Swiss Steel baut 800 Stellen ab
Die Massnahmen, die der angeschlagene Stahlkonzern Swiss Steel ergreift, sind hart: Das Innerschweizer Unternehmen baut 800 Stellen der insgesamt 7500 ab. In der Schweiz betrifft es 130 Stellen.
Im Werk Emmenbrücke sollen von den 750 Arbeitsplätzen 130 gestrichen
werden, wie Swiss Steel am Freitag bekannt gab. Der Abbau betreffe die
Produktion und die administrativen Bereiche. Voraussichtlich werde die
natürliche Fluktuation hierfür nicht ausreichen, hiess es. Das
Unternehmen rechnet daher mit 80 Kündigungen. Das Konsultationsverfahren
mit den Personalvertretern sei eingeleitet. Wie Konzernchef Frank Koch
in einem Interview mit der "Finanz und Wirtschaft" erklärte, ist der
Standort Schweiz allerdings nicht in Gefahr. "In Emmenbrücke haben wir
unser Schweizer Werk und unseren Hauptsitz. Als Absatzmarkt ist die
Schweiz allerdings weniger relevant, da unser Fokus auf Märkten
ausserhalb der Schweiz liegt."
Der grösste Teils der Einschnitte
findet somit im Ausland statt. Betroffen seien die europäischen
Produktionsstandorte sowie die gesamte Vertriebsorganisation, hiess es.
Der Abbau von 800 Stellen setzt sich zusammen aus der Streichung von 530
Arbeitsplätzen und der Arbeitszeitreduktion bei weiteren 270
Vollzeitstellen. Dazu werde bei der deutschen Tochter Deutsche
Edelstahlwerke die Wochenarbeitszeit um rund 15 Prozent reduziert. Diese
Schritte weden laut Swiss Steel bereits im Jahr 2025 weitgehend
wirksam. Mit diesen Einschnitten sinkt die Mitarbeiterzahl der Gruppe
laut Medienmitteilung im ersten Halbjahr 2025 auf unter 7000
Beschäftigte.
Das bisherige Restrukturierungsprogramm reicht laut
dem Management nicht aus: Weil die Nachfrage in der europäischen
Industrie nach wie vor schwach, das Produktionsniveau tief und die
Wachstumsaussichten der Kunden verhalten seien, brauche es diese
Anpassungen, schreibt Swiss Steel. Mit dem Abbau will der Stahlkonzern
die Produktionsstandorte in der Schweiz, Deutschland und Frankreich
langfristig sichern. Koch dazu: "Wir sind stark von der
Industrieproduktion abhängig, egal, ob es
nun um Maschinen, Autos
oder Flugzeuge geht. Als wir 2023 die Planung für 2024 gemacht haben,
sahen in Europa die Prognosen der Industrie deutlich besser aus." Das
Problem sieht Koch darin, dass in Europa gleichzeitig das Energiesystem
und der Verkehr umgestellt und die Industrie dekarbonisiert wird: "Die
Kombination davon mündet in einer extremen Konsumschwäche. Es werden
weniger Fahrzeuge gekauft, und deshalb braucht es auch bei den
Zulieferern weniger Maschinen und folglich weniger Stahl."
Der wichtigste Absatzmarkt sei Italien, gefolgt von Deutschland und Frankreich. "Deutschland als Wirtschaftsstandort hat in den letzten Jahren aus meiner Sicht den schlechtesten Job in Europa gemacht", erklärt der Swiss-Steel-Chef. Veränderungen wie die Anpassung der Energiekosten, Netzkosten, Planungssicherheit und der Aussenhandelsschutz müssten in der richtigen Reihenfolge angegangen werden. "Der Fehler in der Betrachtung ist, dass Produkte nicht nur wettbewerbsfähig, sondern auch für den Konsumenten attraktiv sein müssen. Wenn die Preise so hoch sind, zögern die Kunden, Kaufentscheidungen zu treffen", sagte er. Kunden warteten lieber ab, ob ein Auto gefördert werde, ob es elektrisch oder hybrid sei oder der Verbrenner weiterhin eine Option bleibe, so Koch, der damit die Politik der mittlerweile geplatzten deutschen Ampel-Regierung kritisierte.
"Wir
können nicht unsere gesamten Wertschöpfungsketten von heute auf morgen
dekarbonisieren. Das funktioniert in der Realität nicht", sagte Koch. Es
brauche klare Vorgaben, welche Industrie, in welcher Reihenfolge, mit
welchen Produkten zu dekarbonisieren sei. "Und das fehlt." Zudem
vewrweist Koch darauf, dass Swiss Steel leiste mit dem "grünen Stahl",
der mit rund 83 Prozent weniger CO2-Emissionen hergestellt werde als
herkömmlicher Stahl, einen entscheidenden Beitrag zur Dekarbonisierung
leistet. "Aber nur, wenn unsere Kunden den unternehmerischen Anreiz
haben, unsere Produkte auch nachzufragen", sagte Koch. Auf die Frage, in
welcher Zeitspanne der Turnaround gelingen solle, sagte Koch: "Andere
Unternehmen aus unserer Branche brauchten für eine erfolgreiche
Restrukturierung eine Dekade."
Gewerkschaften fordern Abwarten der Politik
Auf
die angekündigten Enlassungen haben die Gewerkschaften Unia und Syna
sowie der Kaufmännische Verband Schweiz haben sofort auf die
angekündigten Entlassungen reagiert. Sie fordern in einer gemeinsamen
Mitteilung einen sofortigen
Verzicht auf Entlassungen bei der
Steeltec AG in Emmenbrücke. Stattdessen solle das Unternehmen bis Ende
Jahr auf politische Entscheide warten oder allenfalls Kurzarbeit
einführen. Es sei entscheidend, Produktionskapazitäten und Know-how zu
erhalten. Von der Politik fordern sie, Lösungen für den Erhalt der
Schweizer Stahlindustrie voranzutreiben und die Bedingungen für die
Stahlproduktion zu verbessern. "Zusammen mit Stahl Gerlafingen ist das
Werk in Emmenbrücke das letzte Stahlwerk der Schweiz - und beide kämpfen
mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten, unter anderem wegen der hohen
Stromkosten", erinnern sie.
Ähnlich tönt es beim Verband Angestellte Schweiz: "Wir fordern von den politischen Entscheidungsträgern schnelles Handeln. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Stahlindustrie der Schweiz nicht nur überlebt, sondern gestärkt in die Zukunft geht", schreibt Verbandsmitglied Pierre Derivaz in einer Mitteilung. (sda/mai)