer Tochter genauso wenig aus wie für eine Eislaufkarriere, obwohl Yolanda von ihren Eltern immer unterstützt und gefördert wurde. Deshalb blieb für sie der Eiskunstlauf bis zum Ende ihrer Ausbildung eher ein ambitioniert betriebenes Hobby.
«Sportholzfällen war im College eine Art Schulsport und die Kollegen haben mich überredet, es selber mal zu versuchen», erzählt sie. Da der Sport an der Schule derart überlaufen war, musste sie zunächst einen einwöchigen Härtetest absolvieren, bevor sie überhaupt ein Gerät anfassen durfte: Laufen, Sit-ups und Liegestützen ohne Ende. Yolanda Hagmann hat es überstanden und war immer noch motoviert. «Da hat es bei mir klick gemacht», erinnert sie sich. In der Schule war Holzfällen ein richtiger Teamsport. «Mir gefiel das Miteinander, die Geschwindigkeit, das Wetteifern und auch, dass es ganz viele verschiedene Disziplinen gab. Ohne diese Voraussetzungen hätte ich mich vielleicht nicht vom Eiskunstlauf verabschiedet.»
Wie man die Äxte und Sägen benutzt, war ihr ohnehin von Kindsbeinen an vertraut. Die Eltern – die Mutter Architektin, der Vater Besitzer eine Gartenbaufirma – waren darauf bedacht, dass ihre Kinder ein Handwerk von der Pike auf lernen, bevor sie zu den motorbetriebenen Werkzeugen greifen. Rückblickend ging dem sehr bodenständigen, naturverbundenen Bewegungsmenschen der sprichwörtliche Zickenkrieg und das stark kompetitive Einzelkämpfertum der Eiskunstläuferinnen, die meistens aus wohlhabenden Familien stammten, gegen den Strich: «Ich passte nicht wirklich dazu. Eiskunstlauf ist, wenn er als Ganzjahressport betrieben wird, ausgesprochen kostspielig und sehr trainingsintensiv.»
Finanziert hat sie sich das Sommertraining ab ihrem sechzehnten Altersjahr aus eigener Tasche. «Klar, auch beim Holzfällen tritt Mann gegen Mann, Frau gegen Frau an. Es ist genauso eine Einzelsportart wie Eiskunstlauf, aber man pflegt eine Kollegialität und kennt sich auf der ganzen Welt. Ich kann an jede Türe anklopfen und man würde mir helfen. Die Sportholzfäller bilden eine Art Community.»
Quelle: Stihl
Yolanda Hagmann ist eine der weltweit führenden Sportholzfällerinnen.
Jedes Werkzeug ein Unikat
Sportholzfällen ist alles andere als ein billiger Sport. Die Sportler benutzen nach ihren individuellen Wünschen angefertigte Werkzeuge, die nicht im gewöhnlichen Handel erhältlich sind. Jedes Werkzeug ist ein handgefertigtes Einzelstück, zu dem die Athleten grosse Sorge tragen und es nur ungern aus der Hand geben. Ein falscher Schlag und eine Axt ist ruiniert. Yolanda Hagmann ist deshalb auf Sponsoren an-gewiesen, denn ein einzelnes Werkzeug kann schnell weit über tausend Frankenkosten.
Äxte gibt es mit weicherem oder härterem Stahl sowie mit spitzerem oder breiterem Schneidewinkel. Ein Sportholzfäller besitzt meist mehrere, denn letztlich ist die jeweilige Holzbeschaffenheit ausschlaggebend, welche Axt man fürs Hacken benutzt. Greift man zur falschen, kostet das im Wettkampf wertvolle Sekunden. Auch bei einer Handsäge entscheidet jeder Athlet selbst, ob er mit einem kürzeren oder längeren Sägeblatt besser zu Gange kommt.
Weil sie eher klein ist, hat sich Yolanda Hagmann für ein kürzeres Blatt entschieden. Geschliffen werde alles noch von Hand, berichtet die Sportlerin, weltweit existierten nur etwa vier dieser hochspezialisierten Handwerker, die ihre ausgefeilte Technik von ihren Vorgängern, der Familie oder von ihrem Lehrmeister gelernt hätten. Es gebe ein paar Neue im Metier, die ein Gerät wenn auch nicht selber herstellen aber doch zumindest schleifen könnten. Entsprechend lang sind die Wartelisten und Lieferzeiten, selbst wenn es nur ums Schleifen geht.
