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GDI-Studie: Wohnen im Zeichen der Digitalisierung

Teaserbild-Quelle: zvg

Wie wohnt man im 21. Jahrhundert? Eine Studie des Gottlieb-Duttweiler-Instituts nimmt Trends unter die Lupe. Wohnen auf kleinstem Raum gewinnt an Bedeutung, Einpersonenhaushalte haben sich in allen Schichten etabliert und die Digitalisierung sorgt für einen Paradigmenwechsel.

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Quelle: zvg

Das Wohnen der Zukunft, wie es sich der Zeichner dieser Motorola-Werbung vor über 50 Jahren vorgestellt hat, hat wenig mit dem Thema "Wohnen auf kleinstem Raum" gemein.

Im Jahr 2050 sind voraussichtlich zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten zu Hause, 1950 war es gerade Mal ein knappes Drittel. Dies rechnen die Autoren der Studie des Gottlieb-Duttweiler-Instituts "Microliving. Urbanes Wohnen im 21. Jahrhundert" vor. Im Zuge dieser zunehmenden Urbanisierung werden Wohnflächen kostbarer, in städtischen Gebieten steigt der Druck zu verdichten. Dies führe dazu, dass die durchschnittliche Wohnfläche pro Person wieder abnehme, heisst es in der Zusammenfassung der Studie.

Diese Entwicklung illustrieren auch Kleinstwohnflächen in verschiedenen Metropolen und Regionen: Während man in Tokio bereits auf rund 5,8 Quadratmeter mit allem notwendigen (Schlafen, Küche und Bad) wohnen kann, sieht Microliving (siehe untenstehende Box) an der amerikanischen Westküste anders aus, dort sind es ganze 28 Quadratmeter. An der Ostküste werden Wohnflächen von 37 bis 46 Quadratmeter als kleinteiliges Wohnen bezeichnet. In der Schweiz spricht man bei 30 Quadratmetern von Wohnen auf kleinstem Raum. Das ist rund 30 Prozent weniger als der durchschnittliche Wohnflächenverbrauch pro Kopf, nämlich 45 Quadratmeter. Zweipersonen-Haushalte haben sich im Schnitt auf einer Fläche von 80 Quadratmetern eingerichtet.

Microliving

Grundsätzlich steht Microliving für Wohnen auf einer sehr kleinen Fläche, die alles Notwendige für eigenständiges Wohnen bereitstellt. Das heisst Schlafen, Küche und Bad. Was quadratmetermässig darunter verstanden werden muss, hängt von den örtlichen Gegebenheiten ab. Hongkong ist nicht Winterthur und Berlin keine finnische Kleinstadt.

Vom Minimalisten zu den Alten

Die Studienautoren haben verschiedene Typen von Alleinwohnenden ausgemacht:

  1. Studenten oder Menschen in einer Ausbildung, sie sind in der Regel zwischen 16 und 30 Jahre alt. Der Ausländeranteil unter ihnen ist mit knapp 17 Prozent relativ hoch, diese Studenten brauchen in der Regel zwingend ein Unterkunft, weil sie nicht bei ihrer Familie wohnen können.
  2. Bescheidene, auch Minimalisten oder Reduktionalisten, haben sich bewusst für ein einfaches Leben ohne Überfluss entschieden. Sie verzichten freiwillig auf Wohnfläche.
  3. Multilokale sind alle diejenigen, die sich an mehreren Orten zu Hause sind. Sie haben verschiedene Wohnplätze oder wechseln ihr Zuhause regelmässig.
  4. Als Solo-Frauen und -Männer bezeichnen die Studienautoren die „Noch-Nicht-Festegelegten“. Ihnen ist ihre Unabhängigkeit, Flexibilität und ihre Freiheit wichtig.
  5. G-Erwachsene sind Getrennte und Geschiedene, Menschen die Single geworden sind oder sich neu orientieren.
  6. Alte machen laut Studienautoren den „mit Abstand grössten Teil“ der Einpersonenhaushalte aus. In den meisten Fälle handele es sich um Menschen, deren Partner entweder im Alterheim lebe oder verstorben ist.
Mann mit Smartphone, Symbolbild.

Quelle: quinntheislander, Pixabay-Lizenz

Smartphone, Tablet und Computer - die Digitalisierung holt die weite Welt in die eigenen vier Wände und prägt damit auch das Wohnen.

