Strom leiten, ohne Widerstand
Vor genau einem Jahrhundert entdeckte der Niederländer Heike Kamerlingh Onnes sogenannte supraleitende Materialien. Bis heute weiss die Physik noch nicht genau, wie und warum Supraleitung entsteht. Wäre eine breite und kostengünstige Anwendung möglich, käme dies einer Energie-Revolution gleich.
Dabei entdeckte er dass der elektrische Widerstand kurz vor dem Erreichen des Kälteextrems auf Null fiel. Eine Erklärung für dieses Phänomen fand der Forscher nicht. Allerdings war damals schon klar, dass mit dem Transport von Elektrizität immer auch Leitungsverluste einhergehen. Seither wird weltweit nach dem Stein oder in diesem Fall nach der Leitung der Weisen geforscht.
Theorie für die Funktionsweise der Supraleitung
Vor 50 Jahren wurde in den USA zum ersten Mal eine Theorie der Funktionsweise der Supraleitung formuliert. Demnach verzerrt jeweils ein Elektron bei Unterschreitung einer kritischen Temperatur das positiv geladene Kristallgitter des Supraleiters, woraufhin ein weiteres Elektron angezogen wird und ein Elektronenpaar entsteht. Die Paare untereinander können sich mit allen anderen Paaren zu einem Superelektron verbinden, das sich über den gesamten Supraleiter erstreckt. Kollisionen mit Unregelmäßigkeiten im Kristallgitter, die sonst Widerstand verursachen, fallen dabei weg.
Ohne den heute noch begrenzten Einsatz der Supraleiter-Technik sind viele heutige Anwendungen ohne diese Technik unvorstellbar, wie etwa die ultrastarken Magnetfelder von medizinischen Magnetresonanz-Tomographen oder hochempfindliche Biomagnetismus-Sensoren. Auch moderne Teilchenbeschleuniger und Prototypen künftiger Fusionsreaktoren verwenden das Prinzip der Supraleitung.
Auch wenn sich Supraleiter im Alltag noch nicht durchgesetzt haben, gilt ihr noch ungenutztes Potenzial als enorm. Es wird davon ausgegangen, dass die gesamte Elektrotechnik des täglichen Lebens davon in ferner Zukunft profitieren könnte. „Ein Beispiel dafür sind die erneuerbaren Energien. Supraleitende Kabel könnten Strom verlustfrei von entfernten Standorten bringen, an denen etwa das Potenzial für Photovoltaik oder von Windkraft höher ist“, so der Experte. Auch die Erzeugung von Magnetfeldern könnte durch Supraleiter revolutioniert werden, was dem Elektromotor zugute käme.
Zukunftsträume: Supraleitung von Raumtemperatur
Haupthindernis für solche Pläne für einen grossflächigen Einsatz ist, dass Supraleiter auf extrem tiefe Temperaturen angewiesen sind - die derzeit höchste mögliche Temperatur liegt immer noch bei minus 135 Grad Celsius. Damit eines Tages vielleicht sogar Raumtemperatur-Supraleiter möglich sind, muss die Grundlagenforschung das Phänomen theoretisch genau verstehen. Erst dann gilt es geeignete supraleitende Materialien zu finden oder zu entwickeln, die eine Anwendung erlauben. (mai/mgt)