«Auf eine zwei Meter lange Single-Buck-Säge zum Beispiel wartet man vier bis fünf Jahre, bis man eine bekommt. Wenn überhaupt», erzählt Yolanda Hagmann. «Einer der Hersteller ist an Krebs erkrankt und man weiss nicht, ob er noch weitermachen wird. Der andere ist auch anderweitig sehr überlastet und diejenige Firma, die eigentlich immer Vollgas gibt, stellt die Geräte nur halbjährig her, da sie das andere Halbjahr mit den Wettkämpfen in Australien und Neuseeland beschäftigt ist», beschreibt die Insiderin die Situation. Die Vereine stellen aus diesem Grund Anfängern die Gerätschaften im Trainingslokal jeweils zur Verfügung.
Yolanda Hagmann besitzt insgesamt acht Äxte, ein paar Wurf-Äxte, zwei Motor-sägen – eine pinkfarbene und eine grüne mit Spezialauspuff für mehr Leistung – und anderthalb Handsägen (eine Handsäge teilt sie sich aus Kostengründen mit einer Kollegin). Welches ihrer Geräte beim Wettkampf zum Einsatz kommt, entscheidet sie stets situativ vor Ort. Sie hat ein feines Gespür für die jeweilige Beschaffenheit des Holzes und kann das Baumstück gut «lesen»: Ist es eher trocken oder feucht, eher hart oder weich, verstecken sich im Inneren noch verhärtete Ansätze von Ästen?
Deshalb hat sie an den Wettkämpfen immer ihr ganzes Equipment dabei. Das Wettkampfholz für Stihl Timbersports kommt von einer Plantage, die speziell für den Sport angebaut wird, die allerdings nicht der Firma Stihl gehört. Zudem wird für einen Wettkampf immer nur das Holz von Bäumen aus dem gleichen Sektor verwendet, damit die Athleten möglichst gleiche Bedingungen haben. Es sind meist weichere Holzarten wie Pappeln oder Kiefer. Dennoch, Holz ist ein lebendiges Material. «Es ist ein bisschen wie eine Lotterie. Einmal hat man ein gutes Teilstück, manchmal ein schlechtes. Dann hat man einfach Pech gehabt. Punkte werden einem deshalb nicht gutgeschrieben.» Yolanda Hagmann nimmt solche Herausforderungen mit sportlicher Gelassenheit.
Stihl Timbersports
Die «Stihl Timbersport Series» sind
die prestigeträchtigsten Wettkämpfe im Sportholzfällen.
Der Wettbewerb findet in folgenden Disziplinen statt:
Springboard: Der Athlet steht auf zwei Trittbrettern,
die in einen senkrecht verankerten Holzstamm platziert sind, und muss einen auf
der Spitze montierten Holzblock durchschlagen.
Underhand Chop: Der Athlet steht auf einem horizontal
verankerten Stamm und muss ihn mit der Axt von beiden Seiten durchschlagen.
Standing Block Chop: Ein senkrecht in einer
Metallhalterung verankerter Holzblock muss so schnell wie möglich von beiden
Seiten durchschlagen werden.
Single Buck: Mit einer etwa zwei Meter langen
Einmannhandzugsäge muss der Athlet eine Holzscheibe (Cookie) von einem
horizontal befestigten Block absägen.
Stihl Stock Saw: Mit der Motorsäge werden von einem
waagerechten Holzstamm mit einem Abwärts- und einem Aufwärtsschnitt zwei
Cookies innerhalb eines Abschnittes von zehn Zentimetern an einem Stück
abgesägt.
Hot Saw: Mit der getunten Motorsäge müssen aus einem
waagerecht verankerten Holzblock innerhalb eines Bereichs von fünfzehn
Zentimetern drei vollständige Cookies gesägt werden.
Bei Timbersports sind 1158 Sportler und 77 Rookies (Anfänger) und 164 Sportlerinnen aus 27 Nationen registriert. Die Firma bietet auch Trainingscamps für Anfänger an.
Infos unter: stihl-timbersports.ch