Smartes Zuhause oder Sehnsucht nach den Wurzeln

Die unterschiedlichen Typen haben sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Diese schlagen sich in verschiedenen Trends beim Wohnen nieder. In der Studie werden sechs solcher Trends identifiziert:

  1. „Collective Diversity“: Wohnformen differenzieren sich weiter aus, gemeinschaftliche Wohnformen gewinnen an Bedeutung während das traditionelle Modell des Familienwohnens zurückgeht. Neue Lebensstile und Familienstrukturen erforderten neue Wohnformen – aber auch diese seien in den meisten Fällen gemeinschaftlich.
  2. „Peak Home“: Bislang erfüllte eine einzelne Wohnung erfüllte unterschiedlichste Funktionen: Sie ist Schlafplatz, Kochnische, Reinigungsort, Wohnzimmer, Arbeitsstätte, Erholungsraum, Wohlfühloase und Stauraum. Im digitalen Zeitalter werden diese Funktionen neu zusammengesetzt –immer öfter liefert eine Wohnung nur noch ein „Basisangebot“, der Rest wird ausgelagert.
  3. „Platform Living“: Der mobile, temporäre und multilokale Lebensstil der Digitalen Nomaden greife weiter um sich, halten die Autoren fest. Wohnen wird flexibler. – Somit sind Wohnungen auf einen bestimmten Lebensabschnitt ausgerichtet.
  4. „Augmented Convenience“: Virtual Reality, Spracherkennung oder Chatbots verändern und prägen das Wohnen. Sie trügen dazu bei, dass Wohnen zu einem „massgeschneiderten Erlebnis mit maximaler Bequemlichkeit“ werde, ist in der Studie zu lesen.
  5. „Branded Living“: Wohnen bringt zunehmend den ganz persönlichen Lifestyle zum Ausdruck. Damit wird das Zuhause zur Marke. Sei es Wohnen mit Concierge-Service oder Wohnen in der Gross-WG mit Kinozimmer und Yogaraum.
  6. „Somewhere Strikes back“: Je stärker der Trend zum mobilen und offenen Lebensstil wird, umso stärker wird auch das Gegenteil davon, das Bedürfnis nach einer einfachen, verwurzelten Lebensweise.

Das Fazit der Studienautoren: „Das Wohnen am Anfang des 21. Jahrhunderts steht vor einem Paradigmenwechsel, der in seiner Dimension und Tragweite mit dem Übergang zum Wohnen im Industriezeitalter vergleichbar ist.“ Die räumliche Trennung von spezifischen Funktionen und auch die Standardisierung von Wohnungen sehen sie mit der Digitalisierung infrage gestellt.

Die die Digitalisierung als eine weitere Software-Schicht, die sich ins Zuhause legt, zusätzlich zu den bestehenden vier Schichten – zum Rohbau, Innenausbau, zur Inneneinrichtung und zu persönlichen Gegenständen. Sie ermögliche es, Wohnen neu zu denken. Sie kann laut den Autoren einerseits helfen die Wohnung für die Umgebung zu öffnen und zum Teil der Gemeinschaft machen oder „angebundene Abgeschiedenheit“ zu organisieren, das heisst bei Bedarf die Aussenwelt ins Haus zu holen.

„Parasit in der Stadt“

Die Autoren rechnen beim Wohnen mit neuen Herausforderungen, etwa was die Kooperation mit der Umgebung oder vielmehr der Stadt anbelangt: „Die Immobilie setzt sich nicht als Parasit in das von der Stadt geschaffenen Ambiente, sondern ist Bestandteil des Ökosystems Wohnumfeld, schafft und prägt es mit.“ Zudem prognostizieren sie, dass sich untrennbar mit dem Wohnen verbundene Funktionen zum Teil auflösen werden. Das heisst, wer in einer Clusterwohnung lebt, zieht sich zwar für den Netflix-Abend aufs Sofa in den eigenen vier Wände zurück, hat aber zuvor in der Gemeinschaftsküche sich das Abendessen zubereitet und sich mit den Nachbarn beim Essen über den gemeinsam genutzten Dachgarten ausgetauscht.

Ob dieser Aspekt tatsächlich derart an Bedeutung gewinnt mag nicht für alle zutreffen. Wer tagsüber im Grossraumbüro sitzt und permanent über Smartphone und Internet erreichbar ist, möchte vielleicht zwischendurch einfach Ruhe und Raum für sich haben – und dafür braucht es mehr als nur ein Schlaf- und ein Wohnzimmer. (mai)

Die Studie Microliving. Urbanes Wohnen im 21. Jahrundert kann auf www.gdi.ch kostenlos heruntergeladen werden.